Zahn-OP: Ein zahnärztlicher Eingriff

Eine Zahn-Op: Routine-Eingriff in der Pferdeklinik. (Fotos: Schrader)

reitsport MAGAZIN-Volontärin Maureen Schrader verbrachte einen Tag in der Hanseklinik für Pferde.

Erster Akt

 

Ein kurzes Blubbern ertönt als eine Arzthelferin den Tropf aufhängt, um Pony Less während der Operation mit Flüssigkeit und, falls nötig, weiteren Dosen Sedation zu versorgen. Sein Kopf wird in eine an dem Metallgerüst befestigten Schlaufe gelegt und dann vorsichtig mit Hilfe eines Flaschenzugsystems auf die richtige Höhe gebracht. Dr. Conrad Christoffers bringt behutsam das Maulgatter an. Die Zähne des Ponys klacken auf das Metall, die Lederschlaufe wird hinter den Ohren zugezogen und schon wird das Maulgatter ratternd aufgeschoben. Die Vermutung des Arztes: Die Entnahme aller Vorderzähne und eines Eckzahnes werden nötig sein. Durch eine Röntgenaufnahme bestätigt sich die Befürchtung. Kurze Zeit später ertönt das Klatschen der Gummihandschuhe an den Handgelenken des Tierarztes.

Pony Less müssen mehrere Zähne gezogen werden.

Wieso ausgerechnet Zähne?

 

Dr. Conrad Christoffers ist in dem Gebiet um Ottersberg in dem Bereich der Zahnoperationen bekannt. Er leistet gute und präzise Arbeit. Dabei war das eigentlich nicht so geplant: „Die Spezialisierung auf Zähne war eher Zufall. Ich war in einer Klinik in Schleswig-Holstein und hatte dort viel in dem Bereich zu tun. Mit der Zeit stieg das Interesse und ich wurde immer besser.“ Durch sein Können stieg auch die Anzahl der Patienten mit Zahnbeschwerden und sein Werdegang zum Zahnspezialisten wurde zum Selbstläufer. Den anderen Bereichen - wie Koliken – ist der Tierarzt dennoch nicht abgeneigt: „Ich mache eigentlich alles gerne, obwohl der Kalender Zurzeit fast voll ist mit Zahnpatienten.“ Unglücklich ist Dr. Christoffers darüber nicht. Für ihn zählt es, einem Pferd, dem es schlecht geht, zu helfen und die Grundvoraussetzungen für ein glückliches Pferdeleben, gut gehen und gut fressen zu können, wieder herzustellen. Bei Pferden mit starken Zahnbeschwerden ist der tierärztliche Effekt und die damit einhergehende Veränderung besonders gut sichtbar. Und die zahnärztliche Abteilung bietet weitere Vorteile, denn im Gegensatz zu anderen finden hier eher selten Notfälle statt. „Alles ist planbar“, beschreibt der Spezialist seine Einsätze. Im Gegensatz zu Koliken gibt es beinahe nie die Situation, dass der Tierarzt sofort zu dem Patienten eilen muss, um das Leben des Tieres zu retten.

 

Zweiter Akt

 

Zusätzlich zu der Sedierung erhält Less eine örtliche Betäubung des Ober- und Unterkiefers, die ihm über mehrere Spritzen in das Zahnfleisch verabreicht wird. Gleich im Anschluss schabt Dr. Christoffers den Zahnstein von jedem einzelnen zu ziehenden Zahn, um im Anschluss sauberer arbeiten zu können. Ein Kreischen, vergleichbar mit dem Schleifen von Metall oder Stahl, geht durch den Behandlungsraum. Schrill und laut. Dann beginnt er, die Zahnzwischenräume mit einer großen Zange, dem Spreizer, zu spalten, um den Zähnen Platz zu schaffen. Ein Geräusch, als schneide jemand trockene Baumrinde, ertönt bei jedem Zusammendrücken. Die Zähne sind nun frei und locker und der Tierarzt beginnt jeden einzelnen Zahn mit Hilfe einer Zangen-Hebeltechnik aus dem Zahnfach zu ziehen. Er dreht und hebelt mit seinem Werkzeug, mal schneller, mal langsamer. Immer wieder knackt es laut, als breche jemand einen Ast in der Mitte. Zu fest im Zahnfleisch steckende Zähne werden mit Hilfe eines Hammers und eines Meißels vorsichtig aus dem Kiefer geklopft. Blut tropft aus dem Maul des Ponys auf den Gummiboden und schnell bildet sich eine Pfütze vor den Füßen von Dr. Christoffers. Das Tropfen steigert sich in der Menge und der Geschwindigkeit im Laufe der Operation und ist akustisch vergleichbar mit leichtem Regenfall. Nachdem alle Zähne aus dem Oberkiefer entfernt sind, wird mit einem Skalpell das herunterhängende Zahnfleisch abgeschnitten. Quietschen, wie das Reiben von Gummi an Gummi, ist zu hören. Es folgen Unterkiefer und Eckzahn.

 

Joggen und Yoga

 

Der Beruf des Tierarztes ist auf mehreren Ebenen eine Herausforderung. Die Ausgänge von Operationen sind nicht immer nur gut. Manche Pferde überstehen diese nicht, also ist es für einen Tierarzt wichtig, einen gewissen emotionalen Abstand zu seinen Patienten zu bewahren. Trotzdem ist er dazu verpflichtet, sich gut um das Tier zu sorgen. Für Dr. Christoffers eine Selbstverständlichkeit: „Nach jeder Operation folgt eine Nachuntersuchung und die darauffolgende Freigabe des Patienten mit einem Plan, auf dem Anweisungen für die Phase der Heilung angegeben sind. Meistens werfe ich nach drei bis fünf Tagen erneut einen Blick auf die Wunden. Dann bitte ich die Besitzer um einen Bericht nach ein paar Wochen. Es ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Besitzer und Tierarzt.“ Auch körperlich ist vor allem der Bereich der Zahnmedizin eine gewisse Belastung. Um über mehrere Stunden ruhig und konzentriert arbeiten zu können, ist ein ausgewogenes Frühstück sehr wichtig. Während der Operationen muss Geduld bewiesen werden und manchmal auch Kraft. Gerade bei der Arbeit an den Zähnen eines Pferdes wird überwiegend mit den Armen Überkopf gearbeitet, weshalb die Belastung der Schultern besonders hoch ist. „Ich habe jahrelang auf den Knien vor dem Pferdemaul gearbeitet, hatte sogar eine Zeit lang ein Maurerkissen. Nun habe ich diesen Hocker, der in alle Größen verstellbar ist – von Mini-Shetty zu Warmblut – seitdem habe ich keine Rücken- oder Knieprobleme mehr“, erzählt Dr. Christoffers. Einige seiner Kollegen leiden jedoch bereits früh an Schultergelenksentzündungen oder Arthrosen. „Nach einer Lösung für dieses Problem wird noch gesucht.“ Bis dahin hält der Tierarzt sich mit Joggen und Yogaübungen fit. Ab und zu genießt er zusätzlich die Ausritte mit seinem bereits älteren Pferd.

 

Dritter Akt

 

Ein leichtes Blubbern ist zu hören, als Dr. Christoffers dem kleinen Less die offenen Wunden stopft. Die dafür verwendeten Tupfer werden mit einer Creme eingerieben. Der Geruch von Honig überdeckt langsam den des Desinfektionsmittels. Das Tropfen des Blutes wird immer weniger. Erleichterung schwebt in der Luft. Alles ist gut verlaufen und Less wird schon bald wieder schmerzfrei fressen können.

Die Autorin

Eine spannende Reportage verfassen – das war die Aufgabe unserer auszubildenden Redakteurin Maureen Schrader, als sie am Volontärskurs der Akademie für Publizistik in Hamburg teilnahm. Für diesen Text hat sie Dr. Conrad Christoffers bei seiner Arbeit in der Hanseklinik für Pferde in Sittensen über die Schulter geblickt.

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