Im Sattel durch die Schwangerschaft?

(Fotos: Privat)

Sport zu treiben in der Schwangerschaft ist bei vielen Frauen ein Thema. Dabei geht es um den Wunsch nach der allgemeinen Fitness aber auch die Sorge um das ungeborene Kind. Auch im Reitsport – und besonders im Turniersport in den hohen Klassen oder als Berufsreiter/-in, ist es wichtig, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und auf seinen eigenen Körper zu hören.

Springreiterin Mylene Diederichsmeier bekam im Oktober 2015 ihren Sohn Liam. Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl im August 2017 ihren Moritz. Uns haben die beiden Turniersportlerinnen vom Reiten in der Schwangerschaft und den Wiedereinstieg in den Sport berichtet.

Vor der Schwangerschaft

Einige Frauen machen sich bereits bevor sie schwanger sind Gedanken darüber, wie es nach dem positiven Test mit der Reiterei weitergehen soll. Für Berufsreiterinnen ist der Ausstieg aus dem Sport für neun Monate oder mehr ein großer Schritt. „Ich hatte mir immer gewünscht, dass meine Schwangerschaft gut verläuft und ich so lange wie möglich reiten kann“, schrieb Jessica von Bredow-Werndl. Ihr war von Anfang an klar, dass sie die jungen Wilden, also die drei- bis vierjährigen Pferde, lieber nicht reiten würde. Ansonsten hat sie von Beginn an alle Optionen offengelassen. Auch Mylene Diederichsmeier sah der Reiterei in der Schwangerschaft entspannt entgegen: „Ich wollte das Ganze einfach auf mich zukommen lassen. Es stand nur fest, dass ich auf keinen Fall später mit einem dicken Bauch reiten wollte.“ Auch die Frauenärzte der beiden Reiterinnen sahen keine Probleme. Bredow-Werndl berichtet: „Mein Arzt war zum Glück sehr entspannt. Er hat selbst eine reitende Frau und drei gesunde Kinder. Wichtig waren einfach regelmäßige Check-Ups.“ Diederichmeiers Ärztin überließ ihr selbst die Entscheidung. Beide Reiterinnen hörten auf die Signale ihres Körpers.

Bis zum fünften Monat hat Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl noch an Turnieren, sogar an Weltcups, teilgenommen.

Ihr Wunsch wurde wahr

Die Schwangerschaft von Jessica von Bredow-Werndl schränkte sie in der Reiterei kaum ein: „In den ersten drei Monaten wurde mir immer wieder ein bisschen übel, witzigerweise aber nie während des Reitens.“ Bis zum fünften Monat nahm die 34-Jährige sogar noch an Turnieren teil und konnte völlig uneingeschränkt trainieren. Ab dem sechsten Monat, berichtet die Dressurreiterin, dass es ab und zu mal gezogen hat und erinnert sich, dass Schritt und Galopp ihre Lieblingsgangarten in dieser Zeit waren: „Ab dem siebten Monat wurde das Aussitzen im Trab immer unangenehmer.“ Piaffe und Passage stellten auf ihren Pferden Dalera BB, Unee BB und Zaire keine Probleme da. „Wirklich aufgehört zu reiten habe ich vier Wochen vor der Geburt – da bin ich nur noch ein bisschen Schritt im Gelände geritten.“ Neben der Reiterei war auch der normale Stallalltag kein Problem für die Dressurreiterin. Die Pferde selbst, besonders Zaire, Dalera BB und Unee BB, spürten die Schwangerschaft und passten gut auf ihre Reiterin auf.

Familiäre Unterstützung

Ganz so problemlos war es bei Mylene Diederichsmeier nicht. Bereits in der siebten Schwangerschaftswoche traten bei der Springreiterin zweimal hintereinander Komplikationen auf. Gemeinsam mit ihrer Frauenärztin und ihrem Mann, Springreiter Carsten-Otto Nagel, entschied sie, das Reiten zu pausieren: „Die Angst war zu groß. Ich wollte mein Kind nicht gefährden und da muss man für sich selbst Prioritäten setzen“, erzählt sie. Zu diesem Zeitpunkt lebte die heute 42-Jährige noch in Hamburg. Trotzdem bekam sie sofort Unterstützung von ihrer Schwester Julie-Mynou Diederichsmeier, die damals bereits nach Niedersachsen gezogen war: „Ich habe das große Glück, dass meine Schwester mir immer hilft. Sie nahm meine Sportpferde zu sich, damit diese im Training blieben. Ich nahm ihr die Pferde ab, die weniger Arbeit beanspruchten.“ Andere Arbeiten waren für Diederichsmeier kein Problem. Sie gab weiterhin Reitunterricht, half vom Boden aus, longierte teilweise und begleitete ihre Schwester bis zum letzten Tag der Schwangerschaft auf Turniere. „Je größer mein Bauch wurde, desto mehr passte ich im Umgang mit den Pferden auf. Ich ließ sie nicht mehr so dicht an mich ran, betrat zum Ende hin nicht mehr den Abreiteplatz und hielt mich von wilderen Pferden fern. Die Gefahr war mir einfach zu hoch.“

Wiedereinstieg in den Sport

Bereits elf Tage nach der Geburt von Moritz ist Jessica von Bredow-Werndl das erste Mal wieder geritten. Sie erinnert sich, wie fantastisch dieser Moment war: „Ich war durchströmt von den Glücksgefühlen wieder reiten zu können!“ In Kombination mit kräftigen Beckenbodenübungen ermöglichte das Reiten eine gute Rückbildung. Nur das Leichttraben hat die Dressurreiterin die ersten drei bis vier Wochen gemieden: „Das hat sich nicht so gut angefühlt für meinen Beckenboden.“ Vier Wochen nach der Geburt wagte von Bredow-Werndl die erste Teilnahme nach der Babypause an einem Turnier – mit Erfolg: „Das war schon ein bisschen verrückt. Aber es lief super gut! Das war in Donaueschingen und Unee hat den Grand Prix Spezial gewonnen. Und mit Dalera konnte ich beide Sichtungsprüfungen für das Finale von Stars von Morgen gewinnen.“ Bei Mylene Diederichsmeier dauerte der Wiedereinstieg ein paar Wochen länger. Im Oktober kam ihr Liam per Kaiserschnitt zur Welt, weshalb sie nicht sofort wieder in den Sattel steigen konnte. Sieben Wochen nach der Geburt begann langsam wieder das Training: „Durch den Schnitt und die Narbe hat das Reiten anfangs geschmerzt. In das normale Training konnte ich trotzdem recht schnell wieder einsteigen – aber nicht völlig ohne Zwicken hier und da.“ An ihrer Einstellung den Pferden oder dem Reiten gegenüber hat sich nichts verändert: „Ich hatte schon immer eine Vorliebe für wildere Pferde. Ich hatte vor der Schwangerschaft keine Angst vor ihnen und nach der Schwangerschaft auch nicht.“ Bevor Diederichsmeier zurück in den Turniersport kehrte, beschäftigte sie sich nur mit einer wichtigen Frage: „Wann kann ich starten und trotzdem sicherstellen, dass mein Kind noch genug Milch bekommt?“ Doch brauchte sie sich keine Sorgen machen. Das Stillen funktionierte trotz des Sports einwandfrei und so nahm sie ungefähr elf Wochen nach der Geburt an ihrem ersten Turnier nach der Babypause teil: „Dank meiner Schwester waren die Pferde fit.“

Ihre Familie ist jeder Zeit für Mylene Diederichsmeier da und unterstützt sie, wo sie nur kann. So auch während der Schwangerschaft.

Organisation im Trainingsalltag

Mittlerweile ist Liam schon im Kindergarten und Moritz in der Kita. Jessica von Bredow-Werndl teilt ihren Alltag deshalb auf: „Morgens bin ich die Profisportlerin und nachmittags bin ich Mama.“ Bei Mylene Diederichsmeier sieht das ähnlich aus: „Liam ist von halb neun bis 12 im Kindergarten und danach bei meiner Mutter. Am späten Nachmittag bringt sie ihn mir in den Stall.“ Und das findet der noch Vierjährige super. Im Sportstall Diederichsmeier hat er neben seiner Mutter Mylene und seiner Tante Mynou auch noch ein paar Hasen und Katzen zum Spielen und Kuscheln. Der Reitplatz stellt für ihn eine große Buddelkiste da, und dann gibt es da noch das eine besondere Pony: „Er ist total verliebt in seine Chanel.“ Na, wenn da nicht die nächsten Profireiter heranwachsen…

 

JEDE FRAU KENNT SICH SELBST AM BESTEN

Beide Reiterinnen betonen ganz deutlich, dass jede Frau auf ihren Körper hören und für sich selbst entscheiden muss, ob und wie intensiv sie während der Schwangerschaft reiten kann und möchte. Niemand sollte über jemand anderen oder über die getroffenen Entscheidungen urteilen. Auch die Rücksprache mit dem Arzt und die regelmäßigen Untersuchungen sind wichtig. Sie können helfen, die Signale des eigenen Körpers noch genauer zu deuten.

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