Scheren und Eindecken: Wenn die Wolle runter muss

Der Verlust des Winterfells muss mit einer angemessenen Decke ausgeglichen werden. (Foto: Slawik)

Jedes Jahr, wenn die Tage kürzer und kälter werden, entbrennt die Debatte um das Scheren und Eindecken in deutschen Pferdeställen. Wir haben bei Profipferdepflegerin Ninna Leonoff nachgefragt und erfahren, wie es bei den Sportprofis gehandhabt wird. 

 
Grundsätzlich gibt es verschiedene Gründe, um das Pferd zu scheren. Meist geht es darum, das übermäßige Schwitzen zu verhindern und so Krankheiten vorzubeugen. Wer sein Pferd im Winter trainiert, stellt schnell fest, dass ein durchgeschwitztes Pferd erst nach mehreren Stunden wieder trocken ist. Ist das Fell nassgeschwitzt, erhöht sich das Risiko für eine Erkältung. Pferde mit dichtem Pelz schwitzen nicht nur schneller, sondern sind auch schneller aus der Puste.
 

Ninna Leonoff arbeitet seit 21 Jahren als Pferdepflegerin im Stall Michaels-Beerbaum. (Foto: Privat)

„Wir scheren das gesamte Pferd bis auf die Sattellage. Bei Pferden mit empfindlicher Haut lassen wir zudem ein Stück Fell an der Sporenlage stehen“, erklärt Ninna Leonoff, die seit 21 Jahren bei Meredith Michaels-Beerbaum und Markus Beerbaum als Pferdepflegerin arbeitet. Neben der Vollschur setzen sich auch Teilschuren durch, bei denen nur die Stellen geschoren werden, die am stärksten schwitzen. Der richtige Zeitpunkt für eine erste Schur ist zwischen September und Oktober, je nach Rasse und Fellwachstum sollten bis Januar weitere Nachschuren erfolgen. Solange man eine ausreichend warme Decke hat, kann das Pferd auch noch mitten im Winter geschoren werden. Wichtig: Beim Scheren wird dem Fell die isolierende Luftschicht im dicken Winterfell genommen. Durch die Vollschur verliert das Pferd seine natürliche Thermoregulation. Um das Pferd vor Unterkühlung zu schützen, muss angemessen eingedeckt werden.

 

Behutsam und in Ruhe

 

Unerfahrene Pferde, die zum ersten Mal geschoren werden, sollten langsam an das Geräusch und das Gefühl der Schermaschine auf dem Körper gewöhnt werden. „Für nervöse und junge Pferde versuche ich eine ruhige Umgebung zu schaffen und mir ausreichend Zeit zu nehmen. Es ist wichtig, die Ruhe zu behalten. Außerdem sollte man, wenn möglich, eine möglichst leise Schermaschine ohne Kabel benutzen“, führt Leonoff weiter aus. „Junge Pferde verlieren manchmal die Geduld und werden zappelig, es ist wichtig, ihnen eine Pause zu geben und einfach später weiterzumachen. Manchmal schere ich diese Pferde an zwei Tagen – am ersten Tag nur die Beine und am zweiten den Körper.“

Mit Ruhe und Geduld werden die besten Ergebnisse erzielt. (Foto: Slawik)

Die Schur sollte nicht in der Box erfolgen, um das geschorene Haar von der Einstreu fernzuhalten. Besser geeignet ist ein sicherer Anbindeplatz oder Waschplatz. Das Fell sollte während der Schur komplett trocken und sauber sein, sonst kann es zu Verstopfungen der Schermaschine kommen. Bevor die Schermaschine angesetzt wird, sollte die Scherlinie mit einem Stück Kreide oder Sattelseife vorgezeichnet werden. Die Maschine wird flach auf den Körper aufgesetzt und dann gleichmäßig gegen die Wuchsrichtung durch das Fell geschoben.
 

Wer sich selbst nicht traut oder keine eigene Schermaschine besitzt, kann auch einen mobilen Scherservice bestellen.

 
Die Belastung des Tieres sollte auch über den Schnitt entscheiden, denn während Leistungssportler meist das komplette Pferd scheren oder nur die Sattellage aussparen, eignen sich für weniger beanspruchte Vierbeiner andere Schermuster. Freizeitpferde schwitzen vermehrt an Hals, Brust, Bauch und Hinterhand. Der Lätzchenschnitt eignet sich sogar für Pferde, die im Offenstall leben. Kreative Muster wie Herzchen, Logos oder Buchstaben haben natürlich keinen Nutzen für das Pferd, sie dienen nur der Optik. Bei der Muster-Rasur gibt es grundsätzlich zwei Methoden: Bei beiden wird zunächst mit einer Schablone das gewünschte Zeichen auf das Fell übertragen – zum Beispiel mit Kreide oder einem speziellen Farbspray. Dann wird entweder der markierte Bereich selbst oder um den markierten Bereich herum geschoren. Die Schablonen können aus festem Karton oder flexiblem Plastik selbst gebastelt oder fertig gekauft werden. Mit kleinen Schermaschinen für Kopf oder Beine lassen sich die Muster noch präziser verwirklichen.

Die Wahl der richtigen Decke hängt vom Pferd und den Haltungsbedingungen ab. (Foto: Equipics)


Gut verpackt

 

Wird schon früh im Herbst die erste Schur vorgenommen, reicht meist am Anfang eine dünne Übergangsdecke, die dann mit sinkenden Temperaturen gegen eine dicke Thermodecke ausgetauscht wird. „Bei der Frage der Decken gehe ich nach meinem Gefühl. Auch hier ist jedes Pferd anders, einige frieren schneller als andere. Darum fühle ich immer, wie sich ihr Körper anfühlt“, erklärt Ninna Leonoff. Bei geschorenen Pferde ist es elementar, darauf zu achten, dass der Körper nicht auskühlt oder Zug bekommt. Aus diesem Grund sollte schon in der Stallgasse beim Putzen und Satteln mit einer Abschwitzdecke der Teil des Körpers bedeckt werden, an dem gerade nicht gearbeitet wird. Auch in der Aufwärmphase des Trainings, egal ob unterm Sattel oder an der Longe, sollte eine Abschwitzdecke oder Nierendecke genutzt werden. Gleiches gilt für das Schrittreiten nach der Arbeit. Für die Bewegung in der Führanlage oder auf dem Laufband gibt es Führmaschinendecken. Diese sind meist leicht gefüttert und die Vorderhandpartie bleibt ausgespart, so hat das Pferd die bestmögliche Bewegungsfreiheit und einen warmen Rücken.

Weiterer Vorteil von Decken mit Halsteil: Die Pferde werden nicht so dreckig. (foto: Slawik)

Generell ist die Wahl der richtigen Decken von der Haltungsform und dem Pferd abhängig. Teilweise ist es sogar ratsam, mehrere Decken übereinander zu verwenden. Viele Hersteller haben Unterziehdecken im Sortiment, die für zusätzliche Wärme sorgen. Diese Unterziehdecken sind besonders für Pferde mit Vollschur geeignet. Ihr Innenmaterial ist so geschmeidig, dass das geschorene Fell nicht aufgerieben wird. Tiere, die viel draußen stehen, brauchen nicht nur Schutz vor Kälte, sondern auch vor Wind und Regen. Hier muss also auf Wasserdichtigkeit geachtet werden. Für Pferde mit geschorenem Hals sollte eine Decke mit Halsteil gewählt werden. So bleibt die Halsmuskulatur auch nach mehreren Stunden im Auslauf oder auf der Weide gewärmt und geschmeidig. Die Halsteile sind in der Regel direkt mit der Winterdecke verbunden oder können als Einzelteil nachträglich angebracht werden. Einige Decken haben einen so genannten High-Neck, hier ist die Decke etwas länger geschnitten und geht deutlich über den Widerrist hinaus.

Neben der richtigen Dicke und Materialbeschaffenheit der Decken ist auch der Sitz entscheidend. Denn wenn die Decke rutscht, kann es passieren, dass sich das Pferd in den Bauchgurten verheddert oder die Decke zerreißt. Sitzen Decken nicht perfekt und rutschen bei Bewegung Richtung Schweif, entsteht vermehrt Reibung an der Brust. Wenn die Decke scheuert, kann gerade die Haut an geschorenen Stellen schnell wund werden. Besonders der Widerrist, die Brust und die Schultern sind häufig betroffen. Hier kann ein Brustschutz Abhilfe schaffen. Die gibt es in verschiedenen Varianten, zumeist bestehen sie aus elastischem und sehr dünnem Stoff und umschließen Brust und Schultern des Pferdes. Der Brustschutz liegt sehr eng am Körper an und erzeugt selbst keine Reibung, dadurch wird Deckenscheuern verhindert. Generell empfiehlt es sich, immer eine saubere und trockene Wechseldecke zur Hand zu haben, denn auch die beste Decke wird im Dauerregen irgendwann feucht oder das Wasser läuft am Hals unter die Decke.
 
Nicht nur geschorene Pferde sollten eingedeckt werden – es gibt verschiedene andere Gründe, aus denen Decken Sinn machen. Tieren mit Arthrose, Rückenproblemen oder Lungenerkrankungen kann eine Decke bei Regen und kalter Witterung helfen. Außerdem ist das frühzeitige Eindecken eine effektive Maßnahme gegen dickes Winterfell. Wer rechtzeitig angepasst eindeckt, verhindert damit, dass das Winterfell überhaupt erst zum dichten Pelz wird. 
 
Wenn sich in der Decke eine Dreckschicht aus Talg und Haaren gebildet hat, sollte sie gereinigt werden. Grundsätzlich jedoch sollte am Ende der Deckensaison eine gründliche Reinigung erfolgen. Viele Reitsportfachgeschäfte oder Wäschereien bieten den Deckenwaschservice an. Als zusätzlicher Service kann oft eine Imprägnierung dazu gebucht werden.

Eine Vollschur und ein kleines Fellstück unter dem Sattel, das ist die häufigste Schur in Profiställen. (Foto: Slawik)

Schwitzende Pferde kühlen ohne Abschwitzdecke nach der Arbeit schnell aus. (Foto: Slawik)

Die Schermaschine


Die Wahl der richtigen Schermaschine hängt von verschiedenen Punkten ab. Gewicht, Laufleistung, Kabel oder Akku und Lautstärke sind einige Beispiele. Die Wahl sollte vom Pferd und der Häufigkeit der Benutzung abhängig gemacht werden. Die Wattzahl allein ist nicht ausschlaggebend für die Leistung, moderne Motoren können gleiche Leistungen bei geringerem Energieverbrauch erbringen. Bei Akkuschermaschinen variiert die Wattzahl zudem mit dem Ladezustand. Ein Wert, der ebenfalls beachtet werden sollte, ist die Hubzahl: Je höher diese ist, desto schneller bewegen sich die Scherblätter.

 
Gut zu wissen

 

Kleine Deckenkunde

 

Stalldecken: Stalldecken sind, wie der Name schon erahnen lässt, für den Einsatz in der Box konzipiert. Sie wärmt je nach Füllung und ist atmungsaktiv. Ihre Materialbeschaffenheit ist nicht für Regen oder Wind geeignet.
 
Regen- oder Outdoordecken: Die große Stärke dieser Decken liegt in der Regen- und Winddichtigkeit. Sie sind perfekt für den Einsatz auf der Weide, dem Paddock oder im Offenstall. Sie halten das Pferd warm und trocken. Außerdem ist das Material sehr robust und hält Wälzen und Spielen stand.
 
Abschwitzdecken: Diese recht dünnen Decken aus Fleece sollen das Pferd nach getaner Arbeit vor dem Auskühlen schützen. Der Stoff transportiert den Schweiß vom Pferd an die Oberfläche der Decke. Ist die Decke nass, sollte sie abgenommen werden, sonst droht erneutes Auskühlen.
 
Ripstop: Der Ripstop bedeutet, dass die Decke über einen besonderen Schutz gegen das Einreißen verfügt. In den Stoff wurden extra starke Fäden eingewebt, die den Riss aufhalten sollen.
 
Denier: Die Denierzahl sagt etwas über die Fadenstärke des Außenmaterials aus. Je höher die Zahl, desto reißfester ist das Gewebe. Eine wichtige Information für alle Besitzer von Deckenzerstörern.
 
Füllung: Die Füllung einer Decke wird in Gramm pro Quadratmetern bemessen. Eine höhere Grammzahl bedeutet also mehr Wärme.

 

Die Schermuster

 

Sport- oder Vollschur (Full Clip): Das gesamte Fell wird geschoren. Die Tasthaare und der Innenbereich der Ohren dürfen aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht geschoren werden. Diese Schur ist nur für Pferde geeignet, die ganzjährig im Training stehen und regelmäßig auf Turnieren vorgestellt werden. Sorgfältiges Eindecken ist Pflicht. Eine Kopfschur ist häufig Teil der Vollschur, wobei das Scheren des Gesichts rein ästhetische Gründe hat. Es muss darauf geachtet werden, dass die Trense ausreichend gut gepolstert ist, um Scheuerstellen zu vermeiden.
 
Jagdschur (Hunter Clip): Der Hals und der Rumpf werden geschoren. Das Fell der Sattellage und der Beine bleibt erhalten. Viele Leute trimmen oberflächlich die langen Haare, um die Optik etwas anzupassen. Dies ist der ideale Schnitt für alle Pferde in mittlerer bis schwerer Arbeit.
 
Deckenschur (Blanket Clip): Ungeschoren bleiben Kopf, Beine, Rücken, Lenden und die Kruppe. Also werden die Bereiche, in denen vermehrt geschwitzt wird wie Hals, Bauch und Flanken geschoren. Dieser Schnitt eignet sich besonders für Sport- und Freizeitpferde, die tagsüber auf der Weide oder einem Auslauf stehen und mittelgradig bewegt werden.
 
Chaserschur (Chacer Clip): Dieses Schermuster ist dem Deckenschnitt sehr ähnlich. Jedoch bleibt das Fell am oberen Teil des Halses stehen. Die Scherlinie verläuft von den Ohren Richtung Schulter und von dort gerade zum Hinterbein. Somit bleiben die Muskeln am Oberhals warm. Die Chaser-Schur ist ideal für Pferde, die mittelgradig belastet werden und sich den Tag über auf der Weide befinden, wenn das Wetter es zulässt.
 
Streifenschur (Trace Clip): Hier wird nur ein schmaler Streifen an der Halsunterseite und im Bauchbereich geschoren. Die sensiblen Zonen wie Lenden, Beine und Kopf bleiben intakt. Geeignet für Pferde, die tagsüber auf der Weide stehen und mäßig gearbeitet werden.
 
Irishschur (Irisch Clip):
Es wird nur das Fell am unteren Hals und an der Brust und am unteren Bauch entfernt. Die Scherlinine verläuft diagonal von den Ohren bis zum Knie. Dieser Schnitt empfiehlt sich bei jungen Pferden, die nur leicht gearbeitet werden.
 
Lätzchenschur (Bib Clip):
Mit diesem Schermuster ist auch Offenstallhaltung unproblematisch. Es wird die Vorderseite von Hals und Brust geschoren.

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