Scheren und Eindecken: Scharfe Messer und saubere Pferde

Bei der sogenannten Deckenschur können die Beine optional mitgeschoren oder freigelassen werden. (Fotos: Equipics)

In den Herbstmonaten fallen nicht nur die Blätter, sondern auch eine Menge Fell – zumindest bei den meisten Sportpferden. Der Fellwechsel vom Sommer- zum Winterfell ist in den letzten Zügen und damit wird auch die Frage des Scherens und des Eindeckens immer wichtiger.

 

Der optimale Zeitpunkt einer Schur ist es, wenn das Winterfell bereits vollständig ausgebildet ist, der Winter aber noch nicht begonnen hat. In der Regel ist dies Mitte/Ende Oktober der Fall. Ab diesem Zeitpunkt muss das Fell in kurzen Abständen von circa drei bis fünf Wochen nachgeschoren werden. „Dabei kommt es natürlich immer auf das Pferd und die Umgebung sowie das Wetter an“, betont Pferdewirtschaftsmeisterin Marlen Schannwell. Die letzte Schur sollte zwischen Februar März durchgeführt werden, damit die Entwicklung des Sommerfells nicht gestört wird.

Bevor es losgeht, sollten ein paar Vorkehrungen getroffen werden. „Dazu gehört, dass der Akku geladen, die Maschine geölt und das Messer scharf ist“, erklärt Schannwall. „Außerdem sollte ruhig gearbeitet und genug Zeit eingeplant werden, um das Pferd nicht zu stressen oder gar zu schneiden.“ Es gilt auch vorsichtig an empfindlichen Stellen wie den Beinen, dem Bauch oder dem Kopf zu arbeiten. Schannwall rät: „An diesen Stellen sollte eventuell einen Helfer parat stehen, um Unfälle zu vermeiden.“ Und auch der Platz ist entscheidend. „Er sollte ruhig und auf jeden Fall rutschfest sein.“ 

Geht es dann schließlich los mit dem Scheren, sollte genau auf das Pferd geachtet werden. „Ich kenne tatsächlich mehr ältere Pferde, die schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben und daher nicht sehr große Scher-Fans sind“, hält Schannwall fest. „Schert man also ein Pferd zum ersten Mal – egal, ob jung oder alt – sollte man immer einen Helfer haben, zwischendurch kleine Pausen einlegen und den Vierbeiner zwischendurch belohnen.“

Scharfe Messer, ein sauberes Pferd und eine ruhige Hand sind wichtige Voraussetzungen, um eine ordentliche Schur möglichst stressfrei für Pferd und Mensch durchzuführen.

Das Schnittmuster

 

Bevor die Schur begonnen wird, sollte sich der Besitzer selbst einige Fragen beantworten: Wie viele Stunden steht das Pferd im Stall/draußen? Wie oft und wie intensiv wird es gearbeitet? Wie sehr schwitzt es? Wie schnell friert es? Wurde es schon einmal geschoren? Nach diesen Kriterien entscheidet sich die Wahl des Schnittmusters.

Für Anfänger – egal, ob Pferd oder Besitzer – eignet die die sogenannte Bib-Schur (auch Hals-und-Bauch-Schur genannt) am meisten. Bei dieser Schur wird nur ein kleiner Teil des Winterfells an der Vorderseite des Halses und an der Brust geschoren. Manche Besitzer erweitern die Schur noch bis hinter die Gurtlage. Der Vorteil dieser simplen Schur ist zum einen, dass der Besitzer als Anfänger erstmal üben kann, mit einer Schermaschine umzugehen und das Pferd als Anfänger sich erstmal an die neuen Geräusche sowie an das Gefühl gewöhnen kann. Bei leichter Arbeit über den Winter lohnt eben diese Schur am meisten. Die Pferde können mit einer geeigneten Decke auch Tag und Nacht draußen bleiben – den Unterstand für die Vierbeiner dabei aber nicht vergessen.

Ebenfalls sehr beliebt unter den Schermustern ist die Trace-Schur. Bei diesem Schnittmuster ist die Hälfte des Fells am Hals und der Kopf teilweise oder gar nicht geschoren. Die Schur zieht sich an beiden Seiten des Pferdes unterhalb über die Flanke bis zum Po und verläuft dann nach oben zur Schweifrübe. So behält das Pferd weiterhin die Wärme und den Schutz durch das eigene Fell, kann tagsüber mit einer geeigneten Decke auf die Weide und über den Winter mäßig bewegt werden. Ähnlich der Trace-Schur ist die Chaser-Schur – eine Rallye-Streifen beidseitig des Pferdes. Bei zweiterer ist der Streifen am Hals jedoch breiter und der Kopf ist mitgeschoren. Sie hilft dabei, die Muskeln am Oberhals warm zu halten, lässt aber dennoch zu, dass das Pferd mittelgradig belastet und tagsüber auf der Weide stehen kann, sofern es angemessen eingedeckt ist und das Wetter es zulässt.

In einer Art Dreieck verläuft die Irish-Schur vom Kopf am unteren Hals entlang bis hinter die Vorderbeine. Diese Art ist nicht nur einfach durchzuführen, sondern geht auch sehr schnell. Aus diesem Grund ist sie besonders für junge Pferde zu empfehlen. Die Irish-Schur hat den Vorteil, genau die Stellen vom Winterfell zu befreien, welche am schnellsten und am meisten schwitzen. An den wichtigsten Stellen kann jedoch genug Wärme produziert werden. Geeignet ist diese Form für Pferde, die tagsüber auf der Weide stehen.

Die Decken-Schur erweitert die Irish-Schur. Wählt man diese Form, bleiben die Haar der Vorderseite des Kopfes stehen, dann wird vom Hals, über die Brust und den Bauch bis zu Flanke und – wie bei der Chaser- und der Trace-Schur – geschoren. Beine und Rücken bleiben ungeschoren. Für Pferde, die mittelgradig bewegt werden und tagsüber auf der Weide sind, eignet sich diese Schur gut. Ein exzessives Schwitzen beim Training wird vermieden, dennoch wird das Pferd durch das Stehenlassen der Haare in den Bereichen, die weniger schwitzen, warmgehalten.

Besonders beliebt im höheren Sport ist die Hunter-Schur. So auch bei Schwannwell: „Ich lasse einen kleinen Bereich in Form eines Sattelkissens am Rücken stehen. Dies bietet unter dem Sattel Schutz vor Reibung.“ Alternativ können die Beine mitgeschoren oder ausgelassen werden. Manche Reiter greifen auch auf die Vollschur zurück. In diesem Fall wird das gesamte Fell abgeschoren inklusive Beine und Kopf. In diesem Fall ist es besonders wichtig, sicherzustellen, dass das Pferd mit den richtigen und vor allem dicken Decken vor der Kälte geschützt ist.

 

Achtung: Das Ausscheren der Ohren ist aus tierschutzrechtlichen Gründen verboten.

 

Die richtige Schermaschine

 

Vor dem Kauf der Schermaschine sollte der Käufer sich darüber Gedanken machen, welche Leistung sie erbringen soll. Dafür sollte unter anderem das Schermuster bereits feststehen, da zum Beispiel eine Vollschur eine größere Leistung voraussetzt. Außerdem spart eine leistungsstärkere Maschine Zeit und damit Stress für das Pferd. Aber auch der Geräuschpegel und die Handhabung spielen eine große Rolle, um das Scheren so einfach und stressfrei wie möglich für Mensch und Tier zu gestalten. Sind noch keine oder wenig Schererfahrungen vorhanden, empfiehlt sich der Besuch eines Reitsportgeschäfts, um die Maschinen vor Ort in die Hand zu nehmen und die Geräusche einmal live zu hören. Ist die Entscheidung auf ein Modell gefallen, gilt es, die Maschine regelmäßig zu pflegen, um eine lange Haltbarkeit und optimale Funktionstüchtigkeit zu haben. Nach jeder Schur sollte diese mit eine weichen Bürste gereinigt, die Schnittfläche der Schermesser eingeölt und ein trockener Ort zur Lagerung vor allem für die Scherköpfe gefunden werden. In regelmäßigen Abständen – die Häufigkeit richtet sich vor allem nach Einsatzgebiet und -häufigkeit – sollten die Schermesser geschärft werden. Dies sorgt nicht nur für einen ordentlicheren Schnitt, sondern auch für eine längere Lebensdauer, da der Motor und die Mechanik mit optimal geschliffenen Messern weniger belastet werden.

Eine Outdoordecke sollte nicht nur vor den kalten Temperaturen, Wind und Nässe schützen, sondern auch atmungsaktiv sein und gut passen.

Ein bisschen Spaß muss sein: Nach einer Vollschur ist genug Fell über, um der Kreativität freien Lauf zu lassen, wie Schannwell auf dem Foto zeigt. (Foto: Privat)

Das Eindecken

 

Sinken die Temperaturen und werden die Wetterverhältnisse zunehmend schlechter und vor allem nasser, kreisen die Gedanken der meisten Pferdebesitzer um das Thema Eindecken. Wann ist der richtige Zeitpunkt? Was für eine Decke ist die richtige? Und was muss ich beim Deckenkauf überhaupt beachten? Schannwall verfolgt ein einfaches Prinzip: „Weniger ist mehr. Schwitzen ist super unangenehm für die Pferde. Deswegen muss man sein Pferd gut kennen und individuell eindecken.“ Außerdem macht sie deutlich: „Es gibt Pferde, die sind bei 10 Grad happy mit einer ungefütterten Sommerdecke. Andere brauchen bereits eine 300g Füllung.“ Wichtig: Wird das Pferd geschoren, sollte schneller zu einer Decke gegriffen und die Füllung bei sinkenden Temperaturen stets erhöht werden. Und das gilt nicht nur bei den Pferden, die draußen stehen, sondern ebenso bei denen in den Boxen. Und auch die Wetterverhältnisse spielen bei der Wahl der Decke eine große Rolle. Ist es zwar kalt, aber dennoch strahlender Sonnenschein und die Pferde stehen in der Sonne, wärmt sich das Fell dank der Sonnenstrahlen auf und unter einer Decke kann es sehr schnell sehr warm werden. Sind die Temperaturen mild, regnet und stürmt es jedoch, sollte das Pferd vor Nässe und Wind mit einer dünnen Regendecke geschützt werden. In den Stallungen eignen sich sogenannte Stalldecken am besten. Sie wärmen je nach Füllung und sind atmungsaktiv. Vor Wind und Regen schützen sie jedoch nicht. Nach dem Training, wenn das Pferd geschwitzt hat, gehört eine Abschwitzdecke zur Standardausrüstung. Diese sollte heruntergenommen oder ausgetauscht werden, wenn sie von außen nass ist. Beim Longieren oder Reiten auf dem Außenplatz oder der Arbeit in einer Führmaschine, schützen Bewegungsdecken das Pferd vor Kälte. Sie bieten genug Schulterfreiheit für die Bewegung und bedecken vor allem die empfindlichen Flanken. Ob Paddock-, Stall- oder Abschwitzdecke – Schwannwell rät: „Super wichtig sind saubere, atmungsaktive und gut passende Decken.“

Die Expertin


Marlen Schannwell, Pferdewirtschaftsmeisterin, Showgroom. Seit 10 Jahren angestellte Pferdepflegerin bei Bertram Allen in Hünxe.


Tipps und Tricks beim Scheren


„Die Zauberformel zum Scheren lautet: Scharfe Messer und saubere Pferde“, schmunzelt Schannwell. „Wenn sich vorher im Matsch gewälzt wurde, ist das meist der Tod für jedes Schermesser. Schweifspray erleichtert das Scheren, da die Maschine leichter durch das Fell kommt. Und natürlich soll das Messer regelmäßig gereinigt und geölt werden.“

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