Reitermode: Funktional und nachhaltig – Das ist „in“

(Fotos: Pikeur)

Einige Kataloge lassen schon einen Blick darauf werfen, andere erwarten uns noch: Die Herbst- und Wintermode der Reitsportgeschäfte steht in den Startlöchern. Was ist in, was ist out, was sind die absoluten Must-Haves in der kommenden kälteren Jahreszeit und wo macht der bewusste Einkäufer besser einen Bogen drum? Wir haben gemeinsam mit Dressurreiterin und angehenden Modedesignerin Lieselott Marie Linsenhoff einen Blick auf die Trends geworfen.

Zuerst lässt sich sagen: Die Mode – auch in der Reitsportwelt – besteht in diesem Jahr auf Farbe. So auch im kommenden Herbst/Winter. „Als die Coronapandemie langsam abflachte, die Maßnahmen immer weiter gelockert wurden und die Menschen ihrem Alltag wieder nahezu normal nachgehen konnten, entwickelte sich der Trend in Richtung Farbe“, beschreibt Lieselott Marie Linsenhoff den Weg zur derzeitigen farbenfrohen Modewelt. Zu begründen sei dieser Schritt so, dass jeder wieder rausgehen und seine Lebensfreude vollumfänglich wiederhaben wollte. „Farben drücken genau das aus und so auch die Mode. Color Blocking freut sich immer größer werdender Beliebtheit und wird sich bis an das Jahresende halten. Starke, vibrierende und vor allem auffällige Farben dürfen in keinem Outfit fehlen.“ Selbst im Reitsport sind die knalligen Farben schon längst angekommen und dürfen auch in den kommenden Monaten verweilen. Pastelltöne sollten ebenfalls nicht im Stallschrank fehlen. „Wir können uns besonders auf die kühleren Töne wie zum Beispiel Eisblau einstellen. Auch Muster bleiben uns erhalten, jedoch dann häufig in Kombination mit ruhigen und unauffälligen Tönen“, weiß die angehende Modedesignerin. „Dennoch wird der Reitsport immer klassisch bleiben, gerade in der Dressur. Knallige Farben und Muster treten also gerne gemeinsam mit den All time Favorites Dunkelblau, Braun, Grau und Dunkelgrün auf.“ Ein aufregendes Blumenmuster besteht deshalb oft aus bedeckten Grautönen, knallige Oberteile werden gerne mit dunklen, schlichten Reithosen kombiniert und Farbtupfer sparsam auf Abschwitzdecke und Co eingesetzt.

Softshelljacken und Reitleggings mit Grip sind nach wie vor beliebt im Reitsport.

Glitzer geht immer

Glitzer geht immer. Auch dieser Trend hält sich wacker und breitet sich von Regal zu Regal immer weiter aus. „Ich glaube, Pailletten, Glitzer und Swarovski-Steinchen sind eine Art Ausbruch aus der eher bedeckteren, klassischen Reiterwelt“, mutmaßt Linsenhoff. „Ein Reithelm ist halt ein Reithelm. Dann kamen Farben und Muster und natürlich Glitzer und schon setzt man ein Statement. Und genau das passiert zurzeit immer mehr mit den klassischen Reithosen.“ Während sich der beliebte high waist Schnitt schon längst etabliert hat und die Form der Hosen sich kaum noch verändert, greifen Hersteller zu dezenten Mustern oder glitzernden Hinguckern – und den Reitern jeden Alters gefällt’s. „Ich bin zwar mittlerweile eher der farbenfrohe Typ, statt des Glitzernden, dennoch geht ein bisschen Bling-Bling einfach immer! Am Pferd und gerade am Pony sowieso, aber auch am eigenen Leib.“

In Sachen Glitzer hat die 21-Jährige in diesem Jahr aber auch eine völlig neue Entdeckung gemacht. „Bei einem Turnier bei uns auf dem Schafhof hatten ganz viele junge Reiterinnen total schöne Glitzerhaargummies. Aber nicht in ihrem eigenen Haar, sondern in der Mähne ihrer Ponys – farblich abgestimmt auf Jackett und Schabracke.“

Neben Grip sind auch Handytaschen an Reithosen kaum noch wegzudenken. Sie ermöglichen das Mitnehmen des Handys zum Beispiel während eines Ausrittes und gewähren so eine gewisse Sicherheit, im Notfall einfacher Hilfe rufen zu können.

Formen und Schnitte

„Ich persönlich bin ein totaler Fan von Grip bei Reithosen. Und ich glaube es geht noch einigen anderen so. Dennoch gibt es auch genug Reiter, die lieber ohne reiten. Vor allem, weil es ungewohnt ist.“ Dies sei aber nicht nur bei Grip der Fall. „Früher sind sehr viele mit echtem Volllederbesatz geritten und tun dies heute noch wie zum Beispiel meine Eltern. Ich denke, viele Neuheiten sind auch immer eine Generationsfrage und was man selbst gewohnt ist“, fasst Linsenhoff zusammen. „Nur der Klettverschluss am Hosenbeinabschluss, der wird wohl nicht erneut etabliert. Bei Kindern mag der ja sinnvoll sein, aber ich kenne niemanden, der noch Klett an der Reithose hat“, schmunzelt sie. Um mehr Beinfreiheiten zu haben, greifen viele Reiter zur Jodhpurreithose. Besonders in der Freizeitreiter- aber auch in der Männerwelt. „Joghpurreithosen sind bequem und halten im Winter auch nochmal um einiges wärmer, als die klassische enge Reithose. Viele Männer, die ich kenne, empfinden das Tragen als komfortabler, wenn sie in ihrer Freizeit reiten.“

Reitleggins hingegeben sind seit Jahren für viele junge Reitende das Must-Have im Stall. Unsere Expertin hat dazu eine Prognose für den kommenden Herbst und Winter: „In den kälteren Monaten sind Reitleggins grundsätzlich nicht so beliebt. Sie sind oft zu dünn und schützen nicht so wie eine klassische Reithose.“ Außerdem sei der große Hype längst vorüber. „Sicher sind Reitleggins immer noch beliebt, besonders bei den Jüngeren zwischen 15 und 25. Sie sind aber kein Must-Have mehr.“

In der Welt der Oberbekleidung hat sich währenddessen einiges getan. „Es wird vor allem immer weiter an der Funktionalität gearbeitet. Während all die Jahre der Zwiebellook als non plus ultra galt, geht es jetzt darum, möglichst wenig Kleidung am Körper zu haben, ohne zu frieren.“ Und genau hier hat Linsenhoff ihren Favoriten gefunden. „Das Longsleeve mit dem Reißverschluss und dem hohen Kragen ist eine der sinnvollsten Innovationen, wenn es um Reitbekleidung geht. Es hält warm und schützt den Rücken, es wird kein Schal oder Tuch auf dem Pferd benötigt, der oft eh nur stört und es ist dünn genug, um bei der Vorbereitung oder nach dem Reiten noch eine Weste oder eine dickere Jacke überzuziehen.“ Auch langärmlige Shirts zum unterziehen würden immer beliebter werden.

All time Favorite bei der Oberbekleidung stellt laut Linsenhoff die Softshelljacke dar. „Sie ist einfach der Dauerbrenner. Sie ist leicht und dünn, schützt aber gut vor Regen, Kälte und Wind. Außerdem ist sie leicht waschbar und nicht so schmutzanfällig wie andere Jacken.“ Die Dressurreiterin habe selbst einige dieser Exemplare. „Beim Reiten sind Softshelljacken einfach super. Und vor oder nach dem Reiten kann ich an den sehr kalten Wintertagen ganz leicht eine dicke Winterjacke drüberziehen.“

Für unseren Planeten

Der Begriff der Nachhaltigkeit wird von Jahr zu Jahr wichtiger und ist heute schon kaum noch wegzudenken. Viele Firmen und Unternehmen – so auch in der Welt der Mode – konzentrieren sich darauf, ihre Produkte an sich nachhaltiger zu gestalten, aber auch die Produktion und Auslieferung dieser. „Mir persönlich ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Leider wird dieser Begriff immer so umhergeworfen. Besonders in meiner Generation sollte das Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber unserem Planeten da sein und auch ein gewisses Umdenken.“ Die Modeexpertin erklärt: „Jeder sollte bei sich im Alltag anfangen. Ob es regionale Produkte zu kaufen ist, um CO2 des Imports zu sparen, oder Recycling, öffentliche Verkehrsmittel und so weiter. Denn es sind kleine Schritte eines jeden von uns, um gemeinsam einen großen Schritt zu schaffen.“

Aus Alt mach Neu

Recycling spielt beim Umweltschutz eine große Rolle. „Aus Alt mach Neu“ ist das Motto einiger Hersteller. Sie produzieren aus alten und nicht mehr brauchbaren Gegenständen völlig neue Produkte. So können aus Pferdedecken, die nicht mehr repariert werden können, stylische Taschen für Jung und Alt werden. Die Firmen holen die Decken ab, in manchen Fällen können diese auch vor Ort abgegeben werden, dann werden sie gereinigt und schließlich verarbeitet. Ob für den privaten Gebrauch als schicke Umhängetasche, als leckerliespendende Bauchtasche oder als große Sporttasche für Stiefel oder anderes Reitzubehör – die alten Decken werden wieder zu neuem Leben erweckt. Dadurch spart sich der Reiter die Entsorgung und er hat die Chance auf ein neues, praktisches Accessoire. „In anderen sportlichen Bereichen gibt es Hersteller, die Daunenjacken aus alten PET-Flaschen oder Gummistiefel aus Mais oder Kork herstellen. Es wäre toll, wenn sich das im Reitsport auch etablieren würde“, wünscht sich Linsenhoff.  

Gerade im Reitsport ist Leder ein beliebtes Material, da es lange haltbar und sehr reißfest ist. Doch auch im Bereich Nachhaltigkeit kann Leder viele Vorteile haben. Als Nebenprodukt der Fleischerzeugung zum Beispiel. Auch die Weiterverarbeitung zu Reitsportausrüstung garantiert also, dass das ganze Tier verarbeitet wird, inklusive der Haut. Außerdem ist es von Natur aus verrottbar und damit von Grund auf nachhaltig. Hochwertiges Leder wird pflanzlich gegerbt also naturbelassen. Damit ist es nicht nur langlebiger, sondern auch leichter zu pflegen. Beim nächsten Sattel- oder Trensenkauf lohnt es sich, auf die Herkunft zu achten. Wie generiert die jeweilige Firma ihr Leder? Schlachten sie selbst dafür Tiere, sollte besser auf Produkte aus recycelten Materialien zurückgegriffen werden. Auch bei den Lederpflegeprodukten sollte auf natürliche Inhaltsstoffe geachtet werden. Dazu gehören zum Beispiel Bienenwachs, Kokosfett, Extrakte aus Orangenschalen, Rapsöl oder Jojobaöl. Sollten Trense oder Schuhe einmal kaputtgehen, lohnt es sich – der Umwelt zuliebe – zum Sattler oder Schuhmacher zu gehen, statt das Teil zu entsorgen und neu zu kaufen. „Für Veganer ist Leder sicher nicht die angenehmste Wahl. Man darf aber nicht vergessen: Vegan ist nicht gleich nachhaltig. Alternativen zu Leder sind zwar tierfrei, aber nicht unbedingt besser für den Planeten.“ Und Linsenhoff erklärt auch, wieso: „Kunstleder zum Beispiel benötigt beim Färben unheimlich viel Wasser. Außerdem ist die Frage auch immer, woraus das Kunstleder überhaupt genau besteht.“ Sie empfiehlt daher: „Ich kann absolut verstehen, dass es ethisch angenehmer ist, vegane Produkte zu kaufen. Dennoch muss auch hier genau geschaut werden, woher das Produkt kommt und wie es hergestellt wurde.“

Auch im klassischen Reitsport haben knallige Farben mittlerweile Anschluss gefunden. In Kombination mit zum Beispiel Dunkelblau liegt man voll im Trend diesen Herbst/Winter.

Besonders vor oder nach dem Reiten zählt es, sich im Stall warmzuhalten. Lange, dick gefütterte Mäntel sind das Must-Have, um sich vor der Kälte zu schützen. Dank gesetzter Schlitze an den Seiten oder am hinteren Teil, kann mit ihnen sogar geritten werden.

Langarmshirts mit Kragen freuen sich wachsender Beliebtheit. Der dünne Stoff lässt sich gut unter Jacken tragen und der Kragen lässt auf ein extra Halstuch verzichten.

Nachhaltige Produktion

Nicht nur die Wiederverwendung alter Produkte beziehungsweise Recycling ist ein wichtiger Punkt für die Umwelt. Bereits bei der Produktion spielen einige Aspekte eine große Rolle. So stellen einige Firmen zum Beispiel ihre Decken, Schabracken oder Bandagen nur aus Bio-Baumwolle oder recycelten Kunstfasern her. Aber auch Sportshirts und Reithosen gibt es mittlerweile aus diesen nachhaltigen, veganen Stoffen. Hier steht der Begriff des Naturschutzes und des Erhalts des Lebensraums im Mittelpunkt. Gekennzeichnet sind diese Waren mit einem Siegel wie dem Bluesign oder der Global Organic Textile Standard (GOTS). 

Outdoorkleidung wie Softeshelljacken werden durch eine Imprägnierung wasserabweisend. Diese enthält meist poly- und perfluorierte Chemikalien (PFC) – künstlich erzeugte Stoffe. Sie kommen in der Natur nicht vor und bauen sich auch nicht ab. Dadurch belasten sie die Umwelt. Immer mehr Hersteller produzieren bereits mit PFC-freier Imprägnierung und bieten ebenfalls fluorfreie Nachimprägnierungen für zuhause an.

Unter Beachtung von Qualität, Fairness und Nachhaltigkeit produzieren einige Firmen ihre Ware in Europa, teilweise sogar in Deutschland direkt, um Lieferwege zu minimieren und damit den CO2-Austoß so gering wie möglich zu halten. Außerdem legen etliche großen Wert auf die Produktion in kleineren Familienunternehmen. Denn: Die Arbeitsbedingungen müssen sicher und fair sein.

Für die Werbung, egal, ob in Form von Katalogen, Broschüren oder Postern, arbeiten einige Firmen mit Umweltdruckereien zusammen. Diese drucken ressourcensparend auf recycelten Papierfasern, nutzen mineralölfreie und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Farben und arbeiten mit Strom aus erneuerbaren Energien. Und auch für den Strom im eigenen Werk nutzen viele Firmen bereits regionale und regenerative Energie.

Für den Versand achten einige Hersteller auch auf einen klimaneutralen Transport. Beispielsweise werden für angefallene CO2-Emissionen für die Transporte Wiederaufforstungsprojekte unterstützt.

Nachhaltige Pflegemittel

„Besonders bei Pflegemitteln lohnt es sich, einmal genau auf die Inhaltsstoffe zu schauen. Manche Hersteller stellen ihre Produkte nur aus natürlichen und nachhaltigen Inhaltsstoffen her. Ich achte sehr darauf, da Chemie weder gut für die Umwelt, noch für mein Pferd ist“, merkt Linsenhoff an. Außerdem setzen viele Unternehmen darauf, ihre Verpackungen und ihren Versand möglichst frei von Plastik zu halten. So bestehen diese aus sogenanntem PCR-Material, also bereits verwendetem Kunststoff. Nachfüllmöglichkeiten sparen ebenfalls große Mengen an Rohstoffen.

Was kann ich tun?

„Wenn das Interesse besteht, nachhaltiger zu shoppen, sollte der Kunde sich im Vorfeld immer über das Unternehmen oder die Hersteller der Produkte informieren. Dabei können sie sich vor allem diese beiden wichtigen Fragen stellen: Woraus besteht das Produkt? Wie wird es produziert?“ Bei dem Kauf von Kleidung, Decken oder Schabracken aus Baumwolle, kann auf Bio-Baumwolle zurückgegriffen werden. Wer der Umwelt etwas Gutes tun will, sollte dabei nicht nur auf das Material, sondern auch auf die verwendeten Farben achten. Zusätzlich kann auch auf bestimmte Siegel geachtet werden. Siegel von Naturprodukten zum Beispiel, wie der Natural Cosmetics Standard (NCS) oder der Nature Care Product Standard (NCP), erlauben nur Inhaltsstoffe, die auf der Positivliste stehen. Auf Mineralöle, die aus Erdöl gewonnen werden, sowie auf Silikone, Paraffine und ähnliches wird weitgehend verzichtet. „Ame Ende geht es natürlich immer um den Preis. Jedoch sollte sich der Kunde vorm Kauf ins Bewusstsein rufen: Wieso ist dieses Produkt denn so günstig? Oder auch: Wieso kostet es deutlich mehr? Was steckt alles dahinter? Jeder Preis hat seinen Grund.“

(Foto: Equimus)

Unsere Expertin

Liselott Marie Linsenhoff ist Dressurreiterin auf hohem Niveau und die dritte Generation der Reitsportfamilie Linsenhoff. Gemeinsam mit ihrem Bruder Matthias Alexander Rath tritt sie langsam in die Fußstapfen ihrer Mutter Ann Kathrin Linsenhoff. Neben ihrer Tätigkeit auf dem familieneigenen Schafhof in Kronberg im Taunus, studiert die 21-Jährige Modedesign und Patternmaking in zwei unabhängigen Bachelorstudiengängen in Paris. Mit 15 Jahren gründete Linsenhoff ihr erstes eigenes Start Up-Label. Sie entwarf Taschen und Accessoires im Street Style und bot sie nicht nur in der Freizeitmode- sondern auch in der Reitsportwelt an. Während die Produkte gut angenommen wurden und Linsenhoff großen Spaß daran hatte, wuchs ihr Wunsch, später einmal in der Modewelt Fuß zu fassen. Dennoch hat sie der Reiterei nicht abgeschworen, nahm ihre Pferde mit nach Paris und möchte mit West Side Story OLD bei den U25-Reitern sportlich wieder durchstarten. 

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