Reha-Training für Pferde - Sanft fit werden

Mit doppelter Wärme: Muss das Pferd im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine kommen, helfen verschiedenste Therapien wie zum Beispiel Solarium und Magnetfelddecke. (Foto: Slawik)

Egal, ob Fissur, Fraktur, Sehnen- oder Fesselträgerschaden, hat sich ein Pferd verletzt, braucht es Zeit für die Genesung. Hier helfen verschiedene Maßnahmen – vom Aquatrainer über manuelle Behandlungen bis hin zur alternativen Medizin. Nur wenn das Pferd ganzheitlich betrachtet wird, gelingt eine erfolgreiche Rehabilitation.  

Ein Stolpern auf der Wiese, ein unglückliches Aufkommen nach dem Hindernis oder eine kurze Überbelastung und schon ist eine Verletzung passiert. Gelingt die Operation oder die Bekämpfung der Krankheitsursache, kann der Pferdebesitzer erst einmal Aufatmen. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass der Sportpartner sofort wieder voll belastbar ist. Erst der weitere Heilungsverlauf zeigt an, ob er wieder auf seinen ursprünglichen Leistungsstand zurückkehren kann oder nicht. Genau hier kommt die Rehabilitation ins Spiel. Sie lässt die Anzeichen der Erkrankung langsam verschwinden und sorgt dafür, dass sich geschädigte Strukturen wieder regenerieren.


Kurzfristiger Bewegungsentzug

 

Rehabilitation bezeichnet das Bestreben, den vormals existierenden körperlichen Zustand nach einer Krankheit oder Verletzung wiederherzustellen. Dazu zählt direkt nach einer Operation aber auch bei gravierenden Indikationen wie einer massiven Gelenksentzündung oder einer schweren Sehnenverletzung zuallererst die Boxenruhe. Dieser Bewegungsentzug wird so kurz wie möglich gehalten, denn Laufen ist ein absolutes Grundbedürfnis der Pferde. „Sich nicht bewegen zu dürfen, ist physisch wie psychisch eine enorme Belastung. Deshalb haben die Pferde bei uns Boxen mit Paddocks. Auf den kleinen Balkonen haben sie wenigstens die Möglichkeit, an die frische Luft zu kommen und Kontakt zu Artgenossen zu haben, wenn sie schon nicht auf die Weide dürfen“, sagt Karolin Zühlke. Die Pferdephysiotherapeutin und Pferdewirtschaftsmeisterin betreibt seit 2007 ein Ausbildungs- und Rehazentrum im niedersächsischen Worpswede. Zu ihr kommen vorwiegend Sportpferde, die eine Sehnenverletzung haben oder aus unerklärlichen Gründen lahmen. Doch auch junge Pferde therapiert die Expertin. „Im jungen Alter von drei bis sechs Jahren weisen sie bereits häufig Schäden am Fesselträgerursprung auf“, sagt sie.

Die Ursachen für Verletzungen, die zu einer Reha führen, sind unterschiedlich. Oft ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren, die schädigend auf den Organismus Pferd eingewirkt haben. Deshalb lässt sich Zühlke zu Beginn einer Rehaphase nicht nur alle tierärztlichen Unterlagen zeigen, sondern überprüft mit einem erfahrenen Team auch das gesamte Equipment, den Allgemeinzustand, die Bewegungsabläufe, den Beschlag und die Fütterung. „Eine Reha kann nur ganzheitlich funktionieren. Hier braucht man ein gut funktionierendes Netzwerk aus Fachleuten, das sich bei uns über die Jahre langsam gebildet hat. So ist es selbstverständlich, dass die Tierärztin z.B. direkt mit dem Schmied bespricht, welcher Beschlag in Frage kommen könnte“, erzählt sie.

 

Passive Anwendungen

 

Eine Rehabilitation besteht stets aus aktiven und passiven Maßnahmen. Letztere werden am stehenden Pferd durchgeführt und sollen hier exemplarisch für viele weitere Leistungen aufgeführt werden, so wie die nicht-invasive Induktions-Therapie mit dem Rehatron. „Wir behandeln die Pferde bereits während der Stehphase damit und haben mit der Therapie sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Zühlke. Dabei werden über eine Behandlungsschlaufe kurze, extrem starke Magnetfelder im Mikrosekundenbereich an den Körper abgegeben. Mit Spitzenleistungen von bis zu 120 Millionen Watt liegt die Stärke der kurzfristigen Energieabgabe weit über jener des Zellmembranpotenzials, so dass geschwächte Zellen wieder dauerhaft aufgeladen werden können. Das Immunsystem wird aktiviert und löst in den Zellen heilende energetische Prozesse aus, so dass der Genesungsprozess beschleunigt wird. „Diese Behandlung lässt sich bei allen Verletzungen einsetzen, da jede Krankheit auf gestörten Zellmembranpotenzialen basiert“, so die Expertin. Magnetfeldgamaschen und -decken arbeiten nach einem ähnlichen Wirkungsprinzip.

Mit Hilfe elektromagnetisch übertragener Stimulationssignale arbeitet auch die Bemer Therapie. Sie stimuliert die Pumpbewegung der kleinsten Blutgefässe und wirkt damit auf eingeschränkte bzw. gestörte Mikrozirkulationen ein. So werden die Körperzellen wieder besser versorgt und wichtige Regelmechanismen für die Heilungs- und Regenerationsprozesse unterstützt.

Um Bewegungsstörungen und deren Folgen zu beheben, sind zudem Handgriffe aus der Chiropraktik, Physio- und Osteopathie an der Tagesordnung. Denn auch wenn die eigentliche Ursache bereits behoben ist, können Operationen unter Vollnarkose, Schonhaltungen durch Schmerzen, lange Boxenruhen und dadurch stark abbauende Muskeln Blockaden im Bewegungsapparat des Pferdes verursachen. Schonhaltungen stellen hierbei ein besonders großes Problem dar. Auch wenn der Schmerz nach einer erfolgreichen Behandlung nicht mehr vorhanden ist, schont der Vierbeiner oft noch die ehemals verletzte Gliedmaße oder meidet eine ehemals schmerzhafte Bewegung.

Vor allem bei orthopädischen Befunden hilft kontrolliertes Bewegungstraining wie hier in der Wasserführanlage. (Foto: Slawik)

Behandelt werden ebenso die umliegenden Strukturen der Muskeln, wie das Fasziengewebe, da dieses mit den Gelenken eine Funktionseinheit bildet. Verklebte Faszien sind nämlich oft die Folge von Fehlhaltungen oder einem Mangel an Bewegung. Durch eine gezielte Massage können Verhärtungen und Verspannungen aber behandelt, die Durchblutung gefördert und so die Regeneration verbessert werden.

Im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung zählt die Lymphdrainage zur gängigen Rehamaßnahme. Sie unterstützt und erhöht den Lymphabfluss, d.h. den Abtransport von Flüssigkeit aus dem Gewebe zurück in den Blutkreislauf. Dadurch werden

Ödeme reduziert und Stoffwechselprodukte schneller abgebaut. Das wiederum lindert Schmerzen und unterstützt die Wundheilung.

 

Wärme- und Kältetherapie

 

Einen weiteren Teil nehmen die physikalischen Therapien ein. Dazu zählen in erster Linie Wärme- und Kältebehandlungen. Bei der Kältetherapie verengt der Körper die Blutgefäße am Ort der Anwendung. Der Blutfluss gerät an der gekühlten Stelle ins Stocken. So kann keine zusätzliche Flüssigkeit in das geschädigte Gewebe gelangen. Aber nicht nur der Blutfluss, sondern alle Stoffwechselprozesse werden unter dem Einfluss von Kälte deutlich verlangsamt. Das ist auch der Grund, warum Entzündungsprozesse vermindert und Schwellungen und Blutergüssen entgegenwirkt wird. Dies gelingt meist über kühlende Gamaschen.

Eine weitere äußerst wirksame Kaltwasseranwendung ist das Solebad. Hier wird dem Wasser zusätzlich Salz zugegeben, denn es zerstreut die um die Verletzung angesammelten Flüssigkeiten noch stärker als das reine Kaltwasser. Wird dann noch Sauerstoff zugeführt, kommt der Whirlpooleffekt zustande. Das Solebad wirkt wie eine sanfte Massage und ist so optimal für die Behandlung von Sehnen-, Gelenkentzündungen, Bänderverletzungen und Abzessen.

Wohltuend und der Regeneration förderlich ist darüber hinaus die Behandlung mit Wärme. Sie fördert ebenfalls die Durchblutung und wirkt sich wohltuend auf die Muskeln aus, insbesondere bei Krankheiten im Sehnen- und Bänderbereich. Schmerzen werden gelindert und Verspannungen gelöst. Wärme findet z.B. in Form von Gamaschen, welche die Körperwärme reflektieren, Moorpackungen oder heißen Rollen ihre Verwendung. Eine Besonnung im Solarium gehört ebenfalls zur Wärmetherapie. Hiermit wird eine verbesserte Wundheilung erzielt, da die UV-Strahlen desinfizierend gegen Viren, Keime und Bakterien wirken. Zu einem erfolgreichen Heilungsverlauf tragen jedoch auch alternative Heilmethoden wie beispielsweise Akupressur, Akupunktur, Homöopathie und die Blutegelbehandlung erfolgreich bei.

 

Kraft und Kondition aufbauen

 

Daneben stehen zahlreiche aktive Rehamaßnahmen zur Verfügung, die eine kontrollierte Bewegung des Pferdes ermöglichen. Hierzu zählt das Laufband. Die Vierbeiner werden von allen Seiten begrenzt und müssen sich durch die Vorwärtsbewegung auf dem Laufband stark konzentrieren. Sprünge zur Seite sind hier nicht möglich. Die ausgeführte Bewegung kann vom Menschen sicherer kontrolliert werden als beim Schrittführen. Zudem bietet es eine absolut ebene Lauffläche und gute Bedingungen, um langsam wieder Muskeln und Kondition aufzubauen. Laufgeschwindigkeiten, Steigungswinkel, Belastungsdauer und weitere Parameter lassen sich stufenlos einstellen und tragen so zur Genesung bei. 

Doch das Laufband ist für Pferde mit Problemen im Bewegungsapparat weniger gut geeignet, da der natürliche Bewegungsablauf des Auf- und Abfußens behindert wird. Beim Auffußen wird das Bein durch das weiterlaufende Band nach hinten gezogen, so dass der Vierbeiner deutlich mehr Kraft aufwenden muss als beim normalen Laufen.

Ein erstes Kraft- und Konditionstraining wird auch in einer Führanlage praktiziert. Denn ein gesundes Herz-Kreis-Laufsystem lässt sich am besten durch eine moderate, gleichbleibende Bewegung über einen längeren Zeitraum aufbauen. Auch das Longieren ist eine weitere effektive Trainingsmöglichkeit, wenn der Tierarzt sein Einverständnis dafür gibt.

Laufband und Führanlage werden häufig in Kombination mit Wasser eingesetzt. Trainingseinheiten auf dem Aquatrainer sind ideal, da hier Tempo des Laufbandes, Laufleistung, Wasserfüllhöhe und Trainingsdauer individuell an den vierbeinigen Patienten angepasst werden können. Die Wassersäule unter dem Huf ermöglicht zudem ein gleitendes und gelenkschonendes Auffußen. Durch den Auftrieb des Wassers wird das Eigengewicht und so die Belastung auf Gelenke, Sehnen und Bänder reduziert.

Gleichzeitig dient das Aquatraining dem Aufbau von Muskulatur und der Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, da die Pferde gegen den Wasserwiderstand arbeiten müssen. Und noch einen Vorteil bietet der Aquatrainer: Mit ihm lassen sich Schonhaltungen, ausgleichende Bewegungen oder Taktfehler oft schon zu Beginn des Rehatrainings korrigieren.

Zur Aqua-Therapie zählt auch das Schwimmtraining. In einer Wasserführanlage gelingt ein schonender Aufbau, ohne dass die Muskulatur und die Extremitäten durch das Reitergewicht und das eigene Körpergewicht geschädigt werden. All diese aktiven Rehamaßnahmen werden durch die Tiere selbst erreicht.


Individueller Reha-Plan

 

Diese und viele weitere Rehaleistungen sind abhängig von der Schwere der Erkrankung und dem Heilungsverlauf. Jedes Pferd muss hier für sich betrachtet werden. Um die Maßnahmen sinnvoll zu koordinieren, steht in der Rehaphase ein individueller Plan an. „So behandeln wir die Pferde oft zu Beginn dreimal am Tag mit Rehatron, später dann nur noch einmal die Woche. Oder wir führen die Pferde anfangs dreimal am Tag für eine kurze Zeit Schritt, um sie später nur noch zweimal, dafür aber für einen längeren Zeitraum zu führen“, so Zühlke. Rehamaßnahmen und das Wieder-Antrainieren gehen dabei ineinander über. Das Eine lässt sich nicht getrennt von dem Anderen betrachten.

„Oft bekommen wir einen konkreten Trainingsplan von der behandelnden Klinik mit, an den wir uns halten. Liegt dieser nicht vor, machen wir nach einer Aufenthaltsdauer von sechs bis acht Wochen einen Ultraschall, um zu sehen, wie sich die Verletzung regeneriert hat. Aufgrund des Befundes starten wir dann in Absprache mit dem Tierarzt mit einem entsprechenden Training. Das geschieht ganz sanft und sehr individuell mit generell langen Schrittsequenzen und zunächst nur kurzen Trabeinheiten. Es gibt kein Schema F, auch wenn Pferde mit denselben Verletzungen zu uns kommen“, sagt sie.

Alternative Heilmethoden wie die Akupunktur können unterstützend eingesetzt werden. (Foto: Slawik)

Viel Feingefühl ist dann im Sattel gefragt. „Manchmal fallen Pferde beim Geritten-Werden noch vermehrt auf das eine oder andere Bein und geben uns beim Reiten ein ungutes Gefühl, um den nächsten Schritt zu wagen. Hier spielt die Erfahrung eine wichtige Rolle“, weiß die Expertin. Beim Antrainieren sind auch die entsprechenden Böden entscheidend. Je nach Art der Verletzung macht es mehr Sinn auf weichen oder harten Untergründen zu trainieren. Ebenso beeinflusst die Umgebung das Training. „Beim ersten Antrainieren sind die Vierbeiner oft spritzig und übermütig. Da hilft es, wenn Ruhe in der Halle herrscht und nicht ein Dutzend weiterer Reiter dabei ist“, erklärt die Pferdewirtschaftsmeisterin.

Die Ruhe auf ihrer Anlage sieht sie als großen Vorteil im Gegensatz zur mobilen Reha. „Bei uns steht die Genesung der Pferde im Vordergrund und es geht nicht vorrangig ums Reiten wie auf herkömmlichen Anlagen.“ Der Fokus ist schlichtweg ein anderer. Auch der Faktor Zeit veranlasst viele Pferdebesitzer dazu, sich für einen stationären Aufenthalt zu entscheiden. Wer schafft es neben einem Vollzeit-Job sein Pferd dreimal am Tag Schritt zu führen? „Das lässt sich oft nur mit einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung gewährleisten. Wir haben hier einfach viel Zeit, um die Pferde optimal zu betreuen und zu versorgen. Nur so werden sie in kurzer Zeit schnell wieder fit“, so Zühlke.

Je nach Befund wird ein Therapieplan fürs Pferd ausgearbeitet. (Foto: Slawik)



Vorsicht beim Antrainieren


Wie lang ein Rehatraining dauert, ist pauschal nicht zu beantworten. Der Zeitraum hängt von der Schwere der Erkrankung und der Entscheidung des Pferdebesitzers ab. „Durchschnittlich sind die Pferde etwa drei Monate bei uns. Einige Reiter holen ihr Pferd wieder nach Hause, sobald es die ersten Schritte unterm Sattel absolviert hat. Andere wiederum wollen, dass es soweit antrainiert ist, dass sie im Heimatstall wieder normal reiten können. Viele sind sich auch unsicher, wie sie ihr Pferd gefahrlos wieder antrainieren sollen und überlassen diese Phase dann lieber uns“, berichtet Zühlke. Die Sorge ist berechtigt, denn falsche Bewegungsabläufe oder ein falsches Training können den Heilungsverlauf unterbrechen oder zu einer erneuten Verletzung führen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine lange Ruhepause und eine schwerwiegende Verletzung gehandelt hat. Dabei geht viel Muskulatur verloren und lässt die gesamte Stabilität des Sportpartners ins Wanken geraten.

Ruhephasen von unter drei Wochen ohne ein erhebliches Krankheitsgeschehen führen meist nicht zu großen Einbußen in der Muskulatur oder der Kondition. Hier gelingt es dem Pferdebesitzer oft selbst in ein paar Wochen zum normalen Trainingspensum zurückzukehren. Ein auf die Verletzung abgestimmter Trainingsplan für den Reiter, der gezielt die verletzten Strukturen entlastet und die restliche Gliedmaßen- und Körpermuskulatur trainiert, macht schnell erste Einheiten unter dem Sattel möglich.

(Foto: Privat)

Kasten: Die Expertin

 

Die gelernte Pferdewirtschaftsmeisterin und Pferdephysiotherapeutin Karolin Zühlke hat sich 2007 mit einem Ausbildungs- und Rehazentrum in Worpswede (Niedersachsen) selbständig gemacht. Hier bietet sie bis zu zehn Pferden gleichzeitig die Möglichkeit zur Rehabilitation. www.arzw-zuehlke.de

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