Pferdesport nach Corona - Die Szene atmet auf

Wenn auch mit Maske und Desinfektionsspray: der Turniersport ist zurückgekehrt. (Foto: Nadig)

Erleichterung in der Pferdesportszene: Nachdem seit Mai wieder normales Training möglich ist, entspannt sich auch die Situation auf den Turnierplätzen immer mehr. Aus reinen Geisterturnieren werden Veranstaltungen mit einer begrenzten Anzahl an Zuschauern und auch die Zahl der Begleitpersonen pro Reiter konnte erhöht werden.

Dennoch ist nichts, wie es vorher war: Abstandsregeln müssen weiterhin eingehalten und Masken vielerorts getragen werden. Im Vergleich zum absoluten Stillstand vor ein paar Monaten ist das aber das kleinere Übel. Pferdesportbetriebe und -vereine haben zweifelsohne keine einfache Zeit hinter sich. Grund genug, einmal bei Uwe Karow, Berater für Pferdebetriebe und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Berufsreiter, und Harald Schardelmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Pferdebetriebe im Pferdesportverband Hannover, nachzufragen, welches die größten der vergangenen Monate Herausforderungen waren und wie der Blick in die Zukunft „nach Corona“ aussieht.

Darüber hinaus haben wir im reitsport MAGAZIN Vereinen und Betrieben mit einer besonderen Aktion die Möglichkeit gegeben, sich und ihre Dienstleistungen vorzustellen und damit auf ihre Angebote an prominenter Stelle aufmerksam zu machen. Ab Seite 12 lesen Sie die Kurzvorstellungen. Vielleicht ist ja auch für Sie ein Angebot dabei? Gerade in Krisenzeiten sind es die kleinen Betriebe und Organisationen, die es durchaus lohnt, zu unterstützen. Nur so können wir sicherstellen, dass ein (Über-)Leben nach Corona möglich ist – und das vielleicht noch gestärkter als vor der Pandemie.

„Es ist an der Zeit, immer einen Plan B in der Tasche zu haben“


Uwe Karow, Berater für Pferdebetriebe und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Berufsreiter, und Harald Schardelmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Pferdebetriebe im Pferdesportverband Hannover, im Gespräch

Welches war die größte Herausforderung für Pferdebetriebe während der Corona-Pandemie?

Uwe Karow: Die größte Herausforderung für die Betriebe war zuallererst eine vollkommen neue Situation: Der Staat griff über Verordnungen, die von den Gesundheits- und Ordnungsämtern umgesetzt wurden, massiv in unser Leben und für die Pferdebetriebe in die Betriebsabläufe ein. Das hat es vorher so noch nicht gegeben. Am Bittersten war für viele Betriebe der massive Umsatzeinbruch, der sich ab April und Mai in den Kassen abzeichnete. Da die Dauer und Intensität der Krise am Anfang  nicht absehbar war, mussten einige der Pferdebetriebe  damit rechnen, vollkommen zu scheitern, insolvent zu werden und die Existenz zu verlieren. Die unterschiedlichen finanziellen Zuschüsse und Unterstützungen, die auf Bundes- und Länderebene vom Staat für eine erste Hilfe sorgen sollten, führten häufig zu Interpretationsproblemen. So war hier die Herausforderung, aus den sich täglich überschlagenden Meldungen zur finanziellen Unterstützung das passende für die jeweilige Geschäftssituation zu finden. 

Die unterschiedlichen Ausführungsbestimmungen der Ordnungsämter zum Umgang mit den Hygienevorschriften in den Betrieben führten zusätzlich zu einem Ungerechtigkeitsbewusstsein. Denn: Was der eine Betrieb durfte, wurde bei dem anderen Betrieb untersagt. Im Nachhinein hat man nun ein besseres Verständnis für die Anordnungen, da die regionale Ausbreitung des Corona-Virus sehr unterschiedlich war und ist und dementsprechend die Gesundheitsämter vor Ort die Handlungshoheit haben.

Neben diesen Punkten war und ist es immer noch eine Herausforderung für jeden einzelnen von uns mit dem Virus „richtig“ umzugehen. Die Meinung dazu geht nach wie vor auseinander. In der Praxis mussten sich die Betriebsleiter zur Durchsetzung der Hygienemaßnahmen nicht selten schwierigen Diskussionen mit den Kunden stellen.

Harald Schardelmann: Während des Lockdowns waren die Betriebe, bzw. die Inhaber oder die Vereinsverantwortlichen total auf sich selbst gestellt. Die Pferde mussten versorgt werden einschließlich des Bewegungsangebotes. Pferde mussten entweder im Training gehalten werden oder auch in der Fütterung umgestellt werden auf eingeschränkten Trainingsbetrieb. Das war sicherlich die größte Herausforderung, mit denen die Betriebe zu kämpfen hatten.

Uwe Karow

Welche Art von Betrieben hat es finanziell besonders getroffen und wie sind die Erfahrungen mit Hilfen vom Staat?

Uwe Karow: Massive finanzielle Einschnitte hatten zuerst die Ausbilder ohne Reitanlage, die nur Unterricht und Beritt anboten. Diese verzeichneten zum Teil Totalausfälle, so dass sich existenzielle Ängste abzeichneten. Die im ersten Moment vielversprechenden Soforthilfen für Kleinunternehmen konnte für die Selbstständigen die erhoffte suggerierte Hilfe nicht immer gewährleisten. In den meisten Bundesländern waren diese Hilfen nur für den Ausgleich von betrieblichen Kosten gedacht, nicht für den Verdienstausfall. Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel für diese Fälle für April und Mai nachgelegt und einen kleinen Betrag auch für den Verdienstausfall ersetzt. Bundesweit wurde dies aber von den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt. So blieb für den einen oder anderen Soloselbständigen mit einem vormals gut laufenden Geschäft nur noch die Möglichkeit die Grundsicherung bei der Agentur für Arbeit zu beantragen (Hartz IV für Selbständige).

Reitschulen wurden auch mit voller Wucht getroffen, brachen hier doch die Einnahmen vom einen auf den anderen Tag weg, die Pferde mussten trotzdem versorgt und bewegt werden. Extrem betroffen waren die Betriebe mit einem reinen Reitschulkonzept. Wer hier eine gute Kundenbindung und ein Abrechnungssystem im Abonnement  mit verständnisvollen Kunden aufgebaut hatte, konnte die Kunden für ein bis zwei Monate vertrösten, mit dem Hinweis, den Unterricht später nachzuholen.

Handels, Verkaufs -und Zuchtbetriebe, die auf Verkäufe im Frühjahr angewiesen waren, mussten auch zittern. So brach der gesamte Pferdehandel während der extremen Hygienebeschränkungen massiv ein. 

Betriebskonzepte mit verschiedenen Betriebszweigen (Diversifikation) waren eher in der Lage Einbrüche, die im April, Mai und Juni entstanden, sind noch relativ gut abzufedern. Dies vornehmlich mit der Pensionspferdehaltung, die nicht ganz so starke Einbrüche zu verzeichnen hatte. Mittel bis langfristig gilt es natürlich zu beobachten, wie sich der massive Konjunktureinbruch auf die Ausgabebereitschaft der Pferdehalter und Reiter auswirkt.

Harald Schardelmann: Die Betriebe, die einen Großteil des Umsatzes mit Vermarktung von Pferden, Dienstleistungen und Produkten erzielen, hat es finanziell besonders getroffen, also diejenigen, die auf externe Kunden angewiesen sind. Dazu gehören auch Zuchtbetriebe, Reit- und Fahrschulen, Zubehörhändler. In den Pensionspferdeställen sind in aller Regel die Umsätze über Einstellungen stabil geblieben.


Hilfe für Vereine und Betriebe

Während der FN-Bildungskonferenz, die erstmals online abgehalten wurde, stellte Eva Lempa-Röller von der FN-Abteilung Ausbildung eine neue Idee zur Ausbildung vor Ort in den Vereinen und Betrieben vor: das PM-Mobil. Was steckt dahinter? Die FN schickt auf Wunsch zwei in der Trainerausbildung versierte Ausbilder und einen Vertreter des Landesverbandes. Drei bis vier Stunden verweilen diese im Verein/Betrieb und beobachten, beraten, geben Feedback und informieren über aktuelle Entwicklungen in der Ausbildung. Der Austausch sei hier das wesentliche Ziel. Das Angebot startet im August und ist für alle Vereine und Betriebe der FN kostenfrei. Der Ausbilder vor Ort müsse sich bei der FN einfach dafür anmelden. Das Konzept PM-Mobil habe inzwischen so überzeugt, dass es nicht nur von den Persönlichen Mitgliedern (PM) sondern auch vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gefördert werde.

Die anfangs strikten Regelungen auf Turnieren werden nach und nach gelockert. (Foto: Nadig)

Gibt es einen Lerneffekt, der aus dieser Zeit mitgenommen werden kann?

Uwe Karow: Auf jeden Fall! Der Wahlspruch jedes guten Kaufmanns „Sorge in guten Zeiten vor, damit du was in Schlechten hast!“ kommt jetzt voll zum Tragen. Ein Polster, um immer Liquide zu bleiben, sollte jeder haben. Betriebskonzepte, die von den Corona-Maßnahmen besonders betroffen sind, müssen auch einen Plan B haben, um wirtschaftlich weiter stabil zu bleiben. So gesehen kann dies als positiver Lerneffekt aus dieser Krise mitgenommen werden: über den Tellerrand zu schauen und alternative Konzepte zu entwickeln.

Harald Schardelmann: Ich erlebe die Menschen in meiner Umgebung sehr sensibilisiert, was das Thema „Infektion“ angeht. Das könnte in der Zukunft sowohl Menschen als auch Tieren zugute kommen. Zu Beginn der Pandemie kamen mir die Vorgaben gelegentlich etwas unstrukturiert vor, was sich im Laufe der Zeit jedoch geändert hat. Die staatlichen Stellen und die Gesundheitsämter waren nicht vorbereitet, was mich sehr verwundert hat. Es bleibt zu wünschen, wenn wir die Pandemie überwunden haben, dass Konzepte für ähnliche Situation erarbeitet werden, die dann zur Verfügung stehen. Es sollte eine breite Diskussion im Lande entstehen und die Bedürfnisse aller Gruppen, eben auch der pferdehaltenden Betriebe und Vereine, berücksichtigt werden.

 

Wie erleben Sie die Situation aktuell?

Uwe Karow: Aktuell würde ich von einem „Tauwetter“ sprechen, nachdem die staatlich verordneten Einschränkungen gelockert werden. Es herrscht Optimismus. Allerding muss aus vorsichtigen Überlegungen in Zukunft wieder mit Einschränkungen gerechnet werden. Da muss der Plan B stehen! Interessanterweise betreue ich zurzeit Gründungen durch Pacht und Kauf, die existentiell für die Gründer sind. Da haben wir zur Sicherheit der Gründer wie auch der Banken immer den Plan B – ein Konzept, das Einschränkungen durch so etwas wie eine Corona Krise berücksichtigt – erarbeitet.

 

Harald Schardelmann: Es wurde dringend Zeit, dass die Entspannung kam. Die Menschen gehen mit der Situation sensibel um. Hoffentlich hält das an, überwunden ist die Pandemie noch nicht, wie ein Blick in die USA, nach Brasilien oder Indien zeigt. Die Betriebe und Vereine haben tolle Konzepte entwickelt, um die Hygienevorgaben einzuhalten. Dazu gehören auch Absprachen über Anwesenheiten in Mobilfunkgruppen und, dass Abstandsregeln eingehalten werden. Der Umgang mit Pferden, ob im Sport oder in der Freizeit, als Beruf oder Hobby, ist geprägt von Disziplin, das kommt allen auch in dieser Zeit der Pandemie zugute.

Das Interview führte Andrea Zachrau.

Senkung der Mehrwertsteuer


Auswirkungen auf Pferdesport und Pferdezucht

Die Bundesregierung hat zum 1. Juli die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent gesenkt. Wie sich diese Senkung, die bis 31. Dezember 2020 gelten soll, auf Pferdesport und Pferdezucht auswirkt, erklärt Rainer Reisloh, Geschäftsführer der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) für den Bereich Personal und Finanzen.

Herr Reisloh, sind Betriebe und Vereine verpflichtet die Mehrwertsteuersenkung für bestehende Leistungen wie zum Beispiel Pensionspferdeeinstallung oder Unterrichtserteilung an den Endverbraucher weiterzugeben?
 Rainer
Reisloh: Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung. Das ist eine Frage der Verträge.

Wann müssen die vertraglichen Vereinbarungen wie beispielsweise Pferdeeinstallungsverträge oder Unterrichtsabos angepasst werden?
 Rainer
Reisloh: Das kommt darauf an, ob in den Verträgen Brutto- oder Nettopreise angegeben sind. Faktisch werden das in der Regel Bruttopreise sein. Danach bleibt der vom Kunden zu bezahlende Betrag auch nach der Senkung der Mehrwertsteuer gleich. Wenn die Steuersenkung weitergegeben und der Bruttopreis herabgesetzt werden soll, wäre der Vertrag zu ändern. Vermutlich wird sich aber niemand beschweren, wenn trotz einer anderslautenden vertraglichen Verpflichtung weniger abgerechnet wird. Sind im Vertrag Nettopreise angegeben, muss die Steuersenkung weitergegeben werden. Will ein Verein/Betrieb die drei Prozent selbst behalten, muss er die Verträge ändern und den Nettopreis entsprechend erhöhen.
 
 Muss die Änderung der Preise veröffentlicht werden, zum Beispiel im Internet oder in der Gebührenordnung?
 Rainer
Reisloh: Wenn eine Änderung der Verträge erforderlich ist und in den Verträgen auf die Veröffentlichungen verwiesen wird: Ja. Wenn der Preis in den Verträgen selbst festgehalten ist: Nein. Sofern aber eine Vertragsanpassung stattfindet, wäre es seriös und klug auch die Veröffentlichungen zu ändern.
 
 Unterliegt der gewerbsmäßige Pferdeverkauf der Mehrwertsteuersenkung?
 Rainer
Reisloh: Ja. Hier ist besonders auf eine korrekte Rechnung zu achten, damit der grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigte Käufer keine Schwierigkeiten beim Abzug als Vorsteuer bekommt.

(fn-press)

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