Die Pferdeklappe: "Weil wir zusammenhalten, schaffen wir das auch!"

Für eine anonyme Abgabe gibt es die Notbox der Pferdeklappe. Eine Weide mit einem Briefkasten, in den der Equidenpass und eine unterschriebene Abtretung des Pferdes gehören. (Foto: Privat)

Die Corona-Krise treibt viele Menschen oder ganze Betriebe in Existenznot. Das bekam auch die Erste Pferdeklappe in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen zu spüren. Die Anzahl der abgegebenen Pferde stieg während die Spenden weniger wurden. Doch Leiterin Petra Teegen gibt nicht auf. Wir haben mit ihr telefoniert und waren überrascht, wie positiv sie trotz der schwierigen Zeit eingestellt ist.

Pferdeklappe kurz umrissen

Die Babyklappe als Vorbild, hat Petra Teegen 2013 die Erste Pferdeklappe gegründet. Besitzer in Not können ihre Pferde auf einer Weide zu einer kleinen, freundlichen Herde stellen und mit den dazugehörigen Papieren dort lassen. Das Tier wird anschließend von Teegen abgeholt und auf ihren Hof gebracht. Dort wird es von einem Tierarzt untersucht und bei Bedarf medizinisch behandelt. Dann macht sich Teegen auf die Suche nach einem neuen, liebevollen Zuhause für das Pferd. „Wir sind kein Gnadenhof und auch keine Tierklinik, sondern eher eine Vermittlungsstelle. Die Pferde kommen als letzte Instanz zu uns, werden aufgepäppelt und kommen dann in neue Hände“, beschreibt Teegen ihre Pferdeklappe. Mit 26 Plätzen ist die Zahl der Pferde, die aufgenommen werden können, begrenzt. „Wir nehmen nur Pferde auf, die vermittelbar sind. Das schließt Pferde über 20 aus. Trotzdem helfen wir, auch diesen Pferden ein schönes neues Zuhause zu suchen.“ Teegen nimmt aber nicht nur Pferde in Not auf. Besonders in den Zeiten von Corona hilft sie Pferdebesitzern, ihre Pferde direkt zu vermitteln.

Auch nach der Vermittlung kontrolliert Petra Teegen die Pferde in ihrem neuen Zuhause. Sie möchte sichergehen, dass es den Tieren, dort, wo sie sind, gut geht. (Foto: Charlott Kalinder)

Der normale Alltag

Die Pferdeklappe ist für Petra Teegen ein Vollzeitjob. Morgens werden die Pferde gefüttert und versorgt, dann kommen sie auf die Weide oder ihre Paddocks. Je nachdem, welcher Wochentag ist, kommt der Tierarzt oder der Hufschmied. Dann kommen die Besucher, die sich Pferde ansehen oder etwas spenden wollen. Zwischendurch werden die Pferde geputzt und wenn notwendig auch bewegt. Außerdem müssen Pakete angenommen, ausgepackt und wegsortiert sowie diverse Anfragen im Büro bearbeitet werden. Am Abend kommen die Pferde wieder zurück in ihre zugeteilten Stallungen und werden gefüttert. Im Sommer bleiben die gesunden Pferde nachts auf der Wiese.

 

Mehr Pferde …

Mit Beginn der Corona-Krise stieg die Anzahl der eintreffenden Pferde. „Normalerweise sind es im Frühling immer weniger Pferde. Das liegt daran, dass die Besitzer die Pferde ganztägig auf die Weide stellen können. Aber dank Corona waren es viel mehr.“ Petra Teegen berichtet, dass im Schnitt vier bis fünf Pferde im Monat in der Pferdeklappe landen. In diesem Jahr waren es alleine von März bis Mai 29 abgegebene Pferde. Schuld daran ist das Corona-Virus: „Die Besitzer müssen in Kurzarbeit gehen oder können ihren Job gar nicht ausüben. Ihr Pferd können sie sich dann nicht mehr leisten.“ Aber auch die Pferde verstorbener oder schwer kranker Besitzer kamen zu Teegen – und das deutlich häufiger als unter normalen Umständen. „Ich bekam viele Anrufe von sehr kranken Personen, ob ich ihr Pferd aufnehmen kann, wenn sie sterben. Auf der Warteliste waren Mitte April zehn Pferde. Zum Glück ging es manchen Besitzern bald wieder besser und sie konnten ihre Pferde behalten.“ Ob die Personen an dem Corona-Virus erkrankt waren, darf Teegen nicht verraten.

Auffällig waren auch die gesundheitlichen Zustände der Pferde: „Die abgegebenen Pferde waren viel schlimmer krank. Ein Pferd hatte starke Lungenprobleme, sonst hat mal einer einen kleinen Husten.“ Besonders oft in den letzten Wochen lautete die Diagnose Rehe: „Das liegt daran, dass die Besitzer die Pferde aus der finanziellen Not heraus auf die Weide stellen, ohne richtig anzuweiden.“

Aus alten gespendeten Bandagen basteln Teegens Helferinnen Kerstin und Doris BaTis (Bandagentierchen) - Hunde- und Fohlenspielzeug zum Verkauf. (Foto: Privat)

… weniger Einnahmen

Während sich die Anzahl der Pferde vergrößerte und die Tierarztkosten stiegen, sanken die Einnahmen der Pferdeklappe: „Eigentlich kommen viele Interessierte zu uns auf den Hof. Viele lassen bei einem Besuch die ein oder andere Spende da. Das blieb natürlich in den letzten Wochen aus.“ Auch die restlichen Geldspenden wurden weniger. Der hauseigene Flohmarkt, der alle zwei Monate stattfindet und zusätzlich Geld in die Kasse bringt, musste ausfallen. „Wir mussten uns etwas einfallen lassen. Als wir zum Beispiel ein neues Dach brauchten, haben wir Broschüren erstellt und gegen Spenden abgegeben. Ich habe auch ein Buch geschrieben über die Geschichten aus der Pferdeklappe, um noch zusätzliche Einnahmen zu haben.“

Petra Teegen freut sich in der Regel auch über Sachspenden, die sie aber leider zurzeit nicht wie gewohnt annehmen kann: „Aufgrund der Ansteckungsgefahr konnten wir die meisten Pakete nicht annehmen. Nur die Sachen, die eingeschweißt waren, haben wir desinfiziert und eine Woche stehen lassen.“ Aufgeben war für Teegen zu keinem Zeitpunkt eine Option und das Durchhalten wurde belohnt: „Plötzlich kamen wieder Geldspenden von immer mehr Menschen. Das waren nicht immer große Summen, aber wir haben uns riesig darüber gefreut und es hat uns wirklich weitergeholfen.“ 

 

Einer für alle, alle für Einen

Die Schleswig-Holsteinerin ist mit Herz bei der Sache. Die Umstände gehen an ihr auch emotional nicht spurlos vorbei: „Die Leute, die ihre Pferde direkt zu uns auf den Hof bringen, müssen diese aufgrund von Corona auf dem Quarantäneparkplatz abladen. Es gab einen Tag, da hat es furchtbar geregnet und jemand lud sein Pferd ab und zog ihm auf der Weide die Decke aus, das ist Vorschrift. Und dann weinte der Besitzer sehr und ich konnte ihn nicht trösten und in den Arm nehmen. Das war schon hart.“ Deshalb tut Teegen alles dafür, dass die Besitzer ihre Pferde doch behalten können. Sie teilt ihr Futter und Heu mit Privatpersonen, aber auch mit Reitschulbetrieben. In besonders akuten Fällen bietet sie sogar an, das Tier auf ihrem Hof tierärztlich behandeln zu lassen und anschließend einen Teil der Rechnung zu übernehmen. Ihr ist es wichtig, dass sich alle Pferdemenschen gegenseitig unterstützen. Und genau diese Unterstützung erfährt sie von Tag zu Tag mehr: „Die Liebe zum Tier zeigt sich deutlich, das kann man gar nicht in Worte fassen. Und weil wir so zusammenhalten, schaffen wir das auch!“

 

Mehr Informationen über die Erste Pferdeklappe und den Weg zum eigenen Pferd sowie die Möglichkeit zu spenden, gibt es unter www.erste-pferdeklappe.de. Die Erste Pferdeklappe gibt es außerdem auf Facebook unter dem Namen Pferdeklappe / Notbox Schleswig-Holstein und auf Instagram unter erste_pferdeklappe.

 

 

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