Aufbruch und Umbruch - Zukunft und Perspektiven in Pferdezucht und -sport

Fotos: Duesmann

Pferdesport und –zucht unterliegen zurzeit einem starken Wandel. Vereine und Verbände aber auch die Wirtschaftsunternehmen aus der Branche sind sich darüber im Klaren, dass nur eine gezielte und zukunftsfähige Weiter- oder auch Neuentwicklung die Branche konkurrenzfähig für die nächsten Jahre aufstellen kann. Hierzu konnte die Veranstaltung in Liebenberg viele Anregungen geben.

Breits zum 6. Mal luden die Deutsche Kreditbank, der Oldenburger Pferdezuchtverband und die Persönlichen Mitglieder der FN nach Liebenberg ins Schloss & Gut Liebenberg zum Austausch rund ums Pferd ein. Das Programm war gut gewählt, die Themen interessant gemischt und weckten großes Interesse. Deshalb kann es auch nicht verwundern, dass in diesem Jahr die Anmeldungen zur Veranstaltung die der Vorjahre stark übertrafen.

Als Erste berichtete Susanne Aigner-Drews, die Geschäftsführerin von Discovery Communications Deutschland und Eurosport, in ihrem Beitrag über die Herangehensweise der TV Sender an die Herausforderungen der Digitalisierung. Für die Berichterstattung im Reitsport sah sie eindeutig neue Chancen durch die Digitalisierung. Der Reitsport lässt sich damit neu inszenieren. Die Darstellung muss neue Formate erfinden, die den User ansprechen. Bezahlschranken können von Vorteil sein, wenn der Nutzer damit einfach und individuell sein Programm selbst bestimmen kann.

Die Tradition bewahren und sich trotzdem zukunftsfähig aufstellen, davon berichtete Andrea Kressenbrock, die Pressesprecherin der Spanischen Hofreitschule in Wien zusammen mit dem Bereiter Helmut Oberhauser. Die Platzierung der Hofreitschule mitten in der Stadt Wien ist aus touristischen und historischen Gründen heraus natürlich ein Highlight. Die Wiener Hofburg ist ein imposanter Gebäudekomplex und ein „Reitstall“ mitten in dieser Anlage natürlich schon deshalb ein touristischer Anziehungspunkt mit enormen ökonomischen Vorteilen. Trotzdem ist es eine große Herausforderung, die Pferde unter heutigen Gesichtspunkten tierschutzkonform zu halten. 1000 Besucher kommen täglich, um die Morgenarbeit der Hengste zu besichtigen. Hinzu kommen die Stallführungen und die Auftritte der Hengste weltweit. Trotzdem steht das Wohl der Pferde für die Betreiber der Hofreitschule immer im Fokus. Der sich daraus ergebende Balanceakt zwingt auch die Spanische Hofreitschule, immer wieder über die eigene Arbeit nachzudenken und sich an neue Gegebenheiten anzupassen.

„Klassik statt Umbruch“ – unter diesem Motto stand der Beitrag von Anne Krüger-Degener. Die Tierwirtschaftsmeisterin, zertifizierte Tiertrainerin und Autorin brachte den Teilnehmern ihre Lehre der Harminologie® näher, mittels derer sich eine gelungene Partnerschaft zwischen Pferd und Mensch erreichen lässt. Ihre Meinung ist ganz klar, dass im Grundsatz das Rad der Reiterei nicht neu erfunden werden muss. Nur lässt sich vielleicht etwas an der „Bereifung oder der Navigation“ arbeiten, um ein besseres Einvernehmen mit dem Pferd zu erreichen. „Durch ständiges Regulieren von Nähe und Distanz lässt sich das Einverständnis des Pferdes zu höchster Leistung erhalten.“ Und: „loben Sie Ihr Pferd so lange, bis das Lob auch wirklich vom Pferd als solches verstanden wurde.“ Diese und viele weitere Erkenntnisse und Tipps erhielten die Zuschauer in dem interessanten Vortrag.

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  • Diskussionsrunde v.l.n.r. Beatrice Buchwald, Jens Hofrogge, Stephanie Pigisch, Heinz Ahlers, Janne Sosath-Hahn, Dr. Melissa Cox, Gerd Sosath

Nach der Mittagspause ging es im zweiten Teil der Veranstaltung dann um Hengsthaltung. Zum Thema „Hengsthaltung 4.0 – Hengsthaltung der Spitzenklasse in ganz Europa“ referierten Andreas Helgstrand, Gerd Sosath mit Tochter Janne Sosath-Hahn und Jens Hofrogge mit Beatrice Buchwald. Alle drei Parteien erzählten sehr ehrlich von ihren Werdegängen. Sie legten dar, welche Konzepte ihre Betriebe verfolgen, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben und was für Überlegungen angestellt werden, um sich zukunftsfähig in der Hengsthaltung aufzustellen. Auch hier wurde ganz klar, dass man sich zukünftig noch flexibler auf die Kundenwünsche einstellen muss, dass es aber auch sehr wichtig ist, sich selbst und seinen Überzeugungen treu zu bleiben, um die eigene Authentizität zu bewahren.

Ein Thema, das zurzeit natürlich alle Züchter brennend interessiert, ist das Thema WFFS. Hierzu hielt Dr. Melissa Cox, CAG GmbH – Center of Animal Genetics in Tübingen, einen sehr anschaulichen Vortrag. Ihre Erklärungen brachten das „Schreckgespenst“ WFFS in die richtige Relation. Bei korrekter Voruntersuchung der Hengste und Stuten auf eine Veranlagung zu WFFS kann eine gesundheitsgefährdende Anpaarung vermieden werden. Dr. Cox brachte den Teilnehmern noch einen weiteren Aspekt der Überlegungen näher: Es kann auf Dauer nicht gut sein, nur mit genetisch völlig einwandfreien Individuen zu züchten. Damit würde darauf verzichtet werden, besondere Begabungen wie z.B. ein außergewöhnliches Springtalent, weiterzugeben. Wichtig ist immer nur, die Veranlagung zu kennen, um nicht zwei Vererber gleichen Defekts miteinander zu paaren.

Nach einer kurzen Diskussionsrunde, in der sich die Referenten noch einmal den Fragen des Publikums stellten, endete die Veranstaltung. Man darf sich hoffentlich auf eine 7. Auflage des Liebenberger Pferdeforums freuen.

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