Der verstummte Journalist – ein Kommentar von Andrea Zachrau

Es gibt viele Emotionen, mit denen Journalisten in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert sind. Dazu gehören Freude und Traurigkeit, manchmal auch Verzweiflung und Wut. Die emotionale Achterbahn, die wir beim reitsport MAGAZIN bei unserer Recherche zum Herpesausbruch im spanischen Valencia in dieser Woche miterlebt haben, lässt sich jedoch nur schwer in Worte fassen. Und das, obwohl wir immer Worte finden, zu jeder Zeit und in jeder Situation - schon von Berufs wegen.

Doch in den Gesprächen, die wir in den vergangenen Tagen führten, kam es immer wieder vor, dass trotz sorgfältig ausgearbeiteter Fragen plötzlich die Worte fehlten oder dass gemeinsam mit dem Gesprächspartner plötzlich die Tränen liefen - trotz aller Professionalität! Denn das, mit dem wir uns konfrontiert sahen, war nicht einfach nur Trauer. Es waren Hilflosigkeit, pure Verzweiflung und tiefe Erschütterung. Es waren Menschen, die gerade nicht nur ihren geliebten Sportpartner verloren hatten, der kurze Zeit zuvor noch kerngesund und voller Energie durch den Parcours galoppiert war, sondern auch ihren besten Freund.

Denn selbst, wenn wir auf allen Kanälen des reitsport MAGAZINs umfangreich über die Lage in Valencia informierten, so war es doch schwer, das tatsächliche Geschehen greifbar zu machen. Nur, wer die Szenen vor Ort miterlebt hat und persönlich dabei war, wird tatsächlich nachvollziehen können, wie dramatisch sich der Kampf und Leben und Tod wirklich darstellte. Uns haben in der Redaktion Bilder und Videos erreicht, bei denen wir uns bewusst dafür entschieden haben, sie nicht zu veröffentlichen – zu sehr haben sie uns selbst mitgenommen und zu groß ist unsere Verantwortung unserer Leserschaft gegenüber, was die ethischen Grundsätze journalistischer Berichterstattung angeht. Denn am Ende liegt zwischen investigativem und reißerisch-aufmerksamkeitsheischendem Journalismus ein schmaler Grat.


Was bleibt, ist die Frage: Wie konnte es zu einer solchen Situation kommen? Nach dem, was Reiter, Besitzer und Trainer in Valencia erlebt haben, geht es schon lange nicht mehr nur um finanzielle Verluste, sondern darum, Antworten zu bekommen. Die sind die Verantwortlichen nicht nur den Betroffenen schuldig, sondern auch all denjenigen, die es in Zukunft besser machen könnten - damit eine solche Situation nie wieder passiert.

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