Gesund auf vier Hufen

Fotos: Equipics

 

Auf der Hitliste der Huferkrankungen stehen drei Probleme ganz weit oben: Strahlfäule, Hufgeschwüre und Hufrehe. Wir verraten Ihnen, wie Sie vorbeugen und behandeln können.

„Strahlfäule ist die Nummer eins unter den Huferkrankungen“, sagt der staatlich geprüfte Hufbeschlagsschmied und Hufpfleger Max Kämmereit. Bei dieser Krankheit zersetzt sich das weiche Hufhorn des Strahls, wird zur schmierig-bröckeligen, schwarzen Masse – und stinkt. Dann ist Handeln angesagt. Denn: „Wird die Strahlfäule nicht bekämpft, bilden sich Spalten und Aushöhlungen, in denen sich die Bakterien unter sauerstoffarmen Bedingungen massenhaft vermehren.“ Das Hufhorn löst sich regelrecht auf. Dann funktioniert der Hufmechanismus nicht mehr richtig, was oft unterschätzt wird. Dieser fördert nämlich die Durchblutung der Lederhaut, gewährleistet so eine gute Versorgung des Hufs und damit ein gutes Hufwachstum.

Hauptproblem: Keimbelastung

Strahlfäule bricht gerne in der Schlechtwetterzeit aus. Wenn sich Koppeln und Paddocks in Schlammwüsten verwandeln, wird der Huf zu feucht. Dann verliert das Horn seine Festigkeit und Elastizität, wird mürbe, die Hufe brechen schneller aus und ihre Funktion als Abwehrbarriere wird eingeschränkt. Dann können Bakterien leichter eindringen. Dazu kommt: Bakterien und Pilze gedeihen gerade bei feuchtem Wetter besonders gut. Das ist vor allem bei schlecht gemisteter Einstreu oder in matschigen, mit Kot versetzten Ausläufen fatal, wo sich das Fusobakterium necrophorus tummelt, welches Strahlfäule verursacht.

Aber Achtung: „Das Hauptproblem bei der Hygiene ist in der Regel nicht die Koppel, sondern die Box“, sagt Kämmereit. Das liegt zum einen daran, dass Boxenpferde viel weniger Bewegung haben als Offenstall- oder Weidepferde. Neben der regelmäßigen Hufbearbeitung durch einen Profi spielt bei der Vorbeugung von Hufproblemen die Bewegung auf unterschiedlichen Böden aber die größte Rolle. Die sorgt nämlich dafür, dass der Hufmechanismus gut funktioniert. „Zum anderen herrscht in Boxen oft ein keimbelastetes Milieu“, sagt der Hufschmied. „Der alkalische Ammoniak ist eine der wenigen Substanzen, welche das sonst sehr stabile Horn angreifen und zersetzen kann“, erklärt Kämmereit.

 

Nicht auf die Koppel verzichten!

„Bei einer akuten Strahlfäule muss zunächst das faulige Hufnorn gründlich entfernt werden“, erklärt Kämmereit. „Dann wird der Strahl ausgeschnitten und geglättet, um den Bakterien möglichst wenig Möglichkeiten zu geben, sich einzunisten. Alkoholhaltige Jodlösung, die man mit der Pipette oder bei größeren Löchern in Form eines getränkten Wattebäuschen gezielt in Risse, Furchen und Taschen einbringen kann, tötet die Bakterien schließlich ab.“

Die Behandlung einer Strahlfäule kann sehr langwierig sein, und wenn die Ursache nicht abgestellt wird, bekommt man sie mitunter gar nicht in den Griff. Die wichtigsten Faktoren dabei sind eine tadellose Hygiene und möglichst viel Bewegung. „Auf den Koppelaufenthalt sollte man deshalb auf keinen Fall verzichten, selbst wenn das Hufhorn dabei feucht wird“, mahnt der Schmied. Wichtig ist aber: Der Auslauf muss immer ordentlich abgemistet werden.

Max Kämmereit hat noch einen Tipp parat, um zu feuchte Hufe zu verhindern: „In der Schlechtwetterzeit sollten Weide- und Offenstallpferde die Möglichkeit haben, längere Zeiten am Tag auf dem Trockenen zu stehen. Es ist zum Beispiel sinnvoll, wenn die Heuraufen oder die Heunetze im Auslauf so angebracht werden, dass sich die Tiere beim Fressen auf trockenem Boden befinden.“

Ganz entscheidend ist auch, dass der Pferdebesitzer den Huf täglich gut säubert, am besten mit einer Wurzelbürste.

Hufgeschwüre:

Wenn das Pferd auf drei Beinen steht

 

Auch das haben viele Pferdebesitzer schon mal erlebt: Plötzlich steht das Pferd auf drei Beinen. Es lahmt stark, vielleicht legt es sich sogar hin. Der Huf ist warm. Erster Verdacht: Hufgeschwür.

Abszesse innerhalb des Hufs sind extrem schmerzhaft. Der Eiter, der sich dabei zwischen Hufhorn und Huflederhaut bildet, kann nicht durch die harte Hornkapsel abfließen, breitet sich nach innen aus und drückt auf die Lederhaut. Selbst winzige Eiterblasen werden schnell zur Qual. Vergleichbar ist das mit einem Bluterguss unter dem Fingernagel bei uns Menschen. Aua!

Oft ist auch eine deutliche Pulsation der Zehenarterie am Fesselkopf spürbar. Manchmal wird das Bein dick, oder das Pferd hat Fieber. Dann gleich den Tierarzt verständigen. Denn: „Hufschmiede dürfen keine Abszesse eröffnen“, erklärt Max Kämmereit. Zumindest nicht absichtlich. „Wenn der Schmied beim Ausschneiden zufällig ein Hufgeschwür findet, kann er es natürlich aufpieksen. Aber wenn mich ein Pferdebesitzer anruft, weil er einen konkreten Verdacht auf ein Hufgeschwür hat, verweise ich ihn gleich an den Tierarzt.“ Der Grund dafür: Bei der Eröffnung von tiefliegenden Hufabszessen fließt mitunter viel Blut, und das Pferd braucht vielleicht auch ein Antibiotikum – das ist eindeutig ein Fall für den Doc.

Der Tierarzt prüft mit einer Zange, ob und vor allem wo das Pferd schmerzhaft reagiert. Ist die Stelle klar zu lokalisieren, wird der Huf dort vorsichtig abgetragen, bis der Abszess eröffnet ist und der Eiter ablaufen kann. Die gute Nachricht: Der Druck lässt sofort nach, und damit auch der Schmerz.

Leider ist aber nicht jedes Hufgeschwür reif und kann gleich aufgeschnitten werden. Bei unklaren Diagnosen ist es deshalb manchmal besser, für zwei bis drei Tage einen feuchten Hufverband anzulegen, der den Abszess zum Reifen bringt.

 

Wie weit aufschneiden?

Tiefliegende Hufgeschwüre können weiter in die tiefen Schichten der Huflederhaut vordringen. Auf diesem Weg können sie auch das Hufbein erreichen, in seltenen Fällen sogar das Hufgelenk oder den Schleimbeutel zwischen Strahlbein und tiefer Beugesehne. Dann ist die Prognose ziemlich schlecht. „Wichtige Hinweise darauf, wie tief der Abszess in die Lederhaut hineinreicht, geben Farbe und Konsistenz des Eiters“, erklärt der Hufschmied. „Bei oberflächlichen Geschwüren ist er wässrig und grau-schwarz, bei tiefer liegenden Entzündungen ist er dickflüssig und gelb.“

Wichtig: „Das Loch sollte kegelförmig geschnitten werden, weil es sich dann nicht so schnell schließt und von innen nach außen zuwachsen kann“, erklärt Max Kämmereit. „Außerdem kommt so genug Sauerstoff an die Entzündung. Der macht nämlich den Bakterien den Garaus und trägt wesentlich zur Heilung bei.“

 

Hauptursache: Druck

Wie entsteht eigentlich ein Hufgeschwür? Eher selten sind Bakterien die Auslöser: Normalerweise schützt das Hufhorn vor den fiesen Biestern. Wird es verletzt, zum Beispiel durch einen Ballentritt, durch Risse oder Spalten, sprödes und aufgequollenes Horn, können sie eindringen und eine Entzündung auslösen. Dass ein Abszess durch eingetretene Fremdkörper entsteht – etwa Nägel, Holzsplitter oder spitze Steinchen – kommt schon etwas häufiger vor. Diese werden dann vom Organismus mithilfe von Eiter wieder ausgeschieden. Manchmal vernagelt sich auch der Schmied. „In den meisten Fällen entstehen Hufgeschwüre jedoch durch Prellungen, Quetschungen oder nachteilige Druckverhältnisse im Huf, zum Beispiel durch Fehlstellungen oder mangelnde Hufbehandlungen“, sagt Kämmereit. „Wenn ein Pferd öfter unter Hufgeschwüren leidet, sollte der Schmied unbedingt überprüfen, ob es unphysiologische Druck- und Durchblutungsverhältnisse gibt.“

Auch eine Möglichkeit: Werden Lederhaut- oder Hufknorpelregionen über einen längeren Zeitraum abgequetscht – das geschieht zum Beispiel häufig durch zu lange Eckstreben – werden diese Bereiche nur mangelhaft durchblutet. Dann können sogar ganze Teilbereiche absterben. Setzt die Blutzirkulation wieder ein, beginnen die Aufräumarbeiten des Organismus: Kleine, tote Gewebestücke können vom Körper resorbiert werden. Die größeren werden hingegen von Eiter umhüllt, aufgelöst und in Form eines Hufgeschwüres ausgeschieden. Das passiert häufig, wenn von Hufeisen auf Barfußlaufen umgestellt wird. Aus demselben Grund treten auch nach einer Hufrehe öfter Abszesse auf: Durch die Flüssigkeitsansammlung entsteht Druck im Huf; die winzigen Verästelungen werden nicht mehr adäquat durchblutet und können absterben.

Prellungen sind die häufigsten Ursachen für Hufgeschwüre.

Hufrehe:

Auch Warmblüter sind betroffen

 

Hufrehe ist längt kein reines Ponyproblem mehr. Zwar trifft diese extrem schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut immer noch viele Rassen, die eine Veranlagung für Stoffwechselerkrankungen haben, aber die am weitesten verbreitete Ursache ist schlicht und ergreifend falsche Fütterung – und die zieht sich leider durch alle Reihen.

„Im Gegensatz zu früheren Annahmen ist der Auslöser für eine Hufrehe in erster Linie der Fruktan- bzw. Kohlehydratanteil in der Nahrung, und nicht wie oftmals behauptet das Eiweiß“, erklärt Fütterungsexperte Thomas Kranz. „Energiereiche Futtermittel enthalten verschiedene Getreidesorten, und die Energie im Getreide liegt vor allem in Form von Stärke vor.“ Welche Kettenreaktion eine exzessive Getreidefütterung auslöst, erklärt der Ernährungsberater so: „Ist der Dünndarm mit den ankommenden Stärkemassen überfordert, tritt ein großer Teil an Stärke in den Dickdarm über und zerstört die dort ansässige Darmflora. Dabei entstehendes Laktat aus den Milchsäurebakterien und kurzkettige Fettsäuren verändert die Mikroflora des Dickdarms. Der PH-Wert im Blinddarm sinkt ab, dadurch sterben wichtige Bakterien ab. Dafür vermehren sich explosionsartig schädliche Bakterien, die Giftstoffe bilden, den pH-Wert noch weiter senken und und die Darmschleimhaut angreifen. Durch die geschädigte Darmschleimhaut gelangen die Giftstoffe in die Blutbahn. Diese sind hauptverantwortlich für die Entstehung einer fütterungsbedingten Hufrehe.“

Das gilt sowohl für eine andauernde Überfütterung, als auch wenn sich ein Pferd einmalig eine übergroße Menge an Kraftfutter einverleibt – zum Beispiel weil es nachts die Futterkammer plündert. Im Herbst und im Frühling kann auch zu viel Weidegras zum Problem werden, denn das enthält zu diesen Jahreszeiten besonders viel Fruktan: Insbesondere nächtliche Temperaturen um den Gefrierpunkt, gefolgt von warmen, sonnigen Tagen, erzeugen hohe Gehalte. „Aus diesem Grund sollten rehegefährdete Pferde keinesfalls an einem frostigen und noch dazu sonnigen Morgen auf die Weide gelassen werden“, sagt Thomas Kranz. „Bei diesem Wetter sind die höchsten Fruktankonzentrationen zu erwarten.“

 

Sofort den Tierarzt rufen!

Was passiert bei einer Rehe im Huf? Die Huflederhaut schwillt durch die Entzündung an, Flüssigkeit tritt aus, und durch den immer stärker werdenden Druck löst sich die Lederhaut von der Hornwand. Wird die Hufrehe nicht rechtzeitig behandelt, sinkt das Hufbein ab. Da es aber im hinteren Ende durch die tiefe Beugesehne gehalten wird, kippt es nach unten, die Spitze liegt von innen an der Sohle auf und drückt bei jedem Schritt. Die Folge: Unerträgliche Schmerzen. Um die Sohle zu entlasten, steht das Pferd nach hinten gelehnt, geht nur sehr vorsichtig und setzt zuerst mit den Trachten auf. Außerdem ist eine starke Pulsation in Höhe des Fesselkopfes zu fühlen und die Hufe sind warm.

Bitte rufen Sie bei den ersten Anzeichen einer Rehe sofort den Tierarzt! Ansonsten kann die Hufbeinspitze nämlich durch die Sohle brechen oder die Hornkapsel löst sich vollständig ab – das Pferd schuht aus und muss aufgrund der extremen Schmerzen in den meisten Fällen eingeschläfert werden. Um das zu verhindern, kann der Tierarzt entzündungshemmende, durchblutungsfördernde und schmerzstillende Medikamente geben sowie einen Aderlass durchführen. Auch eine Infusion hilft dabei, die Giftstoffe schneller auszuscheiden. Bekommt der Tierarzt die Rehe noch rechtzeitig in den Griff, zeigt ein Röntgenbild, inwieweit sich der Huf bereits verändert hat. Dann kann der Schmied den richtigen Hufschutz bzw. Beschlag wählen, um den Druck auf die Sohle zu lindern.

Es gibt zwar noch andere Ursachen für Hufrehe, z.B. Überlastung, Vergiftung oder bestimmte Medikamente wie Cortison. „In den meisten Fällen ist Hufrehe jedoch eine Zivilisationskrankheit, die durch den Menschen verursacht wird“, bringt es Ernährungsberater Thomas Kranz auf den Punkt. „Bei aufgeklärter Fütterung und vernünftiger art- und typgerechter Haltung müsste es in den meisten Fälle erst gar nicht so weit kommen.“

Wer die Hufbearbeitung nicht so ernst nimmt, riskiert Huferkrankungen.

Hufmechanismus:

Möglichst viel Bewegung!

Der Huf lebt. Was von außen wie totes Horn aussieht und Reitanfängern gerne als „Fingernagel des Pferdes“ erklärt wird, ist in Wirklichkeit ein komplexes System, zu dem auch Blutgefäße und Nerven gehören. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Hufmechanismus. Die Hufkapsel ist trotz ihrer Festigkeit elastisch. Das Hufbein hängt in der Lederhaut und dem damit verzahnten Hornschuh wie in einer Hängematte. Damit wird das Gewicht des Pferdes vom Knochen auf die Hufwand und damit auf Sohle, Trachten und Eckstreben übertragen. Bei jeder Be- und Entlastung ändert die elastische Hufkapsel ihre Form, was als Hufmechanismus bezeichnet wird. Durch diese Bewegung werden zum einen Stöße abgefangen, wenn das Pferd läuft. Zum anderen versorgt sie alle lebenden Anteile des Hufes optimal mit Blut- und Lymphflüssigkeit. Eine Behinderung des Hufmechanismus führt dagegen zu einer Mehrbelastung der Gelenke, sowie zu Mangeldurchblutung und damit zu einer Unterversorgung bestimmter Bereiche. Funktioniert der Hufmechanismus nicht richtig, sind Lahmheiten vorprogrammiert.

 

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