Hufgeschwüre:
Wenn das Pferd auf drei Beinen steht
Auch das haben viele Pferdebesitzer schon mal erlebt: Plötzlich steht das Pferd auf drei Beinen. Es lahmt stark, vielleicht legt es sich sogar hin. Der Huf ist warm. Erster Verdacht: Hufgeschwür.
Abszesse innerhalb des Hufs sind extrem schmerzhaft. Der Eiter, der sich dabei zwischen Hufhorn und Huflederhaut bildet, kann nicht durch die harte Hornkapsel abfließen, breitet sich nach innen aus und drückt auf die Lederhaut. Selbst winzige Eiterblasen werden schnell zur Qual. Vergleichbar ist das mit einem Bluterguss unter dem Fingernagel bei uns Menschen. Aua!
Oft ist auch eine deutliche Pulsation der Zehenarterie am Fesselkopf spürbar. Manchmal wird das Bein dick, oder das Pferd hat Fieber. Dann gleich den Tierarzt verständigen. Denn: „Hufschmiede dürfen keine Abszesse eröffnen“, erklärt Max Kämmereit. Zumindest nicht absichtlich. „Wenn der Schmied beim Ausschneiden zufällig ein Hufgeschwür findet, kann er es natürlich aufpieksen. Aber wenn mich ein Pferdebesitzer anruft, weil er einen konkreten Verdacht auf ein Hufgeschwür hat, verweise ich ihn gleich an den Tierarzt.“ Der Grund dafür: Bei der Eröffnung von tiefliegenden Hufabszessen fließt mitunter viel Blut, und das Pferd braucht vielleicht auch ein Antibiotikum – das ist eindeutig ein Fall für den Doc.
Der Tierarzt prüft mit einer Zange, ob und vor allem wo das Pferd schmerzhaft reagiert. Ist die Stelle klar zu lokalisieren, wird der Huf dort vorsichtig abgetragen, bis der Abszess eröffnet ist und der Eiter ablaufen kann. Die gute Nachricht: Der Druck lässt sofort nach, und damit auch der Schmerz.
Leider ist aber nicht jedes Hufgeschwür reif und kann gleich aufgeschnitten werden. Bei unklaren Diagnosen ist es deshalb manchmal besser, für zwei bis drei Tage einen feuchten Hufverband anzulegen, der den Abszess zum Reifen bringt.
Wie weit aufschneiden?
Tiefliegende Hufgeschwüre können weiter in die tiefen Schichten der Huflederhaut vordringen. Auf diesem Weg können sie auch das Hufbein erreichen, in seltenen Fällen sogar das Hufgelenk oder den Schleimbeutel zwischen Strahlbein und tiefer Beugesehne. Dann ist die Prognose ziemlich schlecht. „Wichtige Hinweise darauf, wie tief der Abszess in die Lederhaut hineinreicht, geben Farbe und Konsistenz des Eiters“, erklärt der Hufschmied. „Bei oberflächlichen Geschwüren ist er wässrig und grau-schwarz, bei tiefer liegenden Entzündungen ist er dickflüssig und gelb.“
Wichtig: „Das Loch sollte kegelförmig geschnitten werden, weil es sich dann nicht so schnell schließt und von innen nach außen zuwachsen kann“, erklärt Max Kämmereit. „Außerdem kommt so genug Sauerstoff an die Entzündung. Der macht nämlich den Bakterien den Garaus und trägt wesentlich zur Heilung bei.“
Hauptursache: Druck
Wie entsteht eigentlich ein Hufgeschwür? Eher selten sind Bakterien die Auslöser: Normalerweise schützt das Hufhorn vor den fiesen Biestern. Wird es verletzt, zum Beispiel durch einen Ballentritt, durch Risse oder Spalten, sprödes und aufgequollenes Horn, können sie eindringen und eine Entzündung auslösen. Dass ein Abszess durch eingetretene Fremdkörper entsteht – etwa Nägel, Holzsplitter oder spitze Steinchen – kommt schon etwas häufiger vor. Diese werden dann vom Organismus mithilfe von Eiter wieder ausgeschieden. Manchmal vernagelt sich auch der Schmied. „In den meisten Fällen entstehen Hufgeschwüre jedoch durch Prellungen, Quetschungen oder nachteilige Druckverhältnisse im Huf, zum Beispiel durch Fehlstellungen oder mangelnde Hufbehandlungen“, sagt Kämmereit. „Wenn ein Pferd öfter unter Hufgeschwüren leidet, sollte der Schmied unbedingt überprüfen, ob es unphysiologische Druck- und Durchblutungsverhältnisse gibt.“
Auch eine Möglichkeit: Werden Lederhaut- oder Hufknorpelregionen über einen längeren Zeitraum abgequetscht – das geschieht zum Beispiel häufig durch zu lange Eckstreben – werden diese Bereiche nur mangelhaft durchblutet. Dann können sogar ganze Teilbereiche absterben. Setzt die Blutzirkulation wieder ein, beginnen die Aufräumarbeiten des Organismus: Kleine, tote Gewebestücke können vom Körper resorbiert werden. Die größeren werden hingegen von Eiter umhüllt, aufgelöst und in Form eines Hufgeschwüres ausgeschieden. Das passiert häufig, wenn von Hufeisen auf Barfußlaufen umgestellt wird. Aus demselben Grund treten auch nach einer Hufrehe öfter Abszesse auf: Durch die Flüssigkeitsansammlung entsteht Druck im Huf; die winzigen Verästelungen werden nicht mehr adäquat durchblutet und können absterben.