Keine kalten Füße

Foto: Equipics

Bei Minusgraden laufen wir Menschen in dick gefütterten Schuhen herum. Wer will schon kalte Füße haben? Die Pferde brauchen das nicht. Sie haben ein geniales Kälte-Schutzsystem. Bei beschlagenen Hufen gibt es jedoch ein Problem.

Jakuten-Ponys leben im Osten Sibiriens. Neun Monate Winter und extreme Kälte mit Temperaturen von -60°C sind keine Seltenheit. Und doch behaupten sich die zähen Vierbeiner in dieser lebensfeindlichen Heimat. Uns Menschen friert es schon beim Lesen solcher Minusgrade und wie kalt die Zehen hier trotz Thermoboots werden können, möchte man sich gar nicht vorstellen. Die Vierbeiner aber kennen keine Eisfüße. Manch einer mag vielleicht einwenden, dass unsere mitteleuropäischen Pferde nicht mit den Jakuten-Ponys verglichen werden können, aber Huf bleibt Huf.

„Die Wandlederhaut der Hufe ist in circa 600 bis 700 Falten umschlagen. Man nennt sie auch Blätterpilze. Diese haben wiederum jeweils etwa 100 bis150 Nebenblättchen. Dadurch wird auf engsten Raum, man spricht von 0,6 Quadratmeter eine Fläche geschaffen, die ermöglicht die Hufbeinaufhängung fest zu verbinden. Gleichzeitig hat diese Fläche stoßdämpfende Eigenschaften und kann bei korrekter Mechanik auf extreme Umwelteinflüsse eingehen“, erklärt Hufheilpraktiker Jürgen Gröning aus dem niedersächsischen Ahlerstedt-Klethen, der sich auf Problemhufe spezialisiert hat. Schutz vor dem Erfrieren bietet vor allem das Laufen, das Eigenwärme erzeugt, zu einer guten Durchblutung und damit zu hervorragenden Isolationseigenschaften führt. Bewegungsaktivität ist zudem für den gesamten Blutkreislauf und somit für die Wärmeerzeugung wichtig. Gut durchblutete Hufe fühlen sich angenehm warm an. Außerdem haben sie ein gesundes Hornwachstum.

 

Die vier Zusatzherzen

A propos Bewegungsaktivität: Hier kommt die so genannte Blutpumpenfunktion ins Spiel, die dafür sorgt, dass die Temperatur im Hufinneren auch bei Minusgraden konstant bleibt. Beim Auffußen, also bei Belastung, werden die Hufe weit gestellt und es strömt vermehrt Blut in das Hufinnere ein. Bei Entlastung entsteht ein Sog, der es zurück in den Körper transportiert. Dieses Saugpumpen-Prinzip ist jedoch von einem korrekten Hufmechanismus abhängig. „Damit unterstützen die vier Zusatzherzen (Hufe) das recht kleine Herz des Pferdes“, so Gröning.

Der Huf unterstützt den Körper auch als Entgiftungsorgan. Er leitet Abfalleiweiße, Giftstoffe und andere Stoffwechselabfallprodukte aus dem Körper. Funktioniert aber die Hufpumpe aufgrund eines schlechten oder eingeschränkten Hufmechanismus nicht, können die Stoffwechselvorgänge nicht richtig ablaufen. Die Folgen? Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Schwäche, Lustlosigkeit und schlechtes Hufhorn. Werden Pferde, die im Winter viel stehen und ab und zu mal bewegt werden, mit stark eiweißhaltigem Futter wie Heulage oder Silage überfüttert, wird es wirklich problematisch. „Es findet dann eine verminderte Verbrennung statt, Leber und Nieren sowie die Haut werden überlastet. Der Organismus signalisiert, dass es zu einem Schaden kommt und schiebt zum Eigenschutz alles Überschüssige in die Organe Huf ab. Es kann dadurch in den Wintermonaten vermehrt zu Huflederhautentzündungen, Hufabzessen bis hin zu Belastungsrehen kommen“, weiß der Experte.

Starke Belastungen im Winter

Gerade in der kalten Jahreszeit sind die Hufe starken Belastungen ausgesetzt. Frostige, vereiste Böden lassen Barhufer automatisch vorsichtiger gehen. Sie verlassen sich einfach auf ihren guten Tastsinn. Denn durch den Bodenkontakt von Strahl und Sohle erhält das Nervensystem über entsprechende Nervenendigungen eine Rückmeldung über die Beschaffenheit des Untergrundes. „Nimmt der Mensch aber keine Rücksicht auf die Signale des Pferdes, können Hufbeinprellungen, Sohlenlederhautentzündungen oder Belastungsrehen die Folgen sein“, warnt Gröning. Diese natürliche Schutzfunktion ist bei beschlagenen Pferden übrigens ausgeschaltet. „Die Verletzungsgefahr ist demnach höher. Ich höre dann sehr oft den Spruch: Es friert draußen und mein Pferd muss in der Box bleiben. Der Winter ist aber nicht nur eine Woche lang“, gibt der Experte zu bedenken. Kommt jetzt noch langes Stehen auf Strohmatratzen hinzu, besteht ein erhöhtes Risiko für Strahlfäule, weil sich Fäulnisbakterien in dem feuchtwarmen Milieu ausbreiten. „Der Strahl ist immer dann angreifbar, wenn er geschwächt ist, und die Sohlen zu weich sind“, so der Hufheilpraktiker.

Was kann der Besitzer tun? „Er sollte den Stoffwechsel des Pferdes ins Gleichgewicht bringen und für eine den Bodenverhältnissen angemessene Bewegung sorgen. Hufe sollten zudem möglichst mit Natur-Hufpflegemittel behandelt werden“, empfiehlt der Experte. Er ist von Tico-Vet, einem natürlichen Harz, das vom Drachenbaum aus dem Amazonasgebiet in Südamerika stammt, überzeugt. Es wird für seine antibakterielle, antivirale und antimykotische (gegen Pilze) Wirkung geschätzt.

 

Ferner kommt es für ihn auf eine korrekte Hufbearbeitung an. „Stehen Pferde im Offenstall, sollten möglichst nur die Eckstreben gekürzt und Außenwände berundet werden. Zu hohe Eckstreben und die Strahlspitze könnten sonst wie ein Stein im Schuh drücken und Hufrollenentzündungen auslösen. Bei Bedarf kann das vordere Viertel des Strahles gekürzt werden. Das hintere Drittel sollte möglichst als Blutpumpen- und Pufferfunktion stehen bleiben“, rät er.

 

Eine spezielle Winterpflege ist bei gesunden Hufen aber in der Regel nicht nötig. „Den Hufen wird im Winter bei Kälte Feuchtigkeit entzogen. Das härtet sie aus und dient als natürlicher Schutz“, erklärt der Experte. Ratsam kann es jedoch sein, die Außenwände und Kronränder mit Lorbeeröl zu bestreichen, um Windrissen vorzubeugen und die Hornkapsel flexibel zu halten. „Sonstige Fette sind auf den Hufen nicht vonnöten. Sie verschließen nur die Oberschicht der Hufwand“, so Gröning abschließend.

Barhuf oder Eisen? Die Temperatur macht den Unterschied

Bei Barhufern hat Jürgen Gröning mit der Wärmebildkamera bei einer Außentemperatur von -5°C in der Mitte des Hufes (der wärmsten Stelle) eine durchschnittliche Temperatur von 18°C gemessen, bei beschlagenen Pferden nur Temperaturen von 10°C bis 12°C. Der Grund? Der Beschlag führt zu einer mangelnden Durchblutung, so dass sich die Gefäße im Huf durch die umlaufenden Arterien nicht zu 100 Prozent mit Blut füllen können. Der Blutumtrieb wird daher eingeschränkt. Experten sprechen hier von Kurzschlüssen, weil Arterien, Venen und Anastomosen (Verbindungen zwischen Blut-, Lymphgefäßen und Nerven) die schlecht durchbluteten Bereiche nur notdürftig versorgen.
Tipps des Hufheilpraktikers: „Sorgen Sie für ausgiebige Bewegung auf geeigneten Untergründen. Das regt die Durchblutung an und führt zu wärmeren Hufen. Und füttern Sie ausreichend Heu. Beim Fressen und Verdauen entsteht Wärme, die im Winter lebensnotwendig ist. Eine längere Verdauung ist gleichbedeutend mit einer längeren Wärmeproduktion. Haben Sie ein älteres Pferd, das nur noch Heucobs fressen kann? Dann lassen Sie diese in warmen Wasser aufquellen, damit so ebenfalls Wärme in den Pferdekörper und in die Hufe gelangt.“     

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