Herpes-Impfpflicht ab 2023 - Was sagen Tierärzte und Sportler?

(Foto: Equipics)

Nach der Entscheidung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, ab 2023 eine Impfpflicht gegen das Equine Herpesvirus-1 für Sportpferde einzuführen, kam es im Netz und vor allem den Social Media Kanälen schnell zu heftigen Reaktionen. Fast erschien es, als würde die Debatte von der Impfung gegen Covid-19 auf Das Equine Herpesvirus überschwappen. Wir haben einige Sportreiter sowie zwei Tierärzte befragt, wie ihre Meinung zur Pflichtimpfung für Sportpferde ist, ob rechtzeitig oder etwa voreilig gehandelt wurde und vor allem, wie sicher die Impfstoffe tatsächlich sind.

 

Dorothee Schneider, Dressur-Olympiasiegerin 2016 und 2021

“Unser gesamter Pferdebestand im Stall ist schon seit längerer Zeit geimpft. Für uns ist das essenziell. Der Ausbruch von Spanien aus hat auf dramatische Art und Weise gezeigt, was passiert, wenn man zu lange mit dem Handeln wartet. Meiner Meinung nach ist die Impfpflicht die richtige Entscheidung. Natürlich hat jede Impfung auch Nebenwirkungen, aber grundsätzlich können wir das Virus damit eindämmen und unsere Pferde zum großen Teil schützen!"

 

Janne Friederike Meyer-Zimmermann, Weltmeisterin im Springreiten 2010

„Ich glaube, dass die Herpes Impfpflicht für Turnierpferde auf jeden Fall richtig ist. Natürlich kann die Impfung leider auch Nebenwirkungen verursachen, aber die Folgen einer schweren Erkrankung sind wesentlich schlimmer. Da die Impfung gegen EHV-1 den Ausbruch der Erkrankung beim einzelnen Pferd nicht sicher verhindern kann, sondern nur das Ausscheiden von Viren verringert wird, ist es wichtig, das flächendeckend geimpft wird, da wo Pferde zusammentreffen. Das sollte unserer Ansicht nach nicht nur für Turnierpferde, sondern auch für Zucht- Freizeit oder Showveranstaltungen gelten.“

 

Alexa Stais, Springreiterin

„Ich denke, wenn alle Pferde in Valencia geimpft gewesen wären, hätte es niemals einen derartigen Ausbruch geben können. Nachdem ich das alles vor Ort miterlebte und tragischerweise Pferde aus unserem Stall betroffen waren, war ich schon damals der Ansicht, dass unbedingt schnell etwas getan werden müsse. Deshalb bin ich sehr froh, dass es die Pflichtimpfung ab 2023 geben wird und denke auch, dass man richtig gehandelt hat.“

 

Annika Ebert, Springreiterin

„Ich bin natürlich für die Herpes-Impfpflicht. Wir Reiter sollten alles Mögliche tun, um die Gesundheit unserer Pferde und die Sicherheit auf den Turnierplätzen zu gewährleisten. Wir sollten dankbar sein, dass es eine solche Impfung gibt und nicht daran kritisieren. Grundvoraussetzung für die Pflichtimpfung muss aber eine dauerhafte Verfügbarkeit des Impfstoffs sein, um Engpässe zu vermeiden. Ich persönlich würde es außerdem gut finden, wenn sich mehr Bundesländer an Beihilfeprogrammen der Tierseuchenkassen, für die Förderung der Herpesimpfung in Pferdebeständen beteiligen würden.“

 

Melanie Diehl, Dressurreiterin, die 2016 mehrere Pferde durch EHV-1 verlor

„Ich denke, dass eine Impfpflicht in jedem Fall eine gute Entscheidung ist. Die Impfung sollte mit einem in Deutschland hergestellten Impfstoff durchgeführt werden, da dies das Vertrauen unter den Pferdehaltern besser herstellt. Da ein Totimpfstoff in der Regel besser vertragen wird als ein Lebendimpfstoff würde ich für diesen plädieren. Eine meiner Stuten überlebte das Virus, hatte aber über Jahre mit Nervenschäden zu kämpfen und geht erst seit diesem Jahr wieder klar. Dies zeigt, was das Virus auch bei überlebenden Tieren anrichten kann.“

 

Dr. Kai Kreling, Leiter der Tierklinik Binger Wald, Geschäftsführender Gesellschafter der Pferdegesundheit im Fokus GmbH

„Häufig vertrat man in den vergangenen Jahren die Meinung, dass die Impfung des einzelnen Pferdes gegen EHV1/4 „nichts wert“ wäre. Das stimmt auch, denn es handelt sich um eine Bestandsimpfung, die nur durch eine „Herdenimmunität“ funktioniert. Die Abläufe hinsichtlich der Entscheidungsfindung „Pflichtimpfung ja oder nein“ dauern immer lange und in diesem Fall hat es wohl, angesichts des schweren Ausbruches in diesem Jahr, zu lange gedauert. Es war ja nicht so, dass wir nicht jedes Jahr Fälle gehabt hätten und die Wellen in der kalten Jahreszeit auftraten. Mal verliefen diese eben schwerer und mal weniger dramatisch, sodass die Frage nach der Impfpflicht wieder in Vergessenheit geriet. Ich befürworte das jetzige Vorgehen sehr. Die Impfstoff-Entwicklung verschiedener Hersteller schreitet gut voran, sodass ausreichend Impfstoff vorhanden ist und sein wird, um zum 1. Januar 2023 die Impfung für jedes Sportpferd sicher zu gewährleisten. Auch die Impfstoffe wurden in den vergangenen Jahren stetig verbessert, sodass schwere Nebenwirkungen wirklich äußerst selten auftreten. Die meisten gingen in der Vergangenheit auf ein Kombipräparat gegen EHV1/4 und Influenza zurück. Die Gefahr durch eine Infektion ist ungleich größer als durch die Impfung.“

 

Dr. Frank Reimann, Verbandstierarzt des Hannoveraner Verbandes

„Um Infektionsausbrüche wie zu Jahresbeginn in Spanien zu verhindern, ist die generelle Impfpflicht gegen EHV1/4 meines Erachtens sehr sinnvoll. Im Fokus stehen vor allem die Aufstallungsturniere, bei denen der Infektionsdruck wesentlich höher ist, als auf einem Freiluftturnier in der „Grünen Saison“. Als genauso sinnvoll sehe ich eine Impfpflicht bei FN Lehrgängen, bei denen mehrere Pferde zeitgleich trainiert werden und danach über zwei bis drei Tage teils gemeinsam aufgestallt sind. Da die bisher auf dem Markt erhältlichen Impfstoffe die Infektion nicht verhindern können, sondern „nur“ die Ausscheidung infektiöser Viruspartikel reduzieren, ist es bei solch einem „schwachen“ Impfstoff essenziell, dass alle miteinander in Kontakt tretenden Pferde geimpft sind.  Sonst können wie zu Jahresbeginn in Spanien über Jahre vollständig immunisierte Pferde von ungeimpften Ausscheidern infiziert werden und schwer erkranken bis verenden. Retrospektive Analysen von Infektionsdurchbrüchen zeigten, dass Pferdebestände, die komplett gegen das Equine Herpes Virus immunisiert wurden, im Falle von Infektionsdurchbrüchen die niedrigsten Erkrankungs- und Sterblichkeitsraten aufwiesen.

Die unschönen Nebenwirkungen nach einer Herpes-Impfung beobachtete ich in der Praxis vor allem zu der Zeit, als ein Kombinationspräparat (Influenza/Herpes) den Markt dominierte. Im Vordergrund standen hier die Symptome eines Kreuzverschlages mit hohem Fieber über mehrere Tage. In seltenen Fällen entwickelten Pferde Symptome einer Ataxie. Bei Pferden mit chronischen Atemwegserkrankungen wie Equines Asthma beobachtete ich nach einer Kombinationsimpfung häufig das Aufflammen von Atemwegsproblemen, so dass ich hier auf jeden Fall eine getrennte Impfung von Herpes und Influenza empfehle. Wenn dies nicht ausreicht, hilft häufig eine vorab durchgeführte Paraimmunisierung mit Zylexis®. Diese Praxis hat sich bei empfindlichen Pferden bewährt.

Persönlich wünsche ich mir eine Weiterentwicklung des Impfstoffes und hoffe, dass sich die Liefersituation durch die langfristige Ankündigung der Impfpflicht für Turnierpferde erheblich verbessert. Die bestehende Impfmüdigkeit lässt sich neben dem relativ schwachen Impfschutz zusätzlich auch durch die bisher unzuverlässige Liefersituation von Seiten der Pharma-Industrie erklären.“

Grundimmunisierung und Wiederholungsimpfung sind ein Muss

Für alle Turnierreiter heißt die Impfpflicht: Sie sollten sich bereits jetzt mit der Grundimmunisierung ihrer Pferde und mit den korrekten Impfintervallen beschäftigen, um auch ab 2023 weiter an Turnieren teilnehmen zu können.  

Für Pferde, die am LPO-Turniersport oder an WBO-Wettbewerben auf Pferdeleistungsschauen (d.h. an Turnieren mit Wettbewerben der WBO und Leistungsprüfungen der LPO) teilnehmen, schreibt die FN ab dem 1. Januar 2023 neben der Impfung gegen Influenza auch die Impfung gegen EHV-1 nach erfolgter Grundimmunisierung alle sechs Monate vor. Dabei muss folgendes Impfschema berücksichtig werden:

 

 

Grundimmunisierung

... besteht aus 3 Impfungen:

Für die ersten beiden Impfungen der Grundimmunisierung ist der gleiche Impfstoff zu verwenden!

Zweite Impfung bei Verwendung eines Inaktivat-Impfstoffes gegen EHV-1 im Abstand von mindestens 28 und höchstens 42 Tagen nach der ersten Impfung

Zweite Impfung bei Verwendung eines Lebendimpfstoffes gegen EHV-1 im Abstand von mindestens 3 bis höchstens 4 Monaten nach der ersten Impfung

Dritte Impfung maximal 6 Monate + 21 Tage nach der zweiten Impfung (gilt für Inaktivat- und Lebendimpfstoffe)

 

Auffrischungsimpfung

Wiederholungsimpfungen im Abstand von maximal 6 Monaten + 21 Tagen

 

 

Alle Pferde, die bisher nicht gegen EHV-1 geimpft wurden oder bei denen der Abstand zwischen zwei Impfungen gegen Herpesviren länger als sechs Monate plus 21 Tage war, müssen vor einem Turnierstart neu grundimmunisiert werden. Für Pferde, die schon eine lange Zeit ihres Lebens geimpft wurden bzw. bei denen keine Information über eine Grundimmunisierung vorliegt, gilt: Die Impfungen innerhalb der letzten drei Jahre müssen korrekt, also im Abstand von maximal sechs Monaten plus 21 Tagen (analog zur Influenza-Impfung) erfolgt sein, damit das Pferd an Turnieren teilnehmen darf. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, ist eine neue Grundimmunisierung erforderlich.

In Deutschland sind zwei Inaktivat- und ein Lebendimpfstoff für die Immunisierung gegen EHV-1 verfügbar. Wichtig ist, dass bei den ersten beiden Impfungen der Grundimmunisierung nicht zwischen Inaktivat- und Lebendimpfstoff gewechselt werden darf, sprich: Der gleiche Impfstoff ist zu verwenden. Bei erforderlicher Grundimmunisierung ist ein Turnierstart erst möglich, wenn 14 Tage nach der zweiten Impfung der Grundimmunisierung vergangen sind. Zwischen der dritten Impfung der Grundimmunisierung sowie Wiederholungsimpfungen und einem Turnierstart müssen sieben Tage vergangen sein.

 

Weitere Information zum Thema Impfung gibt es unter https://www.pferd-aktuell.de/ausbildung/pferdehaltung/impfung 

 

Wenn die Impfung das einzelne Pferd nicht schützen kann, warum wurde dann eine Impfpflicht eingeführt?

Mit dieser Entscheidung folgte der Beirat Sport den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet), welche die Herpesimpfung bereits seit vielen Jahren für alle Pferde empfiehlt. Im Beirat Sport sind Mitglieds- und Anschlussorganisationen der FN vertreten, dazu gehören unter anderem alle Landespferdesportverbände mit ihren Landeskommissionen. Dem Beirat Sport obliegt die Beschlussfassung zur LPO, in der auch die Impfvorgaben für Turnierpferde geregelt sind.

Durch die verpflichtende Einführung der Impfung in der LPO wird eine größere Impfdichte sichergestellt. Da auf Turnieren viele Pferde aus unterschiedlichen Beständen aufeinandertreffen, gilt es, diese Pferdegruppe besonders gut durch eine Impfung zu schützen und das Krankheitsübertragungsrisiko zu senken. Das übergeordnete Ziel der Impfpflicht ist es, durch eine konsequente Impfung möglichst vieler Pferde zu einer Reduktion der Menge von zirkulierenden Herpesviren beizutragen, somit Infektionsketten zu unterbrechen und Erkrankungszahlen zu reduzieren. Die Impfpflicht soll damit einen wichtigen Bestandteil der Infektionsprophylaxe bei Turnierpferden bilden.

 

Können Pferde an einem Termin sowohl gegen EHV-1 als auch gegen Influenza geimpft werden?

Generell ist es möglich, Pferde zeitgleich gegen Influenza und Herpes zu impfen. In der Regel vertragen Pferde die zeitgleiche Impfung gut und diese Praxis hat sich in vielen Pferdehaltungen bewährt, da somit keine Impfungen vergessen werden, Tierarzttermine gebündelt und Kosten gespart werden können. Dennoch muss die Entscheidung, ob ein Pferd eine „doppelte“ Impfung bekommen kann und soll, im Einzelfall individuell für jedes Pferd getroffen werden. Hierzu ist die Rücksprache mit einer*m Tierärzt*in ratsam.

Die Grundimmunisierung sollte zeitnah in Angriff genommen werden. (Foto: Equipics)

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