Fritz erläutert, dass sich bestimmte Anzeichen beim Pferd beobachten lassen, die auf einen geschädigten Pferdedarm hinweisen. Darunter zählen klassische Darmerkrankungen wie Durchfall, Kotwasser und Kolik, aber auch Blähungen weisen auf gasbildende Mikroorganismen hin, die in den Mengen nicht in den Darm gehören. Doch nicht jedes Pferd reagiert mit offensichtlichen Verdauungsstörungen. Bei manchen bemerket man es nur am PH-Wert vom Kot. Normalerweise sollte der Kot einen neutralen PH-Wert von ungefähr sieben haben. Bei sehr vielen Pferden finden sich saure PH-Werte, was ein Hinweis darauf ist, dass dort säurebildende Mikroorganismen im Übermaß wachsen. Auch grobe Fasern im Kot, die über einen Zentimeter hinausgehen, lassen Darmprobleme vermuten, da die Fasern augenscheinlich nicht optimal transportiert und verdaut werden können. Sie sorgen für eine rückläufige Peristaltik, sodass die Roh-Fasern im Dickdarm zirkulieren und immer wieder zurück transportiert werden, wodurch der Darm anfällig für Virus-Prozesse wird.
Blutbild sagt wenig über den Darm aus
Im Blutbild gibt es keine diagnostischen Parameter, die auf den Darm hinweisen. Es finden sich im Blut nur Hinweise darauf, ob beispielsweise Wurminfekte oder allergische Reaktionen stattfinden, sodass ein Bluttest zur Bestimmung von Darmerkrankungen zu unspezifisch ist und keinerlei Aufklärung dazu liefert, wie es um das Mikrobiom steht. Es gibt bisher nur einen diagnostischen Wert, der einen groben Richtwert liefert, und das ist der Indikanwert, den man aus dem Urin bestimmen lassen kann. Dieser sollte bei null sein. „Ist der Indikanwert bei eins, ist das zwar nicht optimal, aber es ist noch kein Drama“, so Fritz. Liegt der Wert zwischen zwei und vier, weiß man definitiv, dass Fehlgärungs- und Fermentierungsprozesse im Darm stattfinden, die man dort nicht haben will. Dennoch weiß man nicht, was dort passiert und welche Mikroorganismen dort wachsen. Genau darin liegt die Schwierigkeit, die es diagnostisch nur schwer sagen lässt, ob der Darm gesund ist oder nicht. „Insbesondere, wenn die Pferde dem Auge nach ganz normale Äppel machen, die weder sauer noch scharf riechen, ist es schwer, die Darmgesundheit unter Stallbedingungen herauszufinden, ohne das Pferd für eine Stanzbiopsie in die Klinik zu fahren“, erklärt die Expertin.
„Immer mehr Labore bieten Darmflora-Analysen an, dabei weiß man überhaupt nicht, wie ein gesundes Mikrobiom auszusehen hat“, merkt Fritz an. Sie erklärt, dass die Untersuchungen, die zur Darmflora publiziert worden sind, alle an Versuchspferden durchgeführt wurden, die an den Universitäten für verschiedene Experimente herangezogen wurden. „Da kommt es vor, dass den Pferden für ein paar Monate Heulage für ein Experiment gefüttert wird und der Nächste macht einen Versuch, wo es um Gerste geht und den Pferden wird Gerste gefüttert. Daher kann man nicht davon ausgehen, dass diese Pferde auch nur annähernd eine gesunde Darmflora besitzen.“ Sie ist überzeugt, dass man erstmal bei Wildpferden schauen müsse, wie dort ein Mikrobiom aussieht und sich diese in den verschiedenen Lebensräumen angucken sollte, da Pferde in einer mongolischen Steppe ganz anders leben und vermutlich ein andersartiges Mikrobiom haben als Dülmener Wildpferde, die in der norddeutschen Ebene auf saftig grünem Gras stehen oder aber Pferde, die in der Namibwüste in freier Wildbahn leben. Erst dann könne man mit den gesunden Hauspferden anfangen und später kranke Hauspferde untersuchen, um langsam eine Idee von der gesunden Darmflora zu bekommen.
Diversität sorgt für Gesundheit
Die Expertin für Stoffwechseltherapie berichtet, dass die Forschung in diesem Bereich bereits Fortschritte mache und erste Veröffentlichungen erschienen seien, bei denen man sich wildlebende Przewalski-Pferde in der Mongolei angeschaut habe, von denen man eine gesunde Darmflora erwartet, da sie ansonsten nicht überleben könnten. Im Vergleich zu den wildlebenden Pferden wurde das Mikrobiom von den domestizierten Pferden in der Mongolei betrachtet, die vergleichsweise naturnah gefüttert werden, bei denen dennoch schon große Unterschiede im Mikrobiom festgestellt werden konnten, die auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen seien. „Dennoch steckt die Forschung zur Darmflora in den Kinderschuhen und selbst beim Menschen weiß man nur, dass ein gesunder Darm zwischen 3000 und 5000 verschiedene Mikroorganismen haben soll, aber welche das genau sind, weiß man nicht.“ Beim Pferd gilt genau wie beim Menschen: Je größer die Diversität ist und je mehr unterschiedliche Mikroorganismen dort wachsen, umso gesünder und robuster ist der Organismus. Christina Fritz spricht sich aus dem Grund gegen Darmflora-Analysen im Labor aus, weil dort nur Bakterien betrachtet werden und damit nur ein Ausschnitt der Mikroorganismen, wodurch sich ein unvollständiges Bild ergibt, da neben Bakterien auch Pilze, Archaeen, Viren und Phagen im Darm leben, die wiederum Einfluss auf die Bakterien haben.
Sie rät davon ab, dem Pferd angezüchtete Bakterienpräparate zur Stärkung des Darms zu füttern, stattdessen können Pferdebesitzer die Darmflora ihres Pferdes durch natürliche pflanzliche Mittel beeinflussen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass abrupte Änderungen in der Fütterung eine Belastung und Stress für das Mikrobiom darstellen. Das Darmsystem ist sehr sensibel, weshalb es problematisch ist, ein Futtermittel über ein paar Tage auszuprobieren und dann wieder wegzulassen. Um Stress für das Mikrobiom zu vermeiden, sollten Futtermittel langsam eingeschlichen werden, indem es ein paar Tage zu dem gewohnten Futter dazu genommen wird. Der Pferdehalter sollte es aber genauso behutsam auch wieder ausschleichen, damit kein abrupter Wechsel stattfindet. Insbesondere der Frühling und der Herbst sind durch die Anweide- und Abweidezeit stressige Jahreszeiten für den Pferdedarm, die zusätzlich noch mit dem Fellwechsel zusammenfallen, welcher sowieso sehr belastend für den Stoffwechsel ist, da die Leber und Niere doppelt arbeiten müssen. Durch den anstrengenden Fellwechsel und die Futterumstellung ist das Immunsystem geschwächt, wodurch sich die Pferde schnell einen Infekt einholen können.