Barhuf besser unterwegs? Ein Blick auf einen neuen „Trend“

Hufeisen oder nicht? Immer mehr Pferde sind ohne Eisen unterwegs. Foto: RebeccasPictures

Barhuf zum Olympiasieg und Weltmeistertitel? Die schwedischen Springreiter haben es vorgemacht. Und mittlerweile weiß man auch: Henrik von Eckermanns King Edward, Weltmeister und das vielleicht derzeit beste Springpferd der Welt, ist ohne Eisen unterwegs. 

EM-Aus aufgrund von fehlenden Eisen? Auch das ist King Edward. Da der Wallach auf Grasboden leichter ausrutscht, weil ihm die Eisen und damit auch die Stollen fehlen, wird er bei den diesjährigen Europameisterschaften nicht antreten.  Wir haben uns mit Felicia Wehrenpfennig, Fachtierärztin für Pferde mit eigener Praxis, über die Vorteile und Herausforderungen unterhalten, welche das Thema „Barhuf“ mit sich bringt.

Barhuf unterwegs

Mittlerweile sind nicht nur viele Pferde im schwedischen Kader, sondern auch in Deutschland einige bekannte Springpferde ohne Eisen unterwegs. Erst jüngst wurde bekannt, dass Christian Kukuk mit seinem Mumbai auf den Großen Preis von Aachen verzichtete, weil der Grasboden für das unbeschlagene Pferd nicht optimal war. „Bei der Global Champions Tour in den letzten Wochen und Monaten wurde er je nach Boden beschlagen oder er lief barhuf, aber dieser häufige Wechsel ist in Summe und kurzen Intervallen natürlich nicht ideal“, erklärte Kukuk. „Wir möchten, dass er sich so gut wie möglich fühlt, und Mumbai gibt mir gerade ein besseres und zufriedeneres Gefühl ohne Eisen.“

Auch die Weltmeisterin von 2018, Simone Blum, wagte im vergangenen Jahr das Experiment „Barhuf“. Allerdings gab sie zu, dabei mit einer großen Herausforderung konfrontiert worden zu sein. „Im Winter, als die Pferde ohnehin Pause hatten oder weniger intensiv auf Turnieren vorgestellt wurden, haben wir es probiert“, beschreibt sie. „Wir haben insgesamt achtzehn Pferde auf einmal umgestellt. Kein Pferd war fühlig, lief schlecht oder hatte andere Probleme damit. Allerdings sind wir auch sehr behutsam und mit professioneller Unterstützung durch Tierarzt und Schmied vorgegangen, was ich jedem ans Herz lege. Die Eisen wurden entfernt, die Hufe daraufhin ausgeschnitten, und mit Wärmebildkamera untersucht, Ganganalysen durchgeführt und Vorher-Nachher-Aufnahmen gemacht und aufgezeichnet. So werden wir im Blick behalten, wie die Hufe sich verändern.“ Simone Blum hat den Eindruck, dass einige ihrer Pferde durch das Barhuflaufen tatsächlich entlastet werden, allerdings wurde ein Teil auch zur Turniersaison wieder beschlagen. „Den Winter möchten wir allerdings als Barhufzeit beibehalten“, erklärt sie. „Allerdings muss ich eines ganz deutlich sagen: Man spart absolut kein Geld, wenn man sein Pferd auf Barhuf umstellt. Diese Annahme ist jedoch weit verbreitet. Bei uns kommt der Hufpfleger noch engmaschiger und mindestens alle vier Wochen.“

Auch der Franzose Julien Epaillard reitet seine Pferde ohne Eisen, allerdings betont er immer wieder, dass „barhuf kein Allheilmittel“ sei, sondern vielmehr eine Option, die man näher betrachten sollte. 

In dieser Hinsicht gibt ihm Felicia Wehrenpfennig, Tierärztin mit eigener Praxis in Verden, recht. „Man sollte Barhuf nicht wie früher partout ausschließen, sondern es als Möglichkeit betrachten. Aber man sollte sich gleichzeitig der Herausforderung einer Umstellung bewusst sein“, betont sie.

Epaillard beschreibt, dass er hauptsächlich deshalb seine Pferde barhuf durch den Parcours und durchs Leben laufen lässt, weil er den Eindruck gewonnen hat, dass ihre Gelenke deutlich weniger belastet werden. „Vorsorgeuntersuchungen finden bei unseren Pferden genauso häufig wie vorher statt, allerdings muss ich betonen, dass wir kaum noch Behandlungen an den Sehnen und Gelenken haben.“ Die Euphorie bremst er jedoch sofort ein. „Wer auf Barhuf umstellt, muss sich darauf einstellen, dass es ein zeitaufwändiger Prozess ist, während dem es auch Abstriche zu machen gilt.“

Barhuf Pferde müssen häufiger zum Schmied oder zur Hufbearbeitung. Foto: Petra Heike Laicher.

Barhuf, aber richtig

„Wer sich für Barhuf entscheidet, darf nicht denken, dass dies eine Art Back to Nature ist“, erläutert Felicia Wehrenpfennig. „Die Umstellung auf Barhuf ist ein aufwändiger Prozess und die Pflege der Hufe zudem intensiver. Barhuf zu reiten, kann Vorteile mit sich bringen, wenn man alles richtig macht. Allerdings müssen gerade Reiter, die eben keinen großen Top-Turnierstall betreiben, sich darüber im Klaren sein, welche Möglichkeiten den Reitern auf diesem hohen Niveau zur Verfügung stehen. Das sind Anlagen, die alles bieten, was möglich ist. Außerdem ist die Versorgung durch Tierärzte und Hufschmiede jederzeit gegeben. Jeder, der einen Prozess wie die Umstellung auf Barhuf plant, muss sich zunächst fragen: Kann ich meinem Pferd alles bieten, was dafür nötig ist?“

Sie erklärt allerdings auch, dass es absolut positiv zu werten ist, dass man heutzutage über den Tellerrand blickt und „nicht jedes Pferd mit spätestens vier Jahren an allen vier Hufen beschlagen wird. Dass mittlerweile das Bewusstsein geschaffen wurde, dass Pferde barhuf unterwegs sein können, ist wichtig. Allerdings gilt es nun auch gegenzusteuern und aufzuzeigen, dass es Ausschlussgründe dafür gibt und dass der Prozess Arbeit bedeutet.“

Nicht möglich ist das Barhuflaufen für Pferde, die mit bestimmten orthopädischen Problemen konfrontiert sind. „Wenn die Pferde im hinteren Hufbereich eine Erhöhung benötigen, ist Barhuf natürlich keine Option“, beschreibt Wehrenpfennig, die als Tierärztin für den Jugendkader-Fahren unterwegs ist. 

Auch die „genetische Komponente“ spiele eine entscheidende Rolle, erläutert sie. „Welche Hornqualität bringt mein Pferd mit? Das kann der Pferdehalter allein nicht überblicken. Hier gilt es mit dem Tierarzt und Hufschmied zusammenzuarbeiten, um die bestmögliche Lösung für das Pferd zu erlangen. Übrigens ist der Schmied des Vertrauens die beste Option für die Umstellung, denn er kennt das Pferd, die räumlichen Umstände und den Zustand der Hufe. Man muss sich nicht nach einem speziellen Hufbearbeiter suchen.“ 

Pferd ist nicht gleich Pferd, muss man letztendlich konstatieren. Wenn ein Pferd einen eher ausladenden Platthuf hat, wird dieser durch Eisen eher in Form gehalten. „Bei Pferden, die zum Zwanghuf neigen oder bei denen der Strahl schnell verkümmert, kann dagegen Barhuf dazu beitragen, dass der Huf schneller in einen gesunden Zustand gelangt.“

Einfacher als eine Umstellung ist, ein Jungpferd von vornherein nicht zu beschlagen, da hier das Hornwachstum dann natürlich seinen Lauf nimmt. Allerdings ist auch hier zu betonen, dass die passende Pflege durch Profis ein Muss ist.

Reiten auf einem reinen Sandplatz kann die Hufe stark abnutzen. Foto: Pixabay

Der Prozess braucht Zeit

Woran viele Reiter auch nicht denken, ist die Tatsache, dass der Umstellungsprozess Zeit braucht. „Man muss mit ungefähr einem Jahr rechnen, bis die Umstellung komplett vollzogen ist“, so die Tierärztin. „Erst dann ist der Tragrand so weit heruntergewachsen, dass er das Pferd vollständig trägt und die Hornqualität ausreichend, damit es wieder wie zuvor im Parcours etc. unterwegs sein kann. Das Training und die Turnierplanung muss man als Reiter diesem Prozess anpassen und zurückstecken.“

Die jeweiligen Böden spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Denn auch wenn auf den Top-Turnierplätzen der Welt sowie vielen großen Reitanlagen perfekte Bedingungen herrschen, muss dies nicht im eigenen kleineren Stall der Fall sein. „Sandböden können beispielsweise eine hohe Belastung darstellen, wenn das Pferd barhuf unterwegs ist“, erklärt Felicia Wehrenpfennig. „Sie haben eine extrem schmirgelnde Komponente. Wenn auf dem Reitplatz wiederum geeignete Zuschlagstoffe verwendet werden, kann dies schon wieder ganz anders aussehen. Aber es ist ohne Eisen eben nicht so leicht möglich, sich auf den jeweiligen Boden einzustellen. Mit Eisen gibt es immer die Option, passende Stollen für die Gegebenheiten einzudrehen. Das hat man beim Barhufreiten nicht.“

Auch hinsichtlich des Reitens im Gelände muss sich der Reiter bewusst sein, dass er vermehrt auf Hufschuhe zurückgreifen muss. „Man muss sich um wirklich gute Hufschuhe kümmern, da sonst Sand zwischen Hufschuh und Ballen geraten und stören kann.“

Wichtig ist zudem, das Pferd regelmäßig nicht nur dem Schmied zur Bearbeitung der Hufe, sondern auch dem Tierarzt vorzustellen. „Sonst besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass sich eine schleichende Huflederhautentzündung entwickelt“, betont Wehrenpfennig. „Auch der Reiter sollte aber stets im Blick behalten, ob sein Pferd sich unregelmäßig bewegt. Hier ist viel Eigeninitiative gefragt. Auch die weiße Linie sollte man auf etwaige Einblutungen kontrollieren.“

Neben diesen Punkten sollte auch die Versorgung mit Mineralfutter passen bzw. angepasst werden, erläutert die Tierärztin. Sinnvoll kann dafür auch eine Blutprobe sein, um den aktuellen Status zu analysieren und mit geeigneten Ergänzungsfuttermischungen einzuwirken. „Was genau zugefüttert werden muss, ist immer von den regionalen Gegebenheiten abhängig. Manche Regionen sind selen- und zinkarm, sodass dort eine Zufütterung nötig ist und das Futter entsprechend angepasst werden muss.“

Abschließend zieht Felicia Wehrenpfennig folgendes Fazit: „Es wäre gut, wenn jeder Reiter bei seinem Pferd sich die Frage stellt, wie es am besten unterwegs ist. Wenn die Antwort begründet „mit Eisen“ lautet, dann ist das ebenso korrekt, wie wenn sich jemand bewusst entscheidet, mit seinem Pferd den Umstellungsprozess auf „barhuf“ zu gehen. Bei vielen Pferden steht dem aus gesundheitlichen Gründen bzw. den Gegebenheiten vor Ort oder der Nutzung des Pferdes im Allgemeinen nichts entgegen.“

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