Das Auge füttert mit

Fotos: Equipics

Die Weidesaison endet und die Turniere werden weniger und damit ändert sich in Herbst und Winter auch der Futterbedarf für die Pferde. Zudem sind Fellwechsel und Immunsystem jetzt Dauerthema. Wir haben mit Fütterungsexpertin Julia Krug über die wichtigen Anpassungen der Fütterung gesprochen.

In erster Linie unterscheidet sich der Bedarf entsprechend der Haltung. Sind die Pferde den Sommer über 24 Stunden auf der Wiese oder nur stundenweise? Werden sie das ganze Jahr hindurch trainiert oder wird im Winter eine kleine Trainingspause eingelegt? „Es wird sehr viel Aufwand um das Anweiden der Pferde betrieben und minutengenau mit der Stoppuhr kontrolliert, dass sich das Pferd nicht am Gras überfrisst, aber ans Abweiden denkt dann irgendwie kaum einer. Natürlich sollte das nicht genau so erfolgen wie das Anweiden, da müssen auch die veränderten Witterungsverhältnisse bedacht werden“, erklärt die unabhängige Futterberaterin. „Wenn die Pferde aber den Sommer über ausschließlich mit Weidegras gefüttert wurden, dann sollte die Umstellung auf Heu oder anderes Raufutter schrittweise erfolgen. Wenn das nicht passiert, kann der Pferdedarm schnell überfordert sein.“ Schon bevor die Pferde wieder aufgestallt werden, sollte mit der Zufütterung von Raufutter auf der Weide begonnen werden. „Um die tatsächlichen Veränderungen im Bedarf auszumachen, muss man zunächst sehen, wie viele Stunden das Tier täglich auf der Weide verbracht hat. Wir Futterberater rechnen dabei immer in über oder unter vier Stunden. Alles, was unter vier Stunden ist, hat keinen großen Einfluss auf die Rationsberechnung, weil der Anteil der Gesamtfuttermenge verschwindend gering ist“, macht die Expertin deutlich. Denn je nachdem, wie groß der Weidegrasanteil täglich ist, muss auch die Winterration angepasst werden.

Vorsicht am Ende der Weidesaison

„Wenn es nachts richtig kalt wird und die Pferde dann morgens wieder auf die Weide kommen, steigt die Hufrehegefahr. Denn durch die frostigen Nächte und die warmen Tage wächst das Gras noch mal immens und der Fruktangehalt im Halm ist sehr hoch. Dadurch werden auch abgefressene Wiesen oftmals unterschätzt“, beschreibt die Futterexpertin. In dieser Zeit des Jahres empfiehlt sie Besitzern von hufrehegefährdeten und auch magen-darm-sensiblen Pferden, besondere Vorsicht walten zu lassen. Hier sind dann häufig Koliken oder Kotwasser die Folge. Diese Pferde sollten dann lieber erst nachmittags auf die Weide gestellt werden oder auf dem Paddock ein paar schöne Stunden verbringen.  

Gras durch Saftfutter ersetzen

Einige Besitzer ersetzen das fehlende Koppelgrün durch Karotten, um die Saftfutterkomponente beizubehalten. „Das finde ich an sich nicht verkehrt, jedoch sollten nicht 20 Kilo Mohrrüben pro Pferd/pro Woche verfüttert werden. Das ist dann deutlich zu viel. Bei einem 500 Kilo Warmblüter, der auch ordentlich bewegt wird, kann ruhig ein Kilo Karotten täglich gefüttert werden, das ist aber auch kein Muss. Man sollte den Zucker in den Mohrrüben nicht unterschätzen“, verdeutlicht Krug. Grundsätzlich sollte immer die Nutzung des Pferdes im Verhältnis zur Fütterung stehen. Wenn also im Herbst/Winter weniger intensiv trainiert wird, sollte auch die Kraftfuttermenge reduziert werden. Wird das nicht gemacht, werden die meisten Pferde über den Winter sehr dick, was die Gefahr für Krankheiten erhöht. „Man darf nicht vergessen, dass das Pferd einen Jahresrhythmus hat, in der Regel nimmt es über den Sommer tendenziell eher zu und darf dann im Winter etwas abnehmen“, erklärt Julia Krug.

Neuer Bedarf

Wer jetzt denkt, er reduziert im Herbst einfach das Kraftfutter um die Hälfte und stockt das Raufutter auf, denkt zu kurz. „Ich als Futterberaterin bin natürlich Freund von präzisen Bedarfsberechnungen. Wobei es sich dabei, wenn man ehrlich ist, immer um Schätzungen handelt. Es ist nicht möglich, den Bedarf des Pferdes 100-prozentig zu ermitteln“, gesteht Krug. Vielmehr greifen sie und ihre Berufsgenossen auf Erkenntnisse aus Studien zurück, die sich dann anhand von Rasse, Alter, Training und Futterzustand anpassen lassen. „Besonders wichtig ist dabei der Punkt Aktivität, denn viele Reiter schätzen das Aktivitätsniveau ihres Pferdes völlig falsch ein. Viermal wöchentliches Reiten ist keine schwere Arbeit für das Tier“, macht die Expertin deutlich. „Viele stoßen in ihrer Recherche auf Bedarfstabellen im Internet, schätzen aber ihr eigenes Pferd völlig falsch ein.“ Pferde, die nur leichte bis mittlere Arbeit verrichten, haben nur den Erhaltungsbedarf. „Die allermeisten Pferde, die im Turniersport auf A- bis L-Niveau geritten werden, verrichten leichte bis maximal mittelschwere Arbeit. Aber im Bereich der mittelschweren Arbeit sind dann meist eher die Vielseitigkeitspferde zu sehen“, klärt die Futterberaterin auf. Die Bedarfsbestimmung kann durch einen Futterberater erfolgen oder vom Besitzer selbst ermittelt werden. Im Internet finden sich viele Anhaltspunkte und Tabellen, die bei der Analyse behilflich sind. „Dabei ist es wichtig, auf die Zusammensetzung und die Nährstoffe im Futter zu achten.“

Ein Beispiel: „Ein 500-Kilo-Warmblut, das regelmäßig bewegt wird und nicht übergewichtig ist, sollte pro 100 Kilogramm Körpergewicht mindestens 1,8 Kilogramm Heu bekommen. Damit ist die Grundversorgung sichergestellt“, erläutert Krug. Der Kraftfutterbedarf ist abhängig von der tatsächlichen Arbeit, die das Pferd leisten muss.

Es ist durchaus sinnvoll, die Pferde nach der Weide wiegen zu lassen, um das tatsächliche Körpergewicht festzustellen. Wer es regelmäßig kontrollieren lässt, weiß auch, wie das Normalgewicht des Pferdes ist. „Entscheidend ist dabei das Verhältnis von Fett zu Muskelmasse, der sogenannte Body Condition Score“, sagt Julia Krug.

Wer in Richtung Winter den Stoffwechsel seines Pferdes unterstützen möchte, kann dies mit Kräutern wie Artischocke, Mariendistelsamen, Brennnessel oder Birkenblättern tun. „Aber auch energiereiches Öl kann hier hilfreich sein“, nennt Krug Beispiele. Zudem steigt in der Zeit der Bedarf an Aminosäuren, dieser kann beispielsweise durch Leinsamen oder Bierhefe gedeckt werden. Um das Immunsystem zu unterstützen, eignen sich beispielsweise Hagebutten und Sanddorn, weil dies viel Vitamin C enthält. Außerdem empfiehlt sich die Fütterung kaltgepresster Öl, die reich an Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E sind.

Ältere Pferde

Bei Pferden verlangsamt sich der Stoffwechsel im Alter, dadurch ist auch die Nährstoffaufnahme verschlechtert. Dazu kommt häufig das Problem der Zahngesundheit „Die Folge ist meist, dass man ein älteres Pferd mehr füttern muss. Oft reicht nur Heu nicht mehr aus. Hier ist es eine gute Alternative, Heu- oder Luzernecobs zuzufüttern. Aber auch sehr kleine Mengen Sojaschrot können eingesetzt werde. Bei Tieren, die Probleme beim Kauen haben, rate ich zu eingeweichten Futtermitteln oder kaltgepresstem Leinöl“, rät die Expertin. „Es hält sich leider seit Jahrzehnten das Gerücht, Pferde könnten Öl nicht verdauen, weil sie keine Gallenblase haben. Aber Pferde entwickeln Gallenflüssigkeit in der Leber und können somit wunderbar Öl verdauen und Fette aufspalten“, stellt sie klar. Vorbereitend auf den Winter sollte besonders bei älteren Pferden darauf geachtet werden, dass diese wohlgenährt und nicht zu dünn in den Winter gehen. „Bei älteren Pferden empfehle ich immer, sie schon frühzeitig einzudecken, weil die Temperaturregulation die Pferde sehr viel Energie kostet“, so Krug.

Abgesetzte Fohlen

Wenn im Herbst die Fohlen von der Mutter getrennt werden, bedeutet das sehr viel Stress für beide Pferde. Entscheidend ist dabei auch die Herangehensweise, der Stress wird größer, wenn die Pferde von einem Tag auf den anderen einfach getrennt werden. Besser ist es, bereits im Vorfeld Stute und Fohlen für länger werdende Zeiträume immer wieder zu trennen. „Das ist auch angenehmer für die Stute, weil durch die regelmäßige Trennung die Milchproduktion heruntergefahren werden kann“, erläutert die Futterberaterin. Stuten, die Milch geben, werden in der Regel sehr viel gefüttert, um die Milchleistung zu erhalten. Doch wenn es dem Absetzen entgegengeht, macht es Sinn, das Futter stark herunterzufahren, damit die Milchproduktion ebenfalls reduziert wird. Viele Fohlen werden verlieren nach dem Absetzen zunächst deutlich an Gewicht, was völlig natürlich ist. „Ich warne immer davor, die Fohlen dann übermäßig zu füttern, weil das auch nachhaltig zu Schäden führen kann. Natürlich muss der Wegfall der Muttermilch aufgefangen werden, darum sollte das Fohlen noch vor der Trennung bereits mit einem Fohlenergänzungsfutter versorgt werden. Und dieses Futtermittel sollte es dann auch über das Absetzen hinaus bekommen. Es enthält leicht verfügbares und hoch dosiertes Eiweiß“, so Krug. In den ersten zwölf Monaten wachsen die Fohlen sehr viel und haben entsprechend einen sehr hohen Bedarf an Mineralien und Nährstoffen wie Kalzium und Phosphor. „Eine Unterversorgung mit Kalzium kann zur Bildung von Chips führen“, warnt die Futterexpertin. Jedoch verwerten auch Fohlen das Futter sehr unterschiedlich, weshalb das Auge auch hier immer mitfüttern sollte.

Foto: Privat

Unsere Expertin:

Julia Krug ist unabhängige Futterberaterin aus Hamm (Westf.) Sie bietet sowohl Vor-Ort- als auch Onlineberatungen an. Zudem bietet sich Weiterbildungen im Bereich Pferdefütterung an. Weitere Infos finden sich unter: www.futterberatung-krug.de.

Body Condition Score (BCS)

Der BCS zeigt den Ernährungszustand des Pferdes an. Dabei werden sechs definierte Körperregionen analysiert. Diese sind Hals, Schulterpartie, Rippen der Brustwand, Rücken und Kruppe, Hüpfhöcker sowie die Linie zwischen Schweifansatz und Sitzbeinhöcker. Die Regionen werden abgetastet, um Fett und Knochen zu begutachten. Der Bauchumfang des Pferdes sagt hingegen nichts über die Fettreserven des Pferdes aus. Denn dieser schwankt extrem je nachdem wie stark der Dickdarm gefüllt ist. Zudem kann ein dicker Bauch auch die Folge von falschem Training oder fehlender Bauchmuskulatur sein.

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