Winter Mahlzeit

Die tägliche Futteraufnahme sollten zu 70 Prozent aus Raufutter gedeckt bestehen. Foto: Slawik

Raufutter muss für Pferde den Großteil (mindestens 70 Prozent) ihres täglichen Nahrungsangebots ausmachen. Doch wie verhält es sich darüber hinaus mit der Fütterung im Winter? Sollte der Pferdehalter daran denken, die Fütterung von Kraft-, Mineralfutter und Co. umzustellen? Dr. Julia Mack, die über mehrere Jahre hinweg für die Fütterung der Tiere des Haupt- und Landgestüt Schwaiganger tätig war und heute als Tierärztin und Fütterungsexpertin mit eigener Praxis unterwegs ist, stand Rede und Antwort.

Die Biologie des Pferdes beachten

Eine Anpassung der Fütterung im Winter kann in erster Linie im Hinblick auf den benötigten täglichen Energiebedarf erforderlich sein. „Dieser hängt von mehreren Faktoren ab wie Haltungsform, Witterungsbedingungen, Arbeitsanforderungen, Haarkleid, Rasse und individuellen Faktoren wie Temperament etc.“, erklärt Dr. Julia Mack. „Grundsätzlich ist es so, wenn man das Pferd evolutionsbiologisch betrachtet, dass Pferde in freier Wildbahn immer eine Fluktuation ihres Ernährungszustands mit den Jahreszeiten aufweisen. Das bedeutet, dass sie sich im Spätsommer/Herbst einen gewissen „Winterspeck“ anfressen, der dann kontinuierlich abnimmt, sodass sie zu Beginn des Frühjahrs eher untergewichtig sind. Dies wird dann wieder aufgeholt, wenn der junge Aufwuchs des Grases im Frühjahr beginnt. Daher ist es für Pferde durchaus physiologisch, gewisse Veränderungen ihres Ernährungszustands gemäß den Jahreszeiten durchzumachen. Nichtsdestotrotz sollten diese Veränderungen sich in einem vernünftigen Rahmen bewegen. Bei Sportpferden sind sie in aller Regel, da diese ja das ganze Jahr über Leistung erbringen müssen, ohnehin eher unerwünscht.“

Bei Temperaturen ab 5 Grad erhöht sich der Energiebedarf. Foto: Slawik

Hinsichtlich der Umgebungstemperaturen ist es so, dass es eine sogenannte „thermoneutrale Zone“ gibt. Solange sich die Umgebungstemperaturen innerhalb dieser Zone bewegen, muss das Pferd keine zusätzliche Energie für Thermoregulation, also für Anpassungsleistungen an die jeweilige Außentemperatur, aufwenden. „Die untere kritische Temperatur, also diejenige Temperatur, ab der Anpassungsleistungen an kältere Temperaturen unter Energieaufwand erforderlich sind, liegt zwischen -15 und +5°C“, erläutert Dr. Mack. „Die große Spanne erklärt sich vor allem durch unterschiedliche Anpassung von Rassen und Individuen. Ein Pferd mit dickem Winterfell kann zum Beispiel bei +15°C bereits ohne körperliche Anstrengung schwitzen, während ein Pferd, das geschoren ist oder dünnes Sommerfell hat, bei +5°C bereits Kältezittern, das ebenfalls Energieverbrauch nach sich zieht, zeigen kann. Auch Nässe und Wind – vor allem bei Offenstall- oder Weidehaltung, wo die Pferde diesen Einflüssen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind – können Einfluss auf den Energiebedarf nehmen.“

Box oder Offenstall

Unterschiede in der Fütterung ergeben sich folglich durch verschiedenartige Haltungsbedingungen. Gerade im Winter, wenn frisches Weidegrün keine Rolle mehr spielt, haben diese eine besondere Bedeutung. „Bei einem im Offenstall gehaltenen Pferd kann, je nach individueller Disposition und Rassezugehörigkeit, ein erhöhter Energiebedarf von ungefähr 10 Prozent erwartet werden, bei ganz extremen Witterungsbedingungen oder fehlender Anpassung durch zum Beispiel ein dickeres Haarkleid, die aber in unseren Breiten eher selten vorkommen, auch bis zu 20 Prozent“, beschreibt Dr. Julia Mack.

Dieser erhöhte Energiebedarf muss durch ein erhöhtes Futterangebot ausgeglichen werden, um den Ernährungszustand zu erhalten.

„Bei Pferden in Boxenhaltung sollte die Stalltemperatur der Außentemperatur angepasst folgen, das heißt die Stalltemperatur sollte nicht ganzjährig exakt auf demselben Niveau gehalten werden, sondern jahreszeiten-entsprechend mit der Außentemperatur fluktuieren, ohne die absoluten Extreme wie große Hitze und strenger Frost mitzumachen“, so Dr. Julia Mack. Dies trainiert auch das Immunsystem des Pferdes. „Bei Boxenpferden spielt es eine Rolle, ob sie ein den Stalltemperaturen angepasstes Winterfell entwickeln dürfen oder ob sie eingedeckt oder geschoren sind. Bei Pferden, die eingedeckt und/oder geschoren sind, kann es erforderlich sein, die Futtermenge ein wenig nach oben anzupassen, um den etwas erhöhten Energiebedarf durch den Wärmeverlust an den Bereichen mit dünnem Haarkleid, die nicht von der Decke bedeckt sind, auszugleichen.“

Öle können beim Fellwechsel unterstützen. Foto: Equipics

Veränderte Arbeitsbedingungen

Zudem gilt es im Winter zu berücksichtigen, inwieweit sich die Arbeitsleistung des Pferdes verändert. „Wenn ein Pferd im Winter abtrainiert wird, da der Reiter insbesondere im Frühjahr, Sommer und Herbst verstärkt arbeitet und im Winter eher eine ruhigere Erholungsphase ansteht, muss dem durch eine entsprechend reduzierte Fütterung Rechnung getragen werden“, beschreibt Dr. Julia Mack. „Umgekehrt ist für viele Turnierpferde der Winter die Jahreszeit, in der neue Lektionen erlernt oder höhere Anforderungen geprobt werden und daher das Training mindestens so intensiv ist wie in den übrigen Jahreszeiten, sodass eventuell sogar eine Erhöhung des Energiebedarfs besteht.“

Immunsystem stärken

Bei vielen Pferden treten im Winter Erkältungen und Bronchitis auf. Es gibt Möglichkeiten, das Immunsystem aktiv zu unterstützen, etwa durch Zusatz von Omega-3-Fettsäuren oder Antioxidantien, sprich Vitamin E und C. „Bei Infektionen der Atemwege bietet sich vor allem eine Unterstützung der Immunabwehr an, indem besonders darauf geachtet wird, dass die Fütterung bedarfsdeckend ist. Wichtig sind im Zusammenhang mit der Immunabwehr vor allem die Vitamine A, E und der B-Komplex, außerdem Selen und Zink sowie Magnesium“, beschreibt Mack weiter. „Insbesondere sollte auch der Bedarf an essentiellen Aminosäuren, also denjenigen, die der Körper nicht selbst herstellen kann, sicher gedeckt sein. Des Weiteren wird den essentiellen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren nicht nur eine Rolle im Entzündungsgeschehen zugeschrieben, sondern auch im Hinblick auf die Immunabwehr. Wenn Pferde ausreichend qualitativ hochwertiges Raufutter erhalten, ist der Bedarf insbesondere an für die Immunabwehr vermutlich wichtigen Omega-3-Fettsäuren regelmäßig gedeckt. In Zeiten erhöhten Bedarfs, wie möglicherweise während der Übergangszeit von Herbst zu Winter oder im Winter, wenn das Risiko für Atemwegserkrankungen erhöhte sein kann, kann aber der zusätzliche Einsatz von Leinöl, das reich an der Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure ist, in der Ration hilfreich sein, sofern das Pferd nicht von (Risiko für) Übergewicht betroffen ist.“

Bei der Gabe von Kräutern rät die Fütterungsexpertin zu einer Absprache mit dem zuständigen Tierarzt. Thymian wirkt beispielsweise bei Pferden sehr gut.

Mash regt die Verdauung an. Foto: Equipics

Hagebutten: Hagebutten fördern die Immunabwehr. Foto: Metzdorf

Tee und Mash

Ob warme Futtermittel wie Tee und Mash tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Pferdegesundheit durch ihre Wärme haben, ist unter Experten umstritten. Mehrere Studien erklären mittlerweile, dass das Pferd einen völlig anderen Magen und Verdauungstrakt hat und daher auch Wärme anders verwertet. Dennoch kann warmes Mash oder Tee den Appetit anregen, was bei einer Erkrankung positiv zu werten ist. Besonders wichtig im Winter sind regelmäßige Mahlzeiten, sodass immer ausreichend Energiezufuhr, die nun vermehrt benötigt wird, vorhanden ist.

Beigemischt können in das klassische Mash aus Weizenkleie und Leinsamen etwa Kräuter wie Thymian, Ingwer, Kamille, Minze oder Spitzwegerich, Bierhefe oder auch Pflanzenöle wie Leinöl.

Hagebutten sind unter den Früchten der absolute Vitamin-C-Booster und im Grunde der einzige, der auf das Immunsystem des Pferdes einen echten Einfluss hat.

Fazit

Dr. Julia Mack erläutert: „Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass im Winter ebenso wie zu anderen Jahreszeiten die vom Pferd geforderte Leistung einen Hauptaspekt darstellt, inwieweit die Fütterung angepasst werden muss. Wenn also der Reiter im Winter lieber im Warmen sitzt und das Pferd weniger arbeitet als sonst, kann eine Reduktion der Futtermenge – bevorzugt des Kraftfutters – erforderlich werden. Ansonsten muss individuell auf die genannten Faktoren wie z.B. Rasse, Haltungsform, Witterung, individuelle Aspekte des einzelnen Pferdes etc. eingegangen werden, um zu entscheiden, inwieweit eine Anpassung der Fütterung erforderlich ist.“

Sie hat allerdings noch einen Ratschlag parat, der den Herbst und das Frühjahr betrifft. „Vor allem in der Zeit des Fellwechsels ist besonders wesentlich, dass die Ration des Pferdes hinsichtlich der benötigten Nährstoffe – Eiweiß, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine – bedarfsdeckend ist, da der Körper hier eine große Syntheseleistung erbringt. Nichtsdestotrotz darf man hier nicht dem Irrtum verfallen, dass viel füttern viel hilft – eine Überversorgung mit einzelnen Nährstoffen kann mindestens genauso schädlich sein wie eine Mangelversorgung.“

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