Idealbedarf kennen und erkennen

Die Futterration sollte immer wieder neu an den Bedarf angepasst werden. (Fotos: Equipics)

Jede Jahreszeit birgt seine Besonderheiten, je nach Saison ändert sich der individuelle Fütterungsbedarf und einige Eckpunkte müssen beachtet werden, um das Pferd das gesamte Jahr über optimal zu versorgen. Wir sprechen mit drei Futterexpertinnen über die Grundlagen einer idealen Versorgung.

Vorweg: Zu jeder Zeit sollten ausreichend qualitativ hochwertiges Raufutter und eine gute Trinkwasserqualität zur Verfügung stehen. Außerdem gilt es bei Turnierpferden immer, die aktuelle Liste der verbotenen Substanzen inklusive der Karenzzeiten zu beachten. Alle folgenden Angaben sind immer Richtwerte und für jedes Pferd individuell zu beachten.

 

Frühjahr

 
Turniervorbereitung


Immer mehr Pferde aller Rassen leiden unter Magenschleimhautreizungen oder sogar Magengeschwüren. Gründe dafür können Haltung, Stress, Fütterung, Turniereinsatz oder auch medikamentöse Therapien sein. Empfindliche Pferde können mit einem geeigneten Magenschutzmittel auf die Turniersaison vorbereitet werden, außerdem hilft eine getreidearme Fütterung. Zudem sollte bedacht werden, dass Säuren wie Salzsäure, kurzkettige Fettsäuren und Gallensäure Magenschleimhautreizungen begünstigen. „Im Idealfall sollten keine Fresspausen von mehr als sechs bis acht Stunden entstehen. Vorbeugend sollten auch keine zu hohen Kraftfuttermengen gefüttert werden, maximal 300 Gramm pro 100 Kilogramm Lebendgewicht“, empfiehlt Dr. Jasmin Kirchner, Agrar-Ingenieurin und Mitarbeiterin in der Futterentwicklung.

In Hinblick auf die anstehende Turniersaison und das vermehrte Training sollte der Muskelaufbau durch essenzielle Aminosäuren und vitaminreiches Mineralfutter begleitet werden. „Der Bewegungsapparat von Sportpferden lässt sich während der Saison durch Präparate mit Glucosamin, Chondroitin, Kollagen unterstützen“, erklärt Conni Fritz, selbstständige Futterberaterin mit über 30 Jahren Erfahrung.

 

Beginn der Weidesaison

 

Je nach Wetterlage kann im Frühjahr mit dem Anweiden begonnen werden. Hierbei sollte der Eiweißstoffwechsel unterstützt werden. Auch Pferde, die im Winter auf der Winterweide stehen, gilt es, behutsam anzuweiden. „Es ist förderlich, vor dem Weidegang Raufutter zu füttern, damit die Pferde gesättigt auf das frische Grün kommen. Auf keinen Fall sollte Kraftfutter unmittelbar vor der Weide gefüttert werden, dies kann zu Fehlgärungen führen“, warnt Dr. Kirchner. Das Weidegras in dieser Jahreszeit zeigt einen besonders hohen Fruktangehalt, darum sollte bei Rehe-Pferde erhöhte Vorsicht geboten sein. Bevor es dann richtig auf die Weide geht, sollte die Wurmkur verabreicht werden. Nach der Wurmkur empfiehlt sich eine Leberkur. Und nach jeder Wurmkur, Medikamenten – und besonders Antibiotikagabe – hilft eine Kur für die Darmflora. Auch Impftermine sollten vor der Turniersaison erledigt sein, allerdings mit einem ein Abstand von zwei Wochen zur Wurmkur.  So wird der Körper nicht unnötig stark belastet. Nach jeder Impfung ist das Immunsystem geschwächt und sollte aktiv gestärkt werden.

Der Übergang von Stall- zu Weidefütterung sollte langsam erfolgen, denn die Darmmikroben sind auf rohfaserreiches, eiweißarmes Stallfutter eingestellt. „Als Zeitraum sind sechs Wochen ideal, mit einer täglichen Steigerung um zehn Minuten“, empfiehlt Dr. Kirchner.  Salz- und Minerallecksteine müssen in der Box und auf der Weide immer vorhanden sein. Auch auf einer 24-Stunden-Weide sollte der Bedarf an Mineralien und Spurenelementen zu jeder Zeit gedeckt sein, eine Bodenanalyse gibt hier Aufschluss über den zusätzlichen Bedarf und ob eine Zugabe von Mineralfutter, Raufutter oder Kraftfutter erforderlich ist.

Achtung: Anweidezeit ist auch immer Kotwasserzeit, darum sollte die Fütterung darauf abzielen, die Darmflora zu stabilisieren.

Der Übergang von Stall- zu Weidefütterung sollte langsam erfolgen, denn die Darmmikroben sind auf rohfaserreiches, eiweißarmes Stallfutter eingestellt. „Als Zeitraum sind sechs Wochen ideal, mit einer täglichen Steigerung um zehn Minuten“, empfiehlt Dr. Kirchner.  Salz- und Minerallecksteine müssen in der Box und auf der Weide immer vorhanden sein. Auch auf einer 24-Stunden-Weide sollte der Bedarf an Mineralien und Spurenelementen zu jeder Zeit gedeckt sein, eine Bodenanalyse gibt hier Aufschluss über den zusätzlichen Bedarf und ob eine Zugabe von Mineralfutter, Raufutter oder Kraftfutter erforderlich ist.

 

Juckende Sommerhaut

 

Mit der Weidesaison machen auch Sommerekzeme und andere Allergien vermehrt Probleme. Je nach Schwere der Allergie gibt es diverse Möglichkeiten, Linderung zu verschaffen: Aufstallen in den Hauptaktivitätszeiten der Insekten, Eindecken, Insektensprays und eine gute Weidehygiene, um den Insekten Einhalt zu gebieten. „Gerade das Spurenelement Zink nimmt hier eine Schlüsselrolle in Bezug auf Immunsystem und Hautbarriere ein“, erklärt Dr. Kirchner. „Pferde mit Sommerekzem sollten nicht über ihren Bedarf mit Eiweiß versorgt werden. Das betrifft auch den Weidegang.“ Gute Ergebnisse werden auch durch Schwarzkümmelöl sowohl als Futtermittel als auch zum Einreiben erzielt.

Mit der richtigen Vorbereitung wird die Weidesaison zur Freude.

Wasser in guter Qualität sollte jederzeit zur Verfügung stehen.


Sommer

 

Turniersaison

 

Sommer ist die Hochsaison der Turnierreiter und oft steigen die Temperaturen bereits im Juni in extreme Lagen. Zudem kommen vermehrte Kontakte zu Pferden aus fremden Ställen, verstärkter Stress durch Transporte und hohe körperliche Anstrengung. Jetzt gilt es, auf ein gestärktes Immunsystem zu achten. „Stark schwitzende Pferde müssen zusätzlich mit Elektrolyten versorgt werden und ausreichend Wasser zu sich nehmen“, weiß Fritz. Unnötig lange Standzeiten auf dem Transporter sollten vermieden werden, bei längeren Fahrten und hoher Temperatur kann es helfen, diese in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden verlegt werden. Gleiches gilt für Trainingseinheiten.

Tipp: Fürs Turnier gegebenenfalls Wasser von zu Hause mitnehmen oder Wasser mit Apfel-/ Karottensaft anreichern.

 

Auf der Weide

 

Während der Weidezeit ist es zu empfehlen, die Hornqualität im Auge zu behalten, da vermehrtes Laufen auf trockenen und harten Böden die Hufe stark beansprucht. Bei Weidepferden sollte der Fütterungszustand den Sommer über kontrolliert werden, denn zu starkes Übergewicht erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Equinem Metabolischem Syndrom (EMS) oder Hufrehe zu erkranken. Es begünstigt außerdem weitere Gesundheitsschäden. 

Das Wohlbefinden der Pferde kann durch große Hitze, schwüle Luft und durch Insekten (Kriebelmücken, Bremsen, Fliegen) massiv beeinträchtigt werden. Für eine Steigerung der natürlichen Widerstandskraft können Weißdorn, Hagebutte, Birke; Leinöl, Fenchel, Kümmel und Lavendelblüten unterstützen. Gute Stallhygiene ist wichtig im Kampf gegen die Plagegeister. Eventuell hilft es, den Trog und die Tränke mit Zitronensaft oder Essig auszuwaschen. Durch Trockenheit und Umwelteinflüsse können staubempfindliche Pferde in der Sommerzeit unter starken Problemen leiden. Diese können teilweise durch die Fütterung und von Heu- oder Luzernecobs oder bedampftem Heu gemildert werden.

Tipp: Ein kühles Mash mit viel Wasser kann dem Flüssigkeitsverlust an heißen Tagen entgegenwirken, sowohl in der Box als auch auf der Weide.

Bereits im August beginnt der Fellwechsel. Das Pferd benötigt im Durchschnitt bis zu 30 Prozent mehr Energie. Auch sollte auf eine ausreichende Eiweißzufuhr geachtet werden. Zink unterstützt die Zellteilung und das Wachstum der Haare. Ebenso werden Kupfer, Mangan, Selen, Folsäure und Biotin zum Zellwachstum und der Haarneubildung benötigt. Magnesium unterstützt den gesamten Stoffwechsel und die Entgiftung. „Vitamin C stärkt das Immunsystem. Karotten, Äpfel, Hagebutten und zum Beispiel Sanddorn können – in Maßen gefüttert – Lieferant sein“, rät Stephanie Alan, Futterberaterin für Pferde. Ist der Stoffwechsel altersbedingt heruntergefahren, zeigt sich das auch in dieser Zeit deutlich. Immunsystem und Stoffwechsel können durch die Fütterung kaltgepresster Öle unterstützt werden. Sie versorgen das Pferd mit Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E.

Tipp: Nicht dringend erforderliche Behandlungen sollten – wenn möglich – nicht in diese Zeit gelegt werden, da sie den Organismus zusätzlich belasten.

Salz- und Minerallecksteine gehören in jede Box und auf die Weide.

Zusätzliches Raufutter auf der Weide kann die Stimmung in der Herde auch zum Ende der Weidesaison verbessern.

 

Herbst

 
Ende der Weidezeit

 

Zum Ende der Koppelsaison häufen sich Weideunfälle, denn durch weniger Futter steigt die Unruhe in der Herde. Durch zusätzliche Raufuttergabe an Raufen kann dies verhindert werden. In dieser Zeit kann es außerdem vermehrt zu Sandkoliken kommen. Der Sand gelangt in den Verdauungsapparat der Pferde, wenn diese kurzes Gras samt Wurzeln fressen. Eine erhöhte Raufuttergabe in Kombination mit der Fütterung von Flohsamenschalen führen zur Ausscheidung des Sands.

Tipp: Pferden, denen zur Wintersaison die Eisen abgenommen werden, kann eine Kur mit Biotin und Kieselerde bei der Hufregeneration helfen.

Zum Ende der Weidesaison sollte auch eine Leberkur erfolgen, da das Organ den Sommer über besonders beansprucht wurde. Viele Pferde beginnen in dieser Zeit außerdem, leicht zu husten. Ein hochwertiges Mineralfutter, Atemwegsprodukte oder auch hochwertige Öle wie Schwarzkümmel-, Hanf- Leinöl können hier unterstützen. Nach der Weide sollte erneut entwurmt werden. Zum Herbst hin steigt auch noch einmal der Fruktangehalt der Grünpflanzen, also erhöhte Vorsicht bei Rehe-Pferden. „Je nach Wetterlage kann man im Oktober mit langsamem Abweiden beginnen und die Raufutterration schrittweise erhöhen. Wichtig ist ein langsamer Übergang zur Stallfütterung“, macht Alan deutlich. Die Fütterung sollte darauf abzielen, die Darmflora zu stabilisieren, um Kotwasser zu vermeiden. Bierhefe liefert wichtige B-Vitamine und kann mit seinen Zellwandbestandteilen die Darmflora unterstützen. Die Darmschleimhaut kann zusätzlich durch Leinsaat geschützt werden. „Für diese Jahreszeit eignen sich zur Unterstützung des Stoffwechsels: Hagebutte, Mariendistelsamen, Sonnenblumenkerne, Fenchel, Kümmel und Weißdorn. Gegen die sogenannten Herbstbeine eignen sich Wacholderbeeren und Brennnessel. Die Ration kann um Karotten und Rote Beete ergänzt werden“, führt Alan weiter aus.

 

Fitbleiben nach der Saison

 

Nach der Weidesaison kann es helfen, eine Gewichtskontrolle einzuplanen, um Futter- und Energiezufuhr dem Wintertrainingsplan anzupassen. Bei Sportpferden muss auf eine ausreichende Versorgung mit Aminosäuren geachtet werden. „Bei Bedarf kann die Ration beispielsweise durch Spirulina-Alge ergänzt werden“, empfiehlt Fritz.
 

Winter

 
Der Winter ist die Zeit des Scherens. Bei geschorenen Pferden sollte besonders darauf geachtet werden, dass genügend Heu bis in die frühen Morgenstunden vorhanden ist, denn dann ist es besonders kalt und durch die Futteraktivität wird die Körperwärme gesteigert. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt steigt der Energiebedarf um 25 Prozent, die Raufutterration sollte angepasst werden. Auch im Winter ist es wichtig, dass die Pferde ausreichend Wasser aufnehmen. Dazu empfiehlt es sich, den Pferden angewärmtes Wasser im Eimer anzubieten. Es können zusätzlich auch Heucobs, Mash und Rübenschnitzel ergänzt werden.

Tipp: Für ausreichend Bewegung der Pferde sorgen – das hält die Verdauung in Schwung und beugt dicken Beinen vor.

Durch das Aufstallen aller Pferde, auch Zucht- und Jungpferde, und vermehrt voller Reithallen, kommen viele Neukontakte der Pferde zustande. In dieser Zeit leiden fast alle Pferde an einem angegriffenen Immunsystem, oft sind Pilz-, Mauke- und Atemwegsinfektion die Folge. Grundsätzlich sollte – wo immer möglich – Staubentwicklung im Stall vermieden werden. Zum Beispiel durch staubarme Einstreu, bedampftes Heu oder Raufutteralternativen. „Angegriffene Atemwege können mit Taigawurzel, Fenchel, Rote Beete und Thymian unterstützt werden“, erklärt Stephanie Alan.

Achtung: Keine Fütterung alter Tannenbäume und Gestecke (enthalten u.a. Terpentinöl, Tannine, Eibe oder vergessenen Draht).

 

Wichtige Zusätze für geschwächte Tiere

 

Im Winter können bereits Vorkehrungen für den Sommer getroffen werden, Ekzemerpferde sollten jetzt mit allen wichtigen Nährstoffen (Zink, B-Vitamin, Vitamin E und Mangan) für Haut und Fell versorgt werden. Ältere Pferde erhalten Unterstützung ihres Bewegungsapparats durch die Gabe von Teufelskralle, Ingwer oder MSM.

Ebenfalls im Winter fällig: Die Entwurmung gegen Magendasseln und Strongyliden. Bei empfindlichen Pferden kann im Anschluss eine Magen-Darm-Trakt-Kur mit Flohsamen, Heilmoor, Pektin, Fenchel und Kümmel unterstützend helfen.

Tipp: Sonnenstunden sollten ausgenutzt werden. Pferde sollten möglichst lange, möglichst viel natürliches Licht abbekommen, auch in der dunklen Jahreszeit.

Anfang des Jahres beginnt der Fellwechsel vom Winter- zum Sommerfell, dieser kann durch Zink, Selen und Kupfer begleitet werden. Ein Mangel an essenziellen Fettsäuren kann den Fellwechsel verzögern. Zur Unterstützung der enormen Stoffwechselleistung sollte die Fütterung bezüglich Vitaminen, Mineralstoffen sowie Energie und Eiweiß bedarfsgerecht angepasst werden. Es gilt, das Immunsystem zu stärken. In den ersten Monaten des Jahres ist der ideale Zeitpunkt, um eine jährliche Blutuntersuchung und Zahnkontrolle durchzuführen. Ende Februar ist die beste Zeit, die Bikinifigur in den Blick zu nehmen, eine gute Möglichkeit ist hier die Pferdewaage und die Bestimmung des BCS helfen, den idealen Bedarf für die kommenden Monate bestimmen.

Unsere Expertinnen

 

Dr. Jasmin Kirchner

 - Agrar Ingenieurin (Studium in Göttingen), Tierernährerin im Raiffeisen Kraftfutterwerk Mittelweser Heide GmbH in Schweringen (LK Nienburg), Produktentwicklung und Beratung für die hauseigene Marke „Raika Pferdefutter“

 

 

 

Conni Fritz

 - selbstständige Futterberaterin mit fast 30 jähriger Erfahrung im Bereich Pferdefütterung und besonderer Leidenschaft für gutes Raufutter.

 

 

 

Stephanie Alan

 - ausgebildete Ernährungsberaterin für Pferde und hat zudem eine Weiterbildung zum Thema Pflanzenheilkunde sowie verschiedene Fortbildungen im Bereich Laboranalysen und Mykotherapie.

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