Das ideale Frühjahrs-Menü

Die Futterration sollte immer an den individuellen Bedarf der Pferde angepasst werden. (Foto: Equipics)

Ein paar Kilos mehr auf den Rippen und nicht in Bestform, so beginnt der Start in die neue Saison oft nicht nur für uns Reiter, sondern auch für unsere vierbeinigen Sportpartner. Doch nur mit hartem Training ist es nicht getan – die richtige Ernährung gehört ebenfalls dazu. wir haben uns mit Futterexpertin Constanze Röhm getroffen und sie zum Thema Fütterung im Frühjahr befragt. 

 
 Der Großteil der Sportpferde geht in eine Winterpause, das heißt nicht Faulenzen und Schlemmen, sondern ein zurückgefahrenes Training und keine bis kaum Turniereinsätze. Das geht oft mit dem Ansetzen von Winterspeck einher. „Wenn die Pferde ein bisschen speckig werden, ist mir das sogar ganz lieb, denn nur aus Masse können Muskeln gewonnen werden. Gerade die Spring- und Vielseitigkeitspferde haben oft eher das Problem des Untergewichts, das gilt für Dressurpferde heutzutage nicht mehr, die kommen auch dick aus dem Sommer und werden dann im Winter noch dicker, das liegt an der modernen Zucht. Die Pferde werden immer kürzer und massiger gezüchtet“, erklärt Röhm, die seit über 15 Jahren als unabhängige Futterberaterin arbeitet. Sie macht deutlich wie wichtig es ist, die Pferdefütterung gerade bei Sportpferden ganzjährig zu betrachten.
 
 Die eventuellen Fettpölsterchen, die sich unsere Pferde im Winter angefuttert haben, verschwinden mit steigendem Training von ganz alleine. Doch wer zusätzlich Muskulatur aufbauen will, sollte die Fütterung entsprechend anpassen. Durch konzentrierte Aminosäuren werden der Muskelstoffwechsel und dadurch auch die Fettverbrennung angeregt. Aminosäuren sind der Grundbaustein von Protein, also Eiweiß. Einige Aminosäuren bilden die Pferde selbst durch die Verwertung von Kohlenhydraten, andere müssen durch das Futter aufgenommen werden. Diese werden essenzielle Aminosäuren genannt. Essenzielle Aminosäuren sind Lysin, Methionin, Tryptophan, Leucin, Isoleucin, Threonin, Valin, Histidin und Phenylalanin. Das Füttern von konzentrierten Aminosäuren fördert also den Muskelaufbau ohne dass das Pferd mit übermäßig viel Eiweiß gefüttert wird.  Unverbrauchtes Eiweiß im Körper kann auf lange Sicht Leber und Niere des Pferdes belasten. Also sollte immer nur dann zugefüttert werden, wenn es auch gefragt ist. Reine Aminosäuren belasten die Organe weniger.
 
 In der Winterpause und auch danach brauchen Leistungspferde Raufutter ad libitum und Kraftfutter entsprechend ihrer Leistung. Kraftfutter sollte immer dann eingesetzt werden, wenn das Raufutter den Bedarf an Energie und Eiweiß nicht decken kann. „Ganz ehrlich, in der Dressur sind wir bis Klasse M eher im Breitensportbereich unterwegs. EchtePerformance wird erst ab Klasse M verlangt. Da muss man ganz klar sagen: Der Großteil der Turnierreiterei findet in der Dressur einfach darunter statt. Und dann wird gefüttert wie für Olympia und nicht danach geritten. Dazu kommt, dass viele Reiter auch immer unfitter werden. Ich sehe es sehr häufig, dass die Kondition für Prüfung zwei schon nicht mehr reicht. Dann wird der Reiter unkonzentriert und es werden schlechte Leistungen erbracht“, macht die Expertin mehr als deutlich.
 

Die Wahl des richtigen Kraftfutters hängt von den Bedürfnissen des Pferdes ab. (Foto: Equipics)

Futter kennen und reagieren
 
 Mit Kraft- und Zusatzfutter sollte nur das aufgefangen werden, was dem Raufutter fehlt. Um das herauszufinden, kann eine Heuanalyse Sinn machen, möglichst im August/September, wenn das neue Heu eingefahren und abgelagert ist. Die Heuanalyse sollte einmal im Jahr gemacht werden. Eine Mischanalyse von allen Heufeldern gibt dabei einen guten Einblick. Wenn man jedoch das Heu von vielen verschiedenen Lieferanten und aus unterschiedlichen Regionen bezieht, was grundsätzlich eher nicht ratsam ist, dann sollte man für jede Charge eine eigene Analyse anfertigen lassen.Das bedeutet dann jedoch auch, dass das Futter immer wieder neu eingestellt werden muss. „Nur, wer weiß, woraus sein Grundfutter besteht, kann die richtigen Produkte zu füttern“, erklärt Röhm. Neben dem Energiebedarf sollte auch immer der Mineral- und Vitaminhaushalt im Auge behalten werden. Abgelagertes Heu verliert einen Großteil seiner Vitamine und Nährstoffe, die für das Pferd elementar wichtig sind. „Ich würde bei voll im Training stehenden Sportpferdimmer die B-Vitamin Gruppe und Vitamin C zu füttern, denn er muss Leistung bringen. Wenn wir nur eine Stunde täglich Gymnastik machen, brauchen die Pferde das eigentlich nicht. Aber wenn ich ab einem gewissen Level Leistung abfrage, müssen Vitamine verfügbar sein, sonst kann sie nicht voll erbracht werden.“, rät die  Pferdewissenschaftlerin. „Es ist die große Kunst, den Punkt zu finden, ab dem man Zusätze füttern muss, um die bestmögliche Leistungsfähigkeit des Pferdes zu erreichen“.
 
 Ganzjährige Futterbetrachtung
 
 Nach dem Winter muss das Kraftfutter wieder hochgesetzt werden, es gibt allerdings eine empfohlene Obergrenze in der Stärke: zwei Gramm Stärke pro Kilogramm Körpermasse. Kommen die Pferde im Frühjahr wieder auf die Weide, kann das bedeuten, dass das Kraftfutter wieder reduziert werden kann - abhängig von der Weidedauer und Qualität.

Im Frühjahr können gezielte Kuren mit Zusätzen für verbesserte Leistungen sorgen. (Foto: Equipics)

Box oder Offenstall

Unterschiede in der Fütterung ergeben sich folglich durch verschiedenartige Haltungsbedingungen. Gerade im Winter, wenn frisches Weidegrün keine Rolle mehr spielt, haben diese eine besondere Bedeutung. „Bei einem im Offenstall gehaltenen Pferd kann, je nach individueller Disposition und Rassezugehörigkeit, ein erhöhter Energiebedarf von ungefähr 10 Prozent erwartet werden, bei ganz extremen Witterungsbedingungen oder fehlender Anpassung durch zum Beispiel ein dickeres Haarkleid, die aber in unseren Breiten eher selten vorkommen, auch bis zu 20 Prozent“, beschreibt Dr. Julia Mack.

Dieser erhöhte Energiebedarf muss durch ein erhöhtes Futterangebot ausgeglichen werden, um den Ernährungszustand zu erhalten.

„Bei Pferden in Boxenhaltung sollte die Stalltemperatur der Außentemperatur angepasst folgen, das heißt die Stalltemperatur sollte nicht ganzjährig exakt auf demselben Niveau gehalten werden, sondern jahreszeiten-entsprechend mit der Außentemperatur fluktuieren, ohne die absoluten Extreme wie große Hitze und strenger Frost mitzumachen“, so Dr. Julia Mack. Dies trainiert auch das Immunsystem des Pferdes. „Bei Boxenpferden spielt es eine Rolle, ob sie ein den Stalltemperaturen angepasstes Winterfell entwickeln dürfen oder ob sie eingedeckt oder geschoren sind. Bei Pferden, die eingedeckt und/oder geschoren sind, kann es erforderlich sein, die Futtermenge ein wenig nach oben anzupassen, um den etwas erhöhten Energiebedarf durch den Wärmeverlust an den Bereichen mit dünnem Haarkleid, die nicht von der Decke bedeckt sind, auszugleichen.“

Das Futtermanagement für Sportpferde sollte ganzjährig betrachtet werden. (Foto: Slawik)

Um die Wahl des richtigen Kraftfutters zu treffen, muss zunächst herausgefunden werden, was dem Pferd fehlt:  Kohlenhydrate oder Eiweiß oder beides im gleichen Verhältnis? Hafer ist das Getreide, das am besten zu verwerten ist. Es gibt mittlerweile aber auch Müsli und Mischfuttermittel, die getreidefrei sind, die aber trotzdem vergleichbar viel Energie und/oder Eiweiß enthalten. Die Produkte variieren in ihrem Stärkeanteil. Bei einigen Produkten wird das Eiweiß durch Ölsaaten generiert. Energielieferung über Öle empfiehlt sich für Pferde, die empfindlicher in der Verdauung sind und darum nicht so viel Stärke bekommen sollten.
 
Dopingfalle Futter
 
Dadurch, dass esheute kaum noch Futtermittel gibt, die nicht mineralisiert sind, merkt der Konsument ganz häufig nicht, dass ervier oder fünf vollmineralisierte Präparate miteinander kombiniert. Das kann zu  Vergiftungserscheinungen führen. Außerdem darf im Sport natürlich die Dopingrichtlinie nicht außer Acht gelassen werden. Wer nicht genau darauf achtet, kann bei offenkundig unbedenklichen Stoffen in der gewählten Menge oder Kombination in die Dopingfalle tappen.
Wenn Pferde viel in der Box stehen, kann es auch sinnvoll sein, mit Mash auf Weizenkleiebasis zu arbeiten.. Sonst kann es in überwiegender Stehhaltung zu Koliken kommen. „Die Forschung ist sich auch mittlerweile einig, wenn Pferde mehr als zwölf Stunden am Tag in der Box stehen, ist das leistungsminimierend. Diese Pferde werden nie die volle Leistung erbringen wie bei ausreichend Licht, Luft, Bewegung und Sozialkontakt. Also auch im Topsport ist eine artgerechte Haltung ratsam“, positioniert sich Röhm eindeutig.
 
Fit durch den Fellwechsel
 

Neben dem Muskelaufbau und dem Abtrainieren des Winterspecks, ist der Jahresbeginn auch immer die Zeit des Fellwechsels und der klimatischen Veränderungen. Um hier gesund und fit zu bleiben, kann mit zusätzlichem Zink und Vitamin E der Fellwechsel unterstützt werden. Zink fördert die Biosynthese. Aber auch Stoffwechselkräuter wie Mariendistel oder Artischocke sind im Fellwechsel hilfreich. Auch hochwertiges Hanföl, das immer mehr Hersteller anbieten, soll die Haut und das Fell verbessern und dabei das Immunsystem stärken. Und je stärker das Immunsystem, desto höher die Leistungsfähigkeit des Tieres. Grundsätzlich sollten hochdosierte Zusätze wie Aminosäuren, Zink und Vitamine zunächst als Kur angewendet werden. Bei Zink und Vitaminen ist oft eine Kur von zunächst vier bis sechs Wochen empfohlen. Bei Muskelaufbaukuren mit zum Beispiel mit Aminosäuren, sollte das Präparat eher sechs bis acht Wochen gefüttert werden. Grundsätzlich werden Muskeln eher langsam aufgebaut. Bei Pferden, die zu Verspannungen neigen, kann auch eine Magnesium-Kur helfen, denn ein verspannter Muskel kann nicht wachsen.

Die Heuernte sollte nach der Ablagerung analysiert werden. (Foto: Equipics)


Die Heuanalyse

Bei der Heuanalyse werden ca. 300 Gramm Raufutter in das entsprechende Labor geschickt. Die Analyse gibt Aufschluss über Mineral- und Spurenelemente, verdauliche Energie (DE), umsetzbare Energie (ME), Rohprotein, verdauliches Rohprotein, Rohfaser, Rohfett, Rohasche, Sand, Zucker, Fruktan, Trockensubstanz/Wassergehalt des Futters. Bei schlechter Futterqualität kann auch die Keimbelastung festgestellt werden.


(Foto: Rasmussen)

Unsere Expertin:


Constanze Röhm ist unabhängige Futterberaterin und studierte Pferdewissenschaftlerin, die sich der Pferdefütterung verschrieben hat. Sie studierte und lebte einige Jahre in den Niederlanden und England und graduierte zum MSc Equine Science an der renommierten University of Essex. Dazu hat sie bereits mehrere Bücher und Lehrschriften für Universitäten verfasst. Außerdem ist sie selbst als Dozentin für Pferdewissenschaften tätig. Als Referentin und Dozentin hält sie Vorträge, Seminare und Webinare für Pferdebesitzer, Stallbetreiber, Therapeuten und Tierärzte. Zur individuellen Beratung von Pferdehaltern und Tierärzten reist sie im Rahmen ihrer Fahrpraxis deutschland- und europaweit.
 
Weitere Informationen finden Sie unter: www.futterberatung-roehm.de
 

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