Mit Power durch den Winter

Gynmastikübungen und Yoga: So hält sich Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl fit. (Foto: Toffi)

Neues Jahr, neue Vorsätze – Wie sieht es bei Ihnen aus? Schon einen knappen Monat verbringen wir nun im neuen Jahrzehnt. Vielleicht sind Sie mit einigen großen Vorsätzen hochmotiviert am Neujahrsmorgen am Start gewesen. Was ist aus diesen geworden?

Sport und Fitness sind in dieser Hinsicht die meist genannten Vorhaben, allerdings auch jene, die am häufigsten scheitern. Denn viel zu häufig gehen wir das Unterfangen falsch an. Darum haben wir für Sie einige Tipps zusammen mit bekannten – und auch neben dem Reitsport aktiven – Pferdemenschen ausgearbeitet, wie Sie sich und Ihr Pferd fit, gesund und abwechslungsreich in die neue Saison bringen.

Fit dank Yoga
, Faszienrolle und Power-Band

Für Dressurreiterin, Europa- und Weltmeisterin Jessica von Bredow-Werndl, ihren Bruder Benjamin und überhaupt ihr ganzes Team im bayrischen Aubenhausen ist das Thema Fitness das ganze Jahr über stets präsent. „Wir halten sogar einmal die Woche ein gemeinsames Fitnesstraining mit dem ganzen Team Aubi ab“, verrät sie. „Und alle sind mit Feuereifer dabei.“ Von Bredow-Werndl hat viele Übungen fürs Training dank ihres Fitnesstrainers Marcel Andrä kennengelernt. Mit ihm riefen die Geschwister Werndl auch das Projekt „DressurFit“ ins Leben, welches seit vergangenem Jahr jedem Reiter die Chance zu gezieltem und auf den Reitsport ausgerichteten Gymnastikübungen und Tipps zum Ausgleich gibt.

Jessica von Bredow-Werndl ist sich sicher, dass man im Winter in Sachen Sport keine Abstriche machen muss. Im Gegenteil: Oft ist die bei vielen Reitern sportlich etwas ruhigere Zeit genau der richtige Zeitpunkt, um etwas für sich selbst und seinen Körper zu tun. 

Auf eines sollte dabei jedoch auf jeden Fall geachtet werden: einen gezielten Trainingsplan erstellen, der die eigenen Fähigkeiten nicht überfordert. Denn wenn das Fitnesstraining nicht in den Alltag passt oder man sich dadurch überfordert fühlt, wird es schnell wieder einschlafen und nichts ist gewonnen.

Eine Empfehlung von Jessica von Bredow-Werndl ist die Faszienrolle Backroll. „Durch gezieltes Training können verdickte Faszien wieder flexibel und geschmeidig gemacht werden. Den Effekt und oft auch eine Verbesserung spürt man meistens schon sofort nach jeder Anwendung. Viele Reiter sind vor allem im Nacken-Schulterbereich, den Hüftbeugern und der hinteren Muskelkette bis hinunter zum Sprunggelenk eingeschränkt in ihrer Beweglichkeit. Verspannungen und eine schlechte Körperhaltung im Alltag beeinflussen unseren Sitz und unsere Fähigkeit losgelassen und im Gleichgewicht mit den Pferdebewegungen mitgehen zu können“, beschreibt die Top-Reiterin. Wie die Rolle gezielt zum Faszientraining eingesetzt werden kann, dazu gibt es nicht nur bei „DressurFit“ viele Tipps. Auch YouTube und diverse Ratgeber befassen sich mit dieser einfachen und überaus effektiven Methode, die sich ideal für die weniger bewegungsintensive Winterzeit eignet.

Lauftraining und Dehnübungen gehören zum Fitnessprogramm von Nachwuchsdressurreiterin Anna Abbelen. (Foto: Metzdorf)

Auch das Training mit sogenannten Power-Bands ist ein Tipp von Jessica von Bredow-Werndl. „Mit ihnen kann man unglaublich vielseitig die unterschiedlichsten Körperpartien trainieren. Sie dienen der Mobilisierung, Kräftigung und Dehnung.“

Neben den diversen Fitness-Übungen setzt Jessica von Bredow-Werndl außerdem auf Yoga. Ihre Mutter Micaela absolvierte sogar eine Ausbildung zur Yogalehrerin. „Yoga hilft mir immer wieder, zu entschleunigen, inne zu halten und dankbar zu sein. Es ist nichts selbstverständlich und jeder Tag ist ein Geschenk. Das ist eine Haltung, die eigentlich jeder Mensch für sich entdecken sollte, leider geht es im Alltag allzu oft verloren, sich darauf einzulassen. Wir sprechen im Yoga auch immer wieder davon, uns selbst ein „Lächeln zu schenken“, also unseren Körper und uns selbst positiv wahr- und anzunehmen. Ich finde, dies ist ein idealer Start ins neue Jahr.“

„Im Yoga gibt es das Wort „Wohlspannung“, erklärt die Spitzenreiterin. „Das ist die Spannung, die den Körper etwas fordert, aber noch angenehm ist. So sollte es bei den Übungen immer sein. Zuviel sollte vom eigenen Körper nicht verlangt werden, aber auch nicht zu wenig.“

Für Springreiterin Katrin Eckermann gehört der tägliche Koppelgang auch im Winter zur Pferdefitness. (Foto: Toffi)

Fitness ganz selbstverständlich einbauen

„Für mich bedeutet Laufen hauptsächlich „Kopf frei bekommen“. In der Zeit, als ich mit dem Studium viel zu tun hatte mit dem Bachelor, ritt ich immer am Vormittag und ging dann eine Runde laufen. So konnte ich das Erlebte vom Reiten verarbeiten und mich neu fokussieren auf alles, was im Studium anstand“, erklärt Anna Abbelen, eines der erfolgreichsten deutschen Nachwuchstalente im Dressursattel. „Es ist für mich kein „Auspowern“, sondern eher „Energie aufladen“. Um den Kopf frei zu machen, ist Laufen für mich perfekt und es trainiert natürlich die Ausdauer für den reiterlichen Alltag.“ Allerdings versteht sie, dass für manch einen die winterlichen Temperaturen ein Hindernis darstellen. „Allerdings kann man das Laufen relativ simpel in den reiterlichen Alltag einbauen und muss dafür nicht um sechs Uhr bei eisiger Kälte durch die Dunkelheit laufen.“

Springreiterin Laura Klaphake schwört auf eine Fitness-App. (Foto: Toffi)

Ihre Empfehlung: „Oft befinden sich die Höfe in einer waldreichen Umgebung. Man kann es etwa so handhaben, zunächst die Pferde auf die Weide zu bringen und danach eine Runde zu laufen. Beim Abholen des Pferdes von der Weide kann das dann wiederholt werden.“

Wenn sie sich körperlich ein wenig schlapp fühlt oder es doch einfach zu kalt ist zum Joggen, setzt Anna Abbelen übrigens auf Walken oder einfach spazieren gehen. „Ein weiterer Tipp von mir ist, sofern es die Wetterbedingungen zulassen die Inliner zu nutzen, um zum Stall zu kommen. Das ist nicht so anstrengend wie Laufen, bewirkt aber ebenfalls viel Positives.“

Außerdem merkt Anna Abbelen an, dass für viele körperliche Einschränkungen und Erkrankungen ein Fitness-Kräutlein gewachsen ist. Gerade der Winter eignet sich, um in dieser Hinsicht zu arbeiten, um die Grüne Saison fitter zu beginnen. „Da ich selbst Asthma habe, ist meine Brustwirbelsäule oft sehr verspannt. Ich kann also mit Leuten gut mitfühlen, die beim Reiten immer mal wieder mit Rückenproblemen und Ähnlichem kämpfen“, beschreibt Anna Abbelen. Sie hat eine Übung parat, die ihr selbst bei dieser Problematik sehr hilft: „Ich lasse mich immer aus dem Stehen kopfüber nach vorne fallen. Die Arme bewegen sich ebenfalls vorne. Dann rolle ich mich Wirbel für Wirbel langsam wieder auf und spüre, wie die einzelnen Wirbel gerade sitzen. Die Dehnung zu fühlen und das bewusste Wahrnehmen helfen bereits sehr viel bei der Entspannung der Partien.“

Sieben-Minuten-Fitness


Für alle, die neben Reiten und Arbeit oder Studium relativ wenig Zeit haben, aber dennoch etwas für ihren Körper tun und ihn fithalten möchten, hat Springreiterin Laura Klaphake einen effizienten wie effektiven Vorschlag. „Ich arbeite täglich mit einer Smartphone-App namens „7 Minuten Fitness“, welche verschiedene Übungen bietet, eben immer für täglich sieben Minuten. Mit dieser App trainiert man Beine, Arme, Bauch, alles mit immer unterschiedlichen Übungen, sodass es nicht langweilig wird. Ich gehe zudem täglich etwa 40 Minuten joggen und darüber hinaus oder, wenn es eben mal nicht klappt, die sieben Minuten. Im Winter gehe ich auch ins Fitnessstudio und mache dort ein paar Kurse, was aber in der Sommersaison zeitlich zu viel wäre neben den vielen Turnieren und dem Studium. Spaß am Sport ist ganz wichtig, denn nur so hat man auch Lust es zu machen. Ich denke, es ist gar nicht so wichtig, was man genau macht, viel wichtiger ist, dass man etwas für den Körper tut.“


Fit sein als Lebensstil


Fit sein ist für Anna Abbelen, Laura Klaphake und Jessica von Bredow-Werndl ein Lebensstil, den sie bei aller Hektik im Turnieralltag nicht mehr missen möchten. Allerdings sind sich alle einig, dass nicht nur Sport zum fit sein dazu gehört. „Außerdem bedeutet es für mich, dass man jeden Tag und seine Ereignisse achtsam wahrnimmt und sich positiv ausrichtet. Das verhilft beim Reiten und auch sonst im Leben zu einer ganz anderen Einstellung“, beschreibt Jessica von Bredow-Werndl.

Und fithalten ist natürlich im Winter auch fürs Pferd angesagt. Springreiterin Katrin Eckermann, die im vergangenen Jahr die Stute Chao Lee zum Weltmeistertitel der jungen Springpferde ritt, merkt an, dass die Tiere so oft und so lange wie möglich nach draußen sollten. „Die Pferde bekommen bei mir im Winter Decken drauf, aber ansonsten gibt es zur warmen Jahreszeit keinen Unterschied. Es geht täglich mehrere Stunden raus auf Koppel und Paddock. Den Pferden ist nicht so kalt wie man immer denkt. Deshalb kommen sie bei mir im Sommer und Winter gleich lange nach draußen. Die Pferde sind froh draußen zu sein und das bei jedem Wetter. Manchmal wird von den Menschen das Thema einfach zu sehr durch die eigene Brille gesehen und dramatisiert.“

Auch Dr. Henrike Lagershausen, Leiterin der FN-Abteilung Veterinärmedizin, betont: „Die ganzjährige, tägliche freie Bewegung für jedes Pferd ist ein Muss! Dabei bietet der Freilauf an der frischen Luft die Gelegenheit, sich nach Lust und Laune inklusive dem ein oder anderen Bocksprung zu bewegen. Darüber hinaus ermöglicht dies dem Pferd, auch im Winter die nötige Ration Tageslicht und frische Luft zu tanken, sich den Klimareizen auszusetzen, die Umgebung zu erkunden oder sich ausgiebig zu wälzen. Der tägliche freie Auslauf ist somit sehr wichtig für die physische und psychische Gesunderhaltung eines jeden Pferdes und bietet eine Vielzahl an positiven Effekten für den Organismus. „Täglich und so lange wie möglich!“ sollte das Motto sein. Davon profitiert auch der Reiter: Pferde die auch im Winter täglich ausreichend freie Bewegung bekommen, sind deutlich ausgeglichener, zufriedener und weniger schreckhaft.“

Der Tipp der Veterinärin gegen allzu großen Übermut bei schwierigen Wetterverhältnissen: „Um Verletzungen vorzubeugen, sollten besonders lebhafte Pferde erst nach der Trainingseinheit auf den Paddock oder die Weide gelassen werden. Dies hat mehrere Vorteile: Der Körper des Pferdes ist bereits aufgewärmt und das größte Bewegungsbedürfnis wird schon während der Trainingseinheit abgebaut. Alternativ können die Pferde gerade im Winter vor dem Rauslassen in der Führmaschine oder durch Führen an der Hand aufgewärmt werden.“

Neues ausprobieren


Der Winter ist ideal, um Neues bei der täglichen Arbeit einzubauen und an einzelnen Fragestellungen konzentriert zu arbeiten. „Die Pferde sollen Abwechslung haben und gemeinsam soll die Arbeit Freude machen. Ich versuche jeden Tag ein bisschen anders zu gestalten, damit es spannend bleibt für sie“, berichtet Jessica von Bredow-Werndl über ihre Winterarbeit. „Dazu gehört auch das Reiten ohne Sattel oder Scheutraining. Auch steht für alle Pferde Freispringen auf dem Programm oder die Pferde dürfen sich frei in der Halle bewegen. Außerdem spiele ich immer gern mit den Pferden und fördere damit die Neugier. Die spielerische Arbeit macht die Pferde selbstbewusst und sie bekommen ein besseres Körpergefühl. Abwechslung kann so einfach sein – und macht gerade einen augenscheinlich zunächst tristen Wintertag so viel interessanter. Von der anderen Seite aufsteigen, ohne Sattel – aber besser mit Polster oder Schabracke – reiten, die veränderte Landschaft draußen im Winter bei Schnee oder Raureif am Morgen, Bodenarbeit mit einbauen, schöne Musik zum Reiten hören, Trainingsabläufe ändern – das bringt viel Spaß für alle beteiligten.“

Weltmeisterin Simone Blum nutzt den Winter, um gezielt mit ihren jungen Pferden am Heranführen an den Sport zu arbeiten. Für sie, aber auch für ihre Cracks, steht insbesondere Dressurarbeit auf dem Programm. „Die Pferde gehen je nach Alter und Ausbildungsstand Traversalen, Schulterherein und viele weitere Lektionen bei uns. Wir trainieren regelmäßig Versammlung, Zulegen – und anders als vielleicht manch einer denken möchte, geht das auch mit einem Springsattel. Mein Mann und ich finden, dass das Training der Pferde mit der passenden Dressurarbeit perfekt unterstützt wird und diese auch die Basis bildet. Unsere Pferde müssen durchgeritten sein. Viele Sprünge trainieren bringt nichts, wenn es an der Rittigkeit des Pferdes hapert. Deshalb steht gerade bei den erfahrenen Pferden auch kaum Springtraining auf dem Programm.“

Dressurarbeit ist im Winter fester Bestandteil beim Training der Pferde von Weltmeisterin Simone Blum. (Foto: Toffi)

„Grundsätzlich gilt für uns immer: Vom Leichten zum Schweren und rechtzeitig aufhören, bevor das Pferd erschöpft ist“, fährt Blum fort. „Schlechte Erfahrungen soll es auf keinen Fall machen. Das klappt nur mit stetiger Aufmerksamkeit des Reiters für sein Pferd. Wenn man im Winter selbst mal einen Durchhänger hat, sollte man das Training sausen lassen und einfach für Abwechslung sorgen. Diese ist überhaupt ganz wichtig, was oft im grauen Hallenalltag vergessen wird. Aber sie macht nun mal – und das nicht nur sprichwörtlich – das Leben süß!“

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