Ein Notfall – Wenn jede Sekunde zählt

Eine erhöhte Atmung kann eines der Anzeichen für einen medizinischen Notfall sein. (Foto: Slawik)

Im Falle eines Notfalls ist schnelles Handeln vonnöten. Doch nicht immer lässt sich ein solcher auch sofort erkennen. Wir haben mithilfe von Tierärztin Caroline Dewenter aus der Tierklinik Barkhof die Symptome der häufigsten Notsituationen und die Erste-Hilfe-Maßnahmen zusammengetragen.

 

Das Pferd verhält sich nach der Fütterung auf einmal merkwürdig, wirkt apathisch oder aufgekratzt. In den meisten Fällen ist das ein Zeichen, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Der Besitzer muss umgehend reagieren. Doch wie?

 

Erste Schritte

 

Zuerst sollte über einen ungefähren Zeitraum von 20 Minuten – bei schweren Koliksymptomen sollte keine Zeit verloren werden – genau beobachtet werden, wie das allgemeine Verhalten des Pferdes ist. Ist es apathisch, nervös oder gar panisch ohne ersichtlichen Grund, ist das ein erstes Anzeichen für ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem. Dann sollte auf die Futter- und Wasseraufnahme geachtet und einige Fragen geklärt werden: Hat das Pferd Appetit? Hat es gefressen? Hat es getrunken? Als nächstes ist der Kot- und Harnabsatz zu beobachten. Wann hat das Pferd das letzte Mal Kot abgesetzt und in welcher Menge? Wie ist die Konsistenz? Zeigt das Pferd dabei Schmerzen? Wann hat es zuletzt Harn abgesetzt und in welcher Menge? Auch die Körperhaltung eines Pferdes ist wichtig, um einen Ernstfall auch als solchen zu erkennen. Kopfhaltung und die Stellung der Gliedmaßen sowie die Belastung dieser geben oft Aufschluss darüber, wo das Problem liegen könnte. Auf Schweißausbrüche, starke Lahmheit, sichtbare Wunden oder Schwellungen sowie den Austritt von Flüssigkeiten wie Blut oder Eiter sollte genauestens geachtet werden „In jedem Fall sollte sofort ein Tierarzt informiert werden. Einer der häufigsten Fehler der Besitzer ist, dass dieser Anruf aufgrund von Diskussionen im Stall oder versuchter Selbstmedikation viel zu spät getätigt wird“, erzählt Dr. Caroline Dewenter. „Je nach Ursache kann der gesundheitliche Zustand des Pferdes schnell lebensbedrohlich werden.“ Informationen über die Verfassung des Pferdes sowie die Beantwortung der W-Fragen helfen dem Tierarzt, die Situation besser einschätzen und sich dementsprechend auf den Notfall einstellen zu können.

 

Notsituationen

 

„Die häufigsten Verletzungen ziehen sich die Pferde beim Weidegang, dem Festlegen in der Box oder dem Freilaufenlassen zu“, berichtet Dr. Dewenter. „Bei Wunden ist es wichtig, die Blutung genau zu betrachten. Der Austritt von gelblichem Schaum kann ein Hinweis auf Gelenksbeteiligung sein. In diesem Fall muss das Pferd definitiv in die Klinik.“ Fremdkörper seien nicht einfach zu entfernen. „Sofern es möglich ist, sollte die Wunde mit einer sterilen Wundauflage abgedeckt werden, bis der Tierarzt eintrifft.“ Auch ein Einschuss sei einer der häufigsten Notfälle. „Das ist eine Entzündung unter der Haut. Die primäre Verletzung, eine kleine Einstichstelle oder Wunde, wird meist übersehen“, klärt sie auf. „Eine Schwellung der Gliedmaße, Lahmheit, Fieber und Abgeschlagenheit sind die häufigsten Symptome. In diesem Fall muss das Tier durch einen Tierarzt antibiotisch versorgt werden.“ Bis dieser eintrifft sei Boxenruhe das A und O. Eventuell könne ein Angussverband bis zum Eintreffen des Arztes angelegt werden.

 

Notfall: Kolik

 

„Typischer Notfälle sind vor allem Koliken“, berichtet Dewenter. „Am Telefon sind die Leute bereits sehr aufgeregt und es ist oft schwierig ihnen Fragen zu stellen.“ Was zeigt das Pferd für Symptome, seit wann zeigt es die Symptome, hat es geäppelt, zeigt es Appetit? „Dann wollen wir meistens schon wissen, ob das Pferd eine OP-Erlaubnis hat. Das ist wichtig für den Behandlungsablauf.“ Weisen die Symptome auf eine Kolik hin, gibt Dewenter den Anrufern in der Regel die Anweisung, das Pferd zu führen. „Die dient dem Schutz des Pferdes, falls es sich hinlegen oder wälzen will“, erklärt sie. Vor Ort folgt die allgemeine Untersuchung: Wichtige Parameter wie SH, Puls und die Peristaltik (Darmgeräusche) werden getestet. Das Pferd erhält eine Medikation mit Schmerzmitteln und etwas Krampflösendem. „Anschließend führen wir eine rektale Untersuchung und das Legen einer Nasenschlundsonde durch, um einen Rückstau von Darminhalt in den Magen (Reflux), vermehrtes Gas im Magen oder eine Ansammlung von Futter, also eine Magenüberladung, zu behandeln.“ Das Pferd erhält gegebenenfalls Infusionen für den Kreislauf.

(Foto: Dewenter)

Caroline Dewenter, Assistenztierärztin in der Pferdeklinik Barkhof in Sottrum, zusätzlich Masterstudiengang Pferd (Weiterbildungsmaster) an der FU Berlin

Offene Wunden müssen richtig versorgt werde, um eine Entzündung und damit Schlimmeres zu vermeiden. (Foto: Medilutions)

Wundversorgung beim Pferd

 

Ist das eigene Pferd verletzt, ist es oft schwer, eine genaue Prognose zu stellen. Unfallursache und -hergang bleiben meist ungeklärt. Unter anderem aus diesem Grund ist die Versorgung der Wunde nicht immer ganz leicht. „Die Ersthilfe-Maßnahmen kennen die meisten bereits: potenzielle Gefahrenquellen beseitigen, Wunden schützen, Blutungen reduzieren, Tier beruhigen“, erzählt Ulrich Auburger, Geschäftsführer von Medilutions. Doch was dann? „Natürlich ist es ratsam, bei großen, offenen Wunden den Tierarzt zu rufen und auf seine Anweisungen zu hören. Kleinere Wunden können vom Pferdebesitzer selbst behandelt werden.“ Leider passieren dabei immer wieder Fehler, die aus einer kleinen Abschürfung zum Beispiel einen großen Abzess machen können. Verletzungen durchlaufen drei Phasen der Wundheilung, die jeweils bestimmte Maßnahmen der Versorgung benötigen. In der ersten Phase, der Exsudationsphase, stößt der Körper alles ab, was er in der Wunde nicht gebrauchen kann – Bakterien, Keime, Fremdkörper, Schmutz, abgestorbenes Gewebe und koaguliertes Blut – indem die Wunde stark blutet oder Exsudat als Flüssigkeit austritt. „Zur Unterstützung dieses Vorgangs kann der Besitzer die Wunde vorsichtig mit einer Aktivchlor haltigen Wundspüllösung reinigen und desinfizieren“, rät Auburger. Dann folgt die zweite Phase, die Granulationsphase. Mit ihr beginnt der Heilungsprozess, sogenanntes Granulationsgewebe bildet sich und die Wunde heilt von außen nach innen. Es bildet sich Schorf auf der Wunde, der die darunterliegende Heilung schützt. „In dieser Phase kann man als Besitzer oft mehr falsch als richtig machen. Vorsicht ist geboten“, warnt der Experte. „Unterstützend können mit viel Fingerspitzengefühl spezielle Wundgele zur Unterstützung der Wundheilung aufgetragen werden, um die Stelle vor Austrocknung, Bakterien und Verunreinigungen zu schützen.“ Ansonsten benötige die Wunde in dieser Phase viel Ruhe. Schließlich folgt die Ephitelisierungsphase. „Die betroffene Stelle wechselt vom feuchten Zustand in eine Phase, in der sich neue Haut bildet und der Wundverschluss den Heilungsprozess abschließt.“ Die neue Haut wird fester und kann sich nach und nach wieder selbst schützen. Trotzdem ist das Bindegewebe noch sehr dünn und anfällig sowie schmerzempfindlich. Ab jetzt heißt es: alles im Blick behalten und mit Wundbefeuchtung oder Wundreinigung aufhören, damit sich die Wunde verschließen kann. Ein geeignetes Wundschutz-Gel kann hier den Vorgang unterstützen. „Bildet sich eine Schleimschicht, hat sich die Wunde nicht vollständig gereinigt. Ist sie zu trocken, kann sie aufreißen. Beginnt sie zu wuchern, also bilden sich Wulste am Narbengewebe, ist der Heilungsprozess noch nicht vollendet.“ Im Zweifel ist es dann ratsam, einen Tierarzt zu Rate zu ziehen.

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