Die Sinne des Pferdes: Der Sinn dahinter

(Foto: Pixabay)

Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten – das sind die fünf Sinne über die nicht nur Menschen, sondern auch Pferde verfügen. Diese sind allerdings ganz unterschiedlich ausgeprägt, denn Pferde sind – im Gegensatz zum Menschen – Fluchttiere.

Der Sehsinn

 

Während der Mensch als „Raubtier“ seine Umwelt eher durch einen konzentrierten Tunnelblick wahrnimmt, verfügt das Pferd als Fluchttier über einen Weitwinkelblick. Das bedeutet, dass es eine Art Rundumsicht hat, ohne dafür den Kopf drehen zu müssen. Das liegt vor allem daran, dass sich die großen Augen seitlich am Kopf befinden. Direkt vor den Vorderfüßen und direkt hinter dem Pferd befinden sich die beiden Toten Winkel. Aufgrund dieser ist es wichtig, dem Tier weite Kopf- und Halsbewegungen zu ermöglichen. Damit werden Stolpern und Stürze vermieden. Besonders darauf achten sollte der Besitzer im Gelände oder beim Springen.

Das Auge eines Pferdes ist im Stande selbst kleinste und feinste Bewegungen wahrzunehmen. (Foto: Slawik)

Im Räumlichen Sehen und dem Einschätzen von Entfernungen sind Pferde schlechter als Menschen. Sie können enge Räume daher schwerer einschätzen – manche Pferde sind sich nicht sicher, ob sie in diesen Raum hineinpassen oder steckenbleiben können. Hieraus resultiert die Angst vor Waschboxen oder Anhängern.

Ein Phänomen, welches beinahe jeder Pferdebesitzer schon erlebt hat, ist das der gedrehten Gegenstände. Auf dem Hinweg zur Halle entdeckt das Pferd ein Hindernis, geht jedoch ohne Probleme daran vorbei. Auf dem Rückweg scheut es vor eben diesem Hindernis. Das liegt daran, dass das Gehirn der Pferde den Gegenstand nicht so einfach drehen kann, wie es das menschliche Gehirn macht. Dementsprechend sieht er mit dem einen Auge anders aus als mit dem anderen. Erst, wenn das Pferd den Gegenstand mit seinen anderen Sinnen genauer untersucht, kann es feststellen, dass es derselbe ist.

Um dem Pferd gewisse Signale zu senden, braucht es keine riesigen Gesten. Es ist in der Lage, selbst ganz kleine und feine Bewegungen wahrzunehmen. Reduziert der Pferdebesitzer seine Bewegungen also auf ein Minimum, nimmt das Pferd ihn ernster und gewinnt an Vertrauen. Außerdem kann damit auch die Kommunikation, die Bodenarbeit und das Reiten immer feiner werden. Dank des Bewegungssehens kann der Vierbeiner jedoch auch negative Emotionen über unüberlegte oder unkontrollierte Bewegungen des Menschen wahrnehmen und darauf auch negativ reagieren.

Das Dämmerungssehen eines Pferdes ist besser als das des Menschen. Trotzdem braucht es länger, um sich von Dunkelheit auf Helligkeit oder andersherum umzustellen. Aus diesem Grund scheuen manche Pferde oft vor Schatten- oder Lichtflecken oder stolpern, wenn sie vom Hellen ins Dunkle kommen oder umgekehrt. Um Unfälle zu vermeiden, ist es deshalb wichtig, einen Moment stehen zu bleiben und zu warten, wenn sich die Lichtverhältnisse plötzlich verändern.

Jede Augenveränderung kann Folge einer allgemeinen Erkrankung sein. In jedem Fall sollte also nicht nur das Auge selber, sondern auch die Bereiche drum herum sowie der restliche Körper gründlich vom Tierarzt untersucht werden. Mit etwa zwölf Prozent aller Pferde ist die periodische Augenerkrankung die häufigste aber auch gefürchtetste Diagnose weltweit. Die Ursache für die in unbestimmten Abständen immer wiederkehrende Entzündung des Auges ist bis heute nicht vollständig geklärt. Sie ist nicht heilbar und verursacht bleibende Schäden am Auge bis hin zur völligen Erblindung des Tieres. Bei selten auftretenden Schüben kann das Auge mit Augensalben oder Tropfen während einer Entzündung behandelt werden. Mit Entzündungshemmern und Cortison können die Schmerzen gelindert und Entzündungsfolgen abgemildert werden, sofern die Entzündungen sehr stark und sehr häufig auftreten. So oder so sollte das Auge besonders im Sommer vor UV-Strahlen, Insekten und Schmutz geschützt werden. Es empfiehlt sich eine medizinische Maske.

Sehvermögen:

Pferde können nur bis zu einer Entfernung von etwa zehn Metern scharf sehen. Darüber hinaus wird es unscharf. Außerdem können sie nur eingeschränkt Farben sehen. Sie können zwar einen Unterschied der Töne erkennen, sehen diese jedoch wie durch einen Grauschleier. Dies liegt an der verminderten Anzahl sogenannter Zapfen (Sinneszellen) innerhalb des Auges. Diese sind für die Farbverarbeitung im Sehorgan verantwortlich. Ausgeprägt dagegen sind die Stäbchen (ebenfalls Sinneszellen), die das Licht speichern und ein Sehen im Dunkeln oder in der Dämmerung ermöglichen.

Hat das Pferd einen besonderen Geruch in der Nase bläht es die Nüstern auf, um den Duft tief einzuatmen. (Foto: Slawik)

Bei ganz besonderen Gerüchen beginnen Pferde zu flehmen. Dann blenden sie alle anderen Gerüche aus und konzentrieren sich auf einen ganz besonderen. (Foto: Slawik)

Der Geruchssinn

 

Pferde verfügen über einen ausgezeichneten Geruchssinn. Er ist so gut, dass sie zum Beispiel eine Wasserquelle aus einer erstaunlichen Entfernung von etwa zwei Kilometern wahrnehmen können. Auch eine drohende Gefahr können sie bereits wittern, wenn diese noch nicht einmal in Sichtweite ist. Neben der Suche nach Wasser nutzen die Vierbeiner ihren Geruchssinn außerdem bei der Nahrungssuche. Mit ihrer feinen Nase können sie gutes Futter von Verdorbenem oder Giftigem unterscheiden.

„Sich nicht riechen können“ spielt auch bei Pferden eine große Rolle. Sie nutzen den Geruchssinn untereinander, um Artgenossen wahrzunehmen und zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Der Duft des Gegenübers wird tief eingeatmet und innerhalb kürzester Zeit über Sympathie oder Antipathie entschieden. 

Hengste können über diesen Sinn erkennen, ob eine Stute rossig ist. Nach der Geburt nimmt eine Stute den ureigenen Geruch des Fohlens auf und speichert ihn ab, ebenso andersherum. Neben der Stimme können sie sich also auch anhand des Duftes wiedererkennen. Zudem können Pferde den Gesundheitszustand eines anderen Pferdes anhand des Geruchs erkennen. All diese Informationen erhalten die Tiere auch über den Kot oder Urin eines Artgenossen.

Auch der Mensch kann von einem Pferd über den Geruchssinn analysiert werden. Ob Angst, Stress oder Aufregung – nichts entgeht einem Fluchttier. Der Vorteil ist, dass ein Pferd ebenfalls riechen kann, ob das menschliche Gegenüber noch sehr jung ist. Aus diesem Grund kann in den meisten Fällen ein ruhiger Umgang des Tieres einem Kind gegenüber festgestellt werden.

Dringt ein besonderer Duft in die sehr bewegliche Pferdenase ein, blähen sich zunächst die Nüstern soweit wie nötig auf. Der Geruch wird dann über die Riechschleimhaut in den Nüstern aufgenommen, in ihnen die Duftstoffe gefiltert und schließlich über die Nerven ins Gehirn weitergeleitet. Bei ganz speziellen und für das Pferd sehr interessanten Gerüchen, beginnen Pferde oftmals zu flehmen. Dann werden alle anderen Gerüche drum herum ausgeblendet und die Konzentration liegt bei diesem einen. Aber Achtung: Eine weit aufgeblähte Pferdenüster oder ein Flehmen können auch Anzeichen für Stress, Schmerzen oder Angst sein.

Natürlich gibt es auch Gerüche, die instinktiv die Flucht hervorrufen. Blut und Verwesung sind Gerüche, die ein Pferd eher scheut. Nimmt das sonst so verfressene Pony auf einmal kein Leckerli mehr vom Tierarzt, kann ein winzig kleiner Tropfen Blut am Ärmel der Grund dafür sein. Und sollte der Vierbeiner einmal an einem längst bekannten Busch nicht mehr vorbeigehen wollen, kann der Kadaver einer Maus oder ähnlichem der Grund dafür sein.

Tipp: Bei empfindlichen Nüstern gibt es außerdem einen Nüsternschutz für die Weide als auch zum Reiten, der vor Insekten und UV-Strahlen schützt.

Der Geschmackssinn

 

Der Geruchssinn arbeitet eng mit dem Geschmackssinn zusammen. Sie sind über die Verbindung zwischen Rachenraum und Nasenhöhle miteinander verbunden. Mit rund 35.000 Geschmacksnerven (zum Vergleich: ein Mensch verfügt über circa 10.000) sind Pferde in der Lage, genießbare Nahrung von ungenießbarer zu unterscheiden. Sie sortieren instinktiv letzteres aus. Das liegt daran, dass der Geschmackssinn im Bereich süß und bitter stark differenziert. Die Nerven selber liegen auf der Zunge, der Mundschleimhaut und vor dem Rachenschlund.

Da in pflanzlicher Nahrung kein Salz enthalten ist, sind Pferde auf diese Geschmacksrichtung ebenfalls gepolt. Sie müssen aktiv nach Salz suchen und dieses aufnehmen. Daher ist es so wichtig, einem Pferd jederzeit einen Salzleckstein zur Verfügung zu stellen.

Wie schmeckt's?

Besonders im getrockneten Zustand verlieren Pflanzen ihre Bitterstoffe. Dann ist es den Pferden nicht mehr möglich, Bitteres auszusortieren und die Gefahr besteht, dass sie giftige oder verdorbene Nahrung aufnehmen. Und auch auf oder unmittelbar neben der Weide haben giftige Pflanzen nichts verloren. Wird das Futterangebot mal knapper, kann es passieren, dass sich vereinzelt Pferde doch über diese hermachen. Von einigen reicht nur ein kleiner Biss, um für ein ausgewachsenes Pferd lebensbedrohlich zu werden.

Die Ohren eines Pferdes sind mithilfe von 16 Muskeln um 180 Grad drehbar. (Foto: Slawik)

 

Der Hörsinn

 

Auch das Gehör eines Pferdes ist etwas besser aufgeprägt als das des Menschen. Sie reagieren zwar auf dieselben Dezibel-Level – oder anders: die selbe Lautstärke – nehmen aber mehr Frequenzen wahr. So kann der Mensch Töne mit einer Frequenz bis 20.000 Hertz wahrnehmen, ein Pferd aber sogar höhere Töne bis 33.500 Hertz. Dafür sorgt unter anderem die spezielle Form der Ohrmuschel. Sie ist trichterförmig und um 180 Grad – dank insgesamt 16 Muskeln auch unabhängig voneinander – drehbar. Somit kann der Schall aus beinahe allen Richtungen optimal eingefangen, lokalisiert und gefiltert werden. Kurz gesagt: Die Ohrmuschel fängt beim Hören die Schallwellen auf, diese werden im Mittelohr verstärkt und an das innere Ohr weitergeleitet. Dort sitzen zahlreiche Hörzellen, die die empfangenen Informationen über den Hörnerv ins Gehirn weiterleiten.

Weiter ist der Hörsinn aktiv, wenn Pferde schlafen, um als Fluchttier immer auf der Hut zu sein. Ist das Hörvermögen einmal getrübt, etwa durch Fliegenohren, Gewitter oder Feuerwerkskörper, löst dies nicht selten Nervosität oder Panik beim Pferd aus.

Neben dem Hören spielen die Ohren aber vor allem in der Kommunikation über Mimik und Gestik eine große Rolle. Sie dienen als Stimmungsbarometer und geben Hinweise auf den emotionalen sowie den gesundheitlichen Zustand eines Pferdes.

Die Tasthaare befinden sich rund um das Maul und dürfen nicht abgeschnitten werden. (Foto: Slawik)

 

Der Tastsinn

 

Wie der Name bereits verrät, helfen die Tasthaare dem Pferd durch das Ertasten oder Erfühlen von Gegenständen, Artgenossen oder anderem Abstand zu diesen zu halten. Sie helfen aber auch bei der Orientierung und der Nahrungssuche. Diese Haare befinden sich rund um das Maul und die Nüstern und stehen über Nerven in direkter Verbindung mit dem Gehirn. Besonders empfindlich sind jene an der Oberlippe. Mit ihrer Hilfe kann ein Pferd zwischen ungenießbarem und genießbarem Futter unterscheiden. Es lassen sich sogar kleinste Heureste aus dem Sand sammeln.

Auch in dem Bereich um die Augen haben Pferde Tasthaare. Sie schützen vor Verletzungen und sorgen für den Schließreflex des Augenlieds, wenn sich etwas nähert.

Schneiden verboten!

Durch §6 des deutschen Tierschutzgesetzes ist das Entfernen der Tasthaare um Augen und Maul ebenso verboten wie das Rasieren beziehungsweise Abschneiden (Clippen) in den Ohren von Pferden.

Dr. Olivier Brandenberger, Tierarzt und Chirurg für Pferde, Klinikleitung in der Hanseklinik in Sittensen

Dr. Brandenberger über die Haut des Pferdes

 

Über die Haut des Pferdes haben wir uns mit dem Tierarzt Dr. Olivier Brandenberger aus der Hanseklinik in Sittensen unterhalten.

„Die Haut eines Pferdes ist hochkomplex. Sie nimmt Temperaturen wahr, Druck, Schmerz aber auch die kleinsten Berührungen.“ Das lege daran, dass diese übersäht ist von verschiedenartigen Nervenenden. Am Kopf und an den Hufen – die im Übrigen auch zum Hautorgan zählen – ist die Pferdehaut am empfindlichsten. „An diesen Stellen spüren die Tiere Temperaturen, Schmerz und Druck am deutlichsten. Dies ist einer der Gründe, weshalb Huf-Lahmheiten so oft auftreten“, erklärt Dr. Brandenberger. Auch der Rumpf, der Rücken, der Hals und die Kruppe sind empfindlich. „Die Haut an diesen Stellen ist mit starken Muskelreflexen verbunden. Sie ist also sehr sensibel und kann selbst eine kleine Fliege wahrnehmen, das Pferd nimmt dort aber weniger bewusst wahr als zum Beispiel am Kopf.“ Die Sensibilität im Rücken wird auch dann deutlich, wenn der Reiter auf dem Pferd nur minimale Zeichen über die Gewichtsverlagerung gibt und das Pferd sofort darauf reagiert.

Wenn die Haut des Pferdes also so empfindlich ist, dass sie selbst leichteste Berührungen wahrnehmen kann, wie verhält es sich also mit dem Klopfen des Tieres zur Belohnung? „Wenn man die Pferde unter sich in der Herde beobachtet, kann man feststellen, dass dort kein Klopfen stattfindet. Es sind immer sehr feine Berührungen die stattfinden, außer, wenn sie sich kratzen“, merkt Dr. Brandenberger an. „Wir haben dem Pferd gelehrt, dass das Klopfen eine Belohnung ist und sie nehmen diese auch als jenes war. Ein leichtes Streicheln beispielsweise des Halses würde aber vollkommen ausreichen.“

Das riesige Organ Haut trägt aber nicht nur die Aufgabe des Fühlens. „In erster Linie schützt sie natürlich das Pferd vor äußeren Einflüssen. Aber sie ist auch ein wichtiger Teil des Stoffwechsels.“ Gewisse Stoffe werden über die Haut ausgeschieden. Dies wird besonders dann sichtbar, wenn das Pferd schwitzt und dabei schäumt. „Und ebenfalls die Thermoregulation ist eine wichtige Aufgabe. Der Schweiß kühlt den Vierbeiner, wenn es warm ist, die Fettablagerungen bei Kälte. Und nicht zu vergessen regelt sie den Fellwechsel.“

Die klassische Haut ist Wind und Wetter und damit Feuchtigkeit, Sonnenstrahlen und anderem täglich ausgesetzt. Hauterkrankungen sind deshalb nicht selten. „Da der Huf zur Haut dazugehört, gehören Hufrehe und Lederhautentzündungen in gewisser Weise zu den Hauterkrankungen dazu. Diese sind wohl die häufigsten“, weist der Tierarzt hin. Die Erkrankungen der klassischen Haut lasse sich in drei Kategorien aufteilen. „Bei den tumorösen Hauterkrankungen sind Sarkoide – gutartige Tumore – am häufigsten. Eine verbreitete infektiöse Erkrankung ist die Milbenerkrankung. Und unter den entzündlichen beziehungsweise autoimmunen Erkrankungen trifft man oft auf Allergien wie das Sommerekzem.“

Um die Pferdehaut ausreichend zu pflegen ist das tägliche Striegeln und Bürsten sehr wichtig. Besonders im Sommer und nach getaner Arbeit sollte der Schweiß gründlich mit Wasser entfernt werden. „Alle ausgeschiedene Stoffe sollten von der Haut gewaschen werden“, bemerkt der Experte. „Außerdem hilft das Wasser das Pferd als Hochleistungssportler runter zu kühlen.“ Und Dr. Brandenberger hat auch noch einen Tipp bei kleineren Wunden und Abschürfungen: „Auf Wunden sollte man vermeiden, fettige Salben aufzutragen. Wunde Stellen sollten mithilfe von wässrigen Cremes, am besten Aloe Vera, feuchtgehalten werden, um den Heilungsprozess zu fördern.“ Die Pferdehaut muss atmen können.

 

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