Corona-Krise: Werden auch deutsche Ställe geschlossen?

Ganz Europa befindet sich im Ausnahmezustand. Schon jetzt ist unser Leben durch Corona sehr eingeschränkt. Aktuell sind Pferdesportler die einzigen, die ihre Sportstätten, nämlich die Reitställe, noch betreten dürfen. Aber bleibt das auch so? Wir haben ins Europäische Ausland geschaut. Dort sind viele Ställe komplett abgeriegelt und dürfen nur vom Stallbesitzer selber noch betreten werden.

Sowohl Spanien als auch Frankreich haben eine Ausgangssperre für alle Bürger verhängt. Sie dürfen das Haus nur noch für Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche oder für die Betreuung pflegebedürftiger Menschen verlassen. Hundebesitzer dürfen ihren Hund Gassi führen, sich dabei aber nicht weiter als 500 Meter von ihrer Wohnung entfernen. „Für all diese Dinge müssen die Menschen jederzeit Passierscheine bei sich führen und ihren Personalausweis“, berichtet Vielseitigkeitsreiterin Victoria Sarthou aus dem südfranzösischen Dax. Auch dürfen sie sich immer nur einzeln bewegen. Für Pferdebesitzer macht Frankreich keine Ausnahmen: „Alle Reitställe wurden geschlossen. Sie dürfen nur noch vom Stallbesitzer und dem Personal betreten werden, Besitzer haben keinen Zutritt mehr.“

Victoria Sarthou berichtet über die Umsetzung der Ausgangssperre in Frankreich. Foto: Zachrau

Frankreich: Pferdebesitzer dürfen die Ställe nicht betreten

Die Federation Française D'Equitation hat festgelegt, dass die Stallbesitzer sich ums Misten, Füttern und die Bewegung der Pferde kümmern müssen. „Die Polizei kontrolliert regelmäßig die Ställe. Sie müssen sich strikt an alle Vorgaben halten“, berichtet Sarthou. Frankreich handelt sehr rigoros bei Verstößen gegen die Ausgangssperre. Wer sich nicht daran hält, muss mit Geldbußen von 135 Euro rechnen - bei schweren Verstößen drohen Verhaftungen. Victoria Sarthou selbst hat Glück: In ihrem Stall stehen nur ihre eigenen Pferde, die sie so weiterhin selbst trainieren kann. „Für mich hat sich nicht so viel geändert, außer, dass ich nicht mehr weit ins Gelände reite.“ Reiten ist in Frankreich also aktuell nur noch Stallbesitzern beziehungsweise Selbstversorgern gestattet. Ob diese Ausreiten dürfen, wird in den verschiedenen Regionen des Landes unterschiedlich gehandhabt. In Frankreich gilt die Ausgangssperre vorerst bis zum 15. April.

 

Spanien: Stallbetreiber versorgen die Pferde

In Spanien ist die Lage ähnlich: „Die Situation bei uns ist ziemlich ernst und die Ausgangssperre wird strikt eingehalten“, berichtet Caroline Czech, die seit 20 Jahren in Andalusien lebt und spanische Verkaufspferde vermittelt. „Die Reitbetriebe sind alle geschlossen und es darf kein Unterricht gegeben werden. Die Pferde werden von den Stallbetreibern versorgt.“ Auch in Spanien wird die Ausgangssperre sehr ernst genommen: „Die Polizei ist überall unterwegs und kontrolliert. Besonders schlimm ist es in Madrid.“ Selbst die Versorgung der Pferde durch Tierärzte dürfe nur im Notfall passieren. „Da wir einen kleinen Stall mit sechs eigenen Pferden haben, ist die Lage für uns aber relativ entspannt – hier wird auch nicht kontrolliert“, erzählt sie.

 

Österreich: Viele Ställe geschlossen

Österreich hat vorerst nur die abgemilderte Form der Ausgangssperre, eine Ausgangsbeschränkung, verhängt. Hier ist das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz tätig geworden und hat eigens zum Thema Pferd und Corona einen Verhaltenskatalog erstellt. Darin heißt es: „Mehrmals wöchentlich ist eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit wie freier Auslauf, sportliches Training oder eine vergleichbare Bewegungsmöglichkeit sicherzustellen.“ Das Ministerium geht sogar auf die Bedürfnisse vorerkrankter Pferde wie PSSM, Hufrehe und Lungenproblemen in seiner Vorgabe ein. Allerdings gibt es auch in Österreich Einschränkungen, die auf Pferdebesitzer in Pensionsbetrieben abzielen. Denn es heißt: „Prinzipiell dürfen Sie Ihr Pferd nur aufsuchen, wenn dies zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Ihr Eigentum (Ihr Pferd) notwendig ist. Ansonsten ist das Betreten von öffentlichen Räumen, zu denen auch Reitbetriebe und Pferdeställe zählen, untersagt.“ 

Die österreichische Pferdezüchterin Katharina Weitensfelder berichtet: „Ob Pferdebesitzer noch zu ihren Pferden in Pensionsställen dürfen – darüber herrschen viele verschiedene Meinungen. Die einen lassen den Stall auf beschränkte Zeiten offen unter strikten Hygienebestimmungen, die anderen haben ihre Ställe komplett geschlossen.“ Für ihren eigenen Hof geht der Deckbetrieb unter strikten Hygienebestimmungen weiter, jedoch hat sie die Besuche von Einstellern ebenfalls eingeschränkt. „Wir persönlich haben nur sehr wenig Einsteller. Bei dem einen Pensionspferd, das geritten wird, haben wir festgelegt, das Reiten bis zum 1. April einzustellen. Auch diejenigen, die nur zum Pferdeputzen kamen, dürfen vorerst nicht mehr in den Stall. Das Putzen übernehme ich einmal pro Woche selbst. Die Besitzerin von unserer ältesten Stute im Stall – jetzt 30 Jahre, die besonderer Betreuung bedarf, darf sich unter bestimmten Hygienevoraussetzungen weiter um ihr Pferd kümmern.“ Und: „Unsere Pferde leben im Offenstall und haben immer andere als Gesellschaft und genügend Bewegung.“

 

Erste deutsche Ställe geschlossen

Und wie wird es in Deutschland weitergehen? Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat zwar einen Verhaltenskatalog im Falle einer Ausgangssperre oder auch -beschränkung erstellt, weist gleichzeitig aber darauf hin, dass sie keine Hoheitsgewalt habe. „Etwaigen regionalen behördlichen Anweisungen sind daher zwingend Folge zu leisten“, heißt es auf den Corona-Info-Seiten. Überall in Deutschland gibt es schon Ställe, die geschlossen sind und auch für Besitzer keinen Zutritt mehr erlauben. In Bayern wurden einige Stallbesitzer beispielsweise von Ordnungsämtern kontaktiert, die ein Verbot ausgesprochen haben, dass sich Pferdebesitzer noch im Stall aufhalten dürfen. Auch in Niedersachsen entschieden Stallbetreiber, niemanden mehr auf den Hof zu lassen. Zudem berichten Pferdebesitzer von Praktiken, in denen Hofbesitzer ihnen den Zugang verwehrten, für zusätzlich erbrachte Dienstleistungen wie das Laufenlassen in der Reithalle jedoch zusätzliche Gebühren verlangten.

 

Der Stallbesitzer hat das Hausrecht

Für den Fall, dass der Stallbetreiber entscheidet, seinen Einstellern den Zutritt zu verweigern, kommentierte die FN auf Instagram: „Der Betreiber/Besitzer der Anlage hat das Hausrecht. Zum gesundheitlichen Selbstschutz bzw. zum gesundheitlichen Schutz seiner Kunden hat er demnach das Recht, Personen der Anlage zu verweisen bzw. diese nicht betreten zu lassen. Als zentrale Orientierung sollte die aktuelle Krisengebietsaufstellung des Robert-Koch-Institutes herangezogen werden. Der Anlagenbetreiber ist rechtlich für die Einhaltung der behördlichen Vorgaben verantwortlich. Dennoch sollte unter der Leitung des Betreibers/Besitzers ein möglichst verständnisvoller Weg mit dem Pferdebesitzer gefunden werden.“

 

FN appelliert an Reiter

Viele, die noch zu ihrem Pferd dürfen, halten sich an die Regeln. Einigen ist der Ernst der Lage jedoch offenbar noch nicht klar, daher veröffentlichte die FN erst kürzlich einen Post auf Instagram, in der sie an die Pferdesportler appellierte: „Um das ganz klar zu sagen: Jetzt ist nicht die Zeit, um aktuelle Trainingsvideos zu posten. Zu überlegen, welche Schlupflöcher es gibt, um doch irgendwie zu trainieren oder Unterricht zu nehmen. Jetzt ist die Zeit, um zuhause zu bleiben. Zu regeln, wie das Pferde auf das Nötigste versorgt werden kann. Sicherzustellen, dass so wenig Personen wie möglich überhaupt zum Stall kommen. Ja, das kann bedeuten, dass Reitbeteiligungen sich nicht um ihre Pferde kümmern dürfen, weil nur die Besitzer notwendige Personen sind. Oder dass sich eine Person um mehrere Pferde kümmert. Das bedeutet auch, dass ihr bei allem, was ihr tut, an die Unfallprävention denken solltet. Ob beim Ausreiten, Führen oder Longieren. Schließlich ist das Gesundheitssystem unser wichtigstes Gut, das wir nicht noch weiter belasten dürfen. Jetzt ist die Zeit, sein Verhalten zu ändern. Jetzt ist die Zeit, als Pferdesportler mit gutem Beispiel voran zu gehen. Dazu beizutragen, dass sich das Virus langsamer verbreiten kann.“

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