AUSGABE 09/2024
Olympia - die Medaillen von Paris
26.03.2020
Liebe Pferdebesitzer,
aus Befürchtungen wird Realität: Immer mehr Reitställe werden komplett geschlossen. Besitzer dürfen nicht mehr zu ihren Pferden, die Notversorgung wird alleine von den Stallbesitzern und deren Personal übernommen. Einige Stallbesitzer entscheiden sich selbst zu diesem Schritt, andere haben entsprechende Auflagen von den Ordnungsämtern ihrer Städte und Gemeinden bekommen.
Diejenigen, die noch zu ihren Pferden dürfen, können sich also sehr glücklich schätzen – und sollten dementsprechend umsichtig mit diesem Umstand umgehen. Noch immer gibt es Ställe, in denen sich zu den Stoßzeiten viele Menschen tummeln, noch immer wird Reitunterricht erteilt, noch immer wird fröhlich in Gruppen ausgeritten.
Verfolgt man Diskussionen wie unter dem gestrigen Post der FN zum angedrohten Reitverbot in Schleswig-Holstein, kann man nur zu einem Schluss kommen: Vielen ist der Ernst der Lage nicht einmal ansatzweise bewusst. Zum einen der Ernst der Lage für Pferdebesitzer, deren Ställe ebenfalls aufgrund diverser Fehlverhalten in der Sekunde geschlossen werden können, in der die Ordnungsämter oder die Polizei dort auf der Matte stehen. Und das werden sie! In Deutschland herrscht seit Montag eine Kontaktsperre – das bedeutet: mehr als zwei Menschen, die nicht aus dem gleichen Haushalt kommen, dürfen sich nicht zusammen draußen aufhalten. Polizei und Ordnungsämter sind verpflichtet, das zu kontrollieren, und tun das auch!
Zum anderen – und das ist noch viel wichtiger, um zu verstehen, worum es hier eigentlich geht: Ihnen ist der Ernst der Lage, in der wir uns in Deutschland und auch auf der ganzen Welt befinden, nicht bewusst. Eigentlich sollte es überflüssig sein, aber hier der Vollständigkeit halber die aktuellen Zahlen: Mehr als 22.000 Menschen sind bereits an dem Virus gestorben. Allein in Italien gestern über Nacht 683 Menschen, in Spanien starben von gestern auf heute 300 Menschen. Es gibt so viele Kranke, dass nicht alle behandelt werden können! Diese Länder hat die Pandemie früher getroffen als uns in Deutschland. Wir befinden uns erst am Anfang, der Höhepunkt der Krankheits- und Todeszahlen ist noch lange nicht erreicht! Sehr viele Menschen stehen aufgrund des Shutdowns vor dem finanziellen Ruin oder werden ihren Job noch verlieren. Viele Menschen werden ältere Angehörige verlieren oder sogar jüngere Freunde.
Damit es Deutschland möglicherweise nicht so schlimm trifft wie andere europäische Länder, wurden alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen – die Schließung jeglichen öffentlichen Lebens, die Absage jeglicher Veranstaltungen, die Kontaktsperre, die Schließung aller Sportanlagen. Nicht einmal die Golfer dürfen noch ihre Bälle im großen weiten Grün abschlagen, während wir Reiter das große Privileg haben, unsere Sportstätten noch betreten zu dürfen! Der einzige Grund dafür sind unsere Pferde. Aktuell dürfen die meisten von uns sie noch selbst notversorgen. Notversorgen bedeutet: Fütterung, Misten, allernotwendigste Pflege und das Sicherstellen der notwendigsten Bewegung für die Gesunderhaltung.
Dank Social Media kann auf sehr vielen Accounts live miterlebt werden, wie genau diese „Notversorgung“ aussieht – und vielerorts könnte man meinen, dass wir Stories und Bilder von vor vier Wochen sehen und nicht von Stand heute, in dem ein ganzes Land still steht. Allein die Reiterwelt scheint sich ganz normal weiterzudrehen und sich in einer kleinen, friedlichen Blase zu befinden, in der das ganz normale Leben mit fröhlichen Ausritten, der Pflege von Schweifen oder guter Laune an der Hallenbande gezeigt werden. Natürlich tut all das in einer Situation wie dieser gut, aber die Außenwirkung ist fatal – für all diejenigen, die sich in Quarantäne in einer Großstadtwohnung befinden und auch für diejenigen, die jetzt schon nicht mehr zu ihrem Pferd dürfen, vor allem aber für diejenigen, die an oberster Front dafür kämpfen, dass Menschenleben gerettet werden. Wir Reiter sind Menschen, die dafür bekannt sind, dass sie sich kümmern, nämlich voller Liebe und Leidenschaft um ihre Tiere. Die Außenwirkung, die die Reiterwelt jedoch gerade vermittelt, ist, dass sie darüber den Rest der Menschheit vergisst.
Auch wir müssen uns an Regeln halten und uns in den Ställen perfekt organisieren mit genau zugeteilten Zeiten für jedes einzelne Pferd. Umso weniger Ställe sich nicht an diese Vorgaben halten – und dafür hat die FN einen ganz wunderbaren und umfassenden Katalog ausgearbeitet, der für sie auch als Diskussionsgrundlage gilt, wenn sie sich in Bund und Ländern dafür einsetzt, dass wir unsere Pferde weiter versorgen dürfen – umso schneller kann es passieren, dass wie in Ländern wie Spanien und Frankreich alle Reitanlagen gesperrt und nur noch von den Stallbesitzern selbst betreten werden können.
Also liebe Reiter: Wacht auf, organisiert euch, beschränkt eure Zeit beim Pferd auf das Allernötigste und zeigt, dass auch ihr solidarisch seid und euer Bestes tut, damit das Risiko von Neuinfektionen sinkt und wir alle diese Krise gemeinsam gut überstehen können!