Natürlich heilen?

Alternative Heilmethoden werden nicht nur bei uns Menschen immer beliebter. Homöopathie, Bachblüten, Traditionelle Chinesische Medizin, Akupunktur und Co. haben auch Einzug in die Pferdeställe gefunden. Was bieten die Methoden im Gegensatz zur Schulmedizin? Oder ist das alles Quatsch?

Alternative Heilmethoden sind doch nur Placebos und wissenschaftlich nicht erwiesen. Dieses Vorurteil hört Mechthild Prester, die in Münster eine eigene Tierheilpraxis und Naturheilschule betreibt (www.thp-prester.de), häufig. Ihre Antwort darauf: „Ich freue mich immer, wenn ich mit einem kleinen Kügelchen so viel Glauben in ein Pferd bekomme, dass es gesund wird.“ Seit über 21 Jahren nutzt sie die Naturheilkunde, um ihren tierischen Patienten zu helfen. Damit werden verschiedene Methoden bezeichnet, die die körpereigenen Fähigkeiten zur Selbstheilung aktivieren. Dazu gehören u.a. Akupunktur, Akupressur, Homöopathie, Bachblüten, Blutegel-Therapie, Schüßler-Salze, Heilkräuter (Traditionelle Chinesische Medizin), aber auch Kinesiotaping, Physiotherapie, Osteopathie, Chiropraktik und Faszientherapie.

Homöopathie und Bachblüten

 

„Je nach Patient, Problem und Krankheitsverlauf wird ganz individuell die jeweilige Heilmethode gewählt. Man kann daher nicht sagen, diese oder jene Heilmethode für dieses und jenes spezielle Krankheitsbild eingesetzt wird“, sagt Prester. Die Homöopathie kann z.B. bei Störungen im Bewegungsapparat helfen, Bachblüten bei psychischen Problemen und die Akupunktur bei chronischen Erkrankungen, zählt sie auf. Die meisten Pferdebesitzer, die bisher nur die Schulmedizin kennen, kommen aus der Not heraus zu ihr, erzählt sie, und zwar dann, wenn der klassische, schulmedizinische Weg keine Alternativen mehr bietet. „Sie sind oft sehr skeptisch, sehen darin aber eine letzte Chance für ihr Pferd“, erklärt die Expertin.

Der Schwerpunkt der Tierheilpraktikertätigkeit liegt in der ganzheitlichen Prophylaxe. Oft werden Optimierungsvorschläge zu Haltung und Fütterung gemacht. Allein dadurch kann meist eine Verbesserung des Wohlbefindens erreicht werden, da hier oft die Ursachen für Erkrankungen liegen. Anders als in der Schulmedizin wird zur Behandlung nicht nur das Symptom gesehen und anschließend ein Mittel darauf abgestimmt, sondern intensiv nach der Ursache geforscht. Der Tierheilpraktiker geht davon aus, dass nach der Behebung der Ursache, das Gleichgewicht im Körper wiederhergestellt wird und das Symptom anschließend von selbst verschwindet. Was er nicht darf, sind Operationen durchführen, Impfungen geben und mit rezeptpflichtigen Medikamenten therapieren oder diese verschreiben.

Den Unterschied zwischen der Schul- und Alternativmedizin erklärt Prester ihren Kunden wie folgt: „Der Tierheilpraktiker ist der Schwimmlehrer. Er versucht, dem Patienten das Schwimmen beizubringen und vorausschauend zu arbeiten, wobei er auch in der Lage wäre, jemanden zu retten. Der Schulmediziner ist eher der Rettungsschwimmer. Er kommt zum Einsatz, wenn der Patient ins Wasser fällt oder droht unterzugehen. Denn in der Regel rufen Tierhalter immer erst dann den Tierarzt, wenn etwas akut ist (ausgenommen natürlich Impfungen).“ Hat ein Pferd beispielsweise Hufrehe, therapiert der Schulmediziner das Pferd solange, bis es wieder läuft und die Schmerzen weg sind. Die Alternativmedizin versucht jedoch, die Giftstoffe, die sich bei der Erkrankung ablagern, herauszulösen, damit es nicht zu einem Rückschlag kommt.

Eine gute Ergänzung

 

Grundsätzlich lässt sich die Schulmedizin immer mit alternativen Heilmethoden ergänzen, egal, um welche Krankheit oder Problematik es sich handelt. Die Homöopathie hilft sogar, Nebenwirkungen von Medikamenten zu verhindern. „In meinem Umkreis gibt es viele Tierärzte, die derselben Ansicht sind. Leider zählen sie zu den Ausnahmen“, kritisiert Prester. Das Problem? Viele lassen die Alternativmedizin außen vor, weil sie denken, ihnen gingen die Patienten weg. „Dabei sollten sich Schulmediziner und Tierheilpraktiker nicht als Konkurrenz sehen oder Berührungsängste miteinander haben, sondern zum Wohle der tierischen Patienten gemeinsam Hand in Hand arbeiten. Dann würden wir alle gewinnen und das Pferd sowieso“, meint sie. Nur alternativ zu behandeln, käme für die Tierheilpraktikerin eh nicht infrage. „Man darf nicht eingleisig fahren. Die Schulmedizin lässt sich auf gar keinen Fall vollständig durch alternative Methoden ersetzen.“ Einen Sonderfall stellen jedoch vielfach die Hauterkrankungen und Allergien dar. „Beim Sommerekzem kann man beispielsweise nur mit alternativen Verfahren tolle Erfolge erzielen“, weiß Prester aus Erfahrung.

Wichtig ist, dass ein Tierheilpraktiker gut ausgebildet ist. Er muss erkennen, dass Tiere, die sich in einer lebensbedrohlichen Notfallsituation befinden, in eine Tierarztpraxis gehören. Zudem wird jeder verantwortlich arbeitende Alternativmediziner einen Patienten, bei dessen Krankheitsbild er es für angemessen hält, diesen sofort zu einem Veterinärmediziner verweisen. Ihm stehen oft nicht die Möglichkeiten, d.h. die erforderlichen Diagnosegeräte oder die dringend benötigten Medikamente (wie z. B. Schmerzmittel, Kortison, Antibiotika) zur Verfügung. Hier endet sein Betätigungsfeld. Das bestätigt auch die Tierheilpraktikerin: „Er muss sehen, wann ein Tierarzt gefragt ist, wann eine Erkrankung diagnostisch abgeklärt und eventuell ein Ultraschall oder Röntgenbild gemacht werden muss. Wenn Operationen anstehen, ist der Tierarzt der einzig richtige Ansprechpartner. Würde mich ein Pferdebesitzer anrufen und sagen, sein Pferd habe eine Kolik, würde ich ihn direkt zu einem Tierarzt schicken.“ Leider gibt es – wie in jedem Berufsstand – auch unter den Naturheilkundlern schwarze Schafe, die laienhaft arbeiten und falsche Diagnosen stellen. „Früher hatten viele einen schlechten Ruf. Das hat sich aber weitgehend verändert. Mittlerweile gibt es viele Schulen, die Prüfungen abnehmen. Man merkt, es kommt mehr Qualität auf den Markt in den letzten Jahren“, meint die Expertin.

Ohne Schulmedizin geht es nicht

 

A propos Laie: Viele glauben, sie könnten alternative Heilmethoden einfach mal selbst am Tier ausprobieren und wahllos experimentieren. Davon rät Prester aber ab: „Auch, wenn sich die Nebenwirkungen in der Regel in Grenzen halten, kann man z.B. bei der Gabe eines falschen homöopathischen Mittels über einen längeren Zeitraum ein Arzneimittelbild hervorrufen. In ungeschulte Hände gehören alternative Heilmethoden daher nicht. Man sollte genau wissen, wie die Mittel wirken. Ich empfehle immer, einen ausgebildeten Tierheilpraktiker zu Rate zu ziehen. Eine Ausnahme kann jedoch sein, wenn ein Pferdebesitzer bereits gute Erfahrungen mit einem Mittel (z.B. bei Mauke) gemacht hat und dieses erneut benutzt“, so die Expertin.

Wer offen ist für naturheilkundliche Mittel, kann Presters abschließende Empfehlungen für die Stallapotheke beherzigen. Sie rät zu Arnica bei Prellungen und Verstauchungen, Belladonna bei Fieber und heißen Schwellungen, Nux Vomica bei Bauschmerzen und Durchfall, Ledum bei Insektenstichen, Euphrasia bei tränenden Augen oder einer beginnenden Bindehautentzündung, Thuja unterstützend bei Impfungen und Rescue-Tropfen (Bachblüten) bei einer plötzlichen Erkrankung oder akutem Stress.

Egal, welchen Weg Pferdebesitzer wählen, am Ende gibt es nur eine Sache, die zählt, und zwar der Erfolg einer Therapie. Und wer weiß, vielleicht gehört ja der integrativen Medizin bald die Zukunft.

Mit der Kraft der Natur

Bachblüten, Kräuter, homöopathische Essenzen und Schüßler Salze sind alternativmedizinische Präparate, die bei verschiedensten Krankheitsbildern eingesetzt werden (u.a. Husten, Gelenkproblemen, Schreckhaftigkeit, Allergien, Magen-Darm-Beschwerden).

Bachblüten: Die Bachblüten-Therapie ist ein in den 1930er Jahren von dem britischen Arzt Edward Bach begründetes alternativmedizinisches Verfahren. Laut Bachs zentraler These beruhe jede körperliche Krankheit auf einer seelischen Gleichgewichtsstörung und eine Heilung könne nur durch eine Harmonisierung auf der geistig-seelischen Ebene bewirkt werden. Daher ordnete er 38 Seelenzuständen Blüten und Pflanzenteile zu, die er in Wasser legte oder kochte und die so ihre „Schwingungen“ an die Flüssigkeit übertragen sollten. Aus diesen Urtinkturen werden anschließend durch Verdünnung die Blütenessenzen hergestellt.

TCM: Der Einsatz chinesischer Kräuter ist Teil der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM). Ihre Wirkungen haben drei grundsätzliche Ausrichtungen: aktivierend, beruhigend und Energie verteilend. Ihrem Geschmack nach werden die verschiedenen Kräuterpflanzen unterteilt in süß, sauer, scharf, bitter, salzig und neutral. Die einzelnen Gruppen haben jeweils einen besonderen Bezug zu einem oder mehreren Leitbahnen (Meridianen) und Organen im Körper. Ebenso wie die Akupunktur soll die Behandlung mit Kräutern den Patienten aus einem Zustand der energetischen Imbalance wieder ins Gleichgewicht bringen.

Homöopathie: Die Homöopathie beruht auf den ab 1796 veröffentlichten Vorstellungen des deutschen Arztes Samuel Hahnemann. Seine Grundannahme ist, dass „Ähnliches durch Ähnliches geheilt werden möge.“ Seine homöopathischen Medikamente haben ihre Basis in natürlichen Substanzen mit pflanzlichen, mineralischen oder tierischen Bestandteilen. Sie werden in extremer Verdünnung, den sogenannten Potenzen, und in Form von alkoholischen Lösungen, Tabletten und Globuli verabreicht.

Schüßler-Salze: Schüßler-Salze sind alternativmedizinische Präparate von Mineralsalzen in homöopathischer Dosierung. Die Therapie mit Schüßler-Salzen geht auf Wilhelm Heinrich Schüßler (1821–1898) zurück und basiert auf der Annahme, Krankheiten entstünden allgemein durch Störungen des Mineralhaushalts der Körperzellen und könnten durch homöopathische Gaben von Mineralien geheilt werden.

Blutegel: Blutegel werden seit Jahrhunderten zur Blutentziehung (Aderlass) verwendet. Dies soll zur „Entgiftung“ beitragen, gleichzeitig enthält der Speichel des Egels Substanzen, welche die Blutgerinnung hemmen, den Lymphstrom beschleunigen und Schmerzen lindern.

Heilende Hände

Bei Muskelverspannungen, Leistungsabfall, Störungen oder Schmerzen in Haltungs- und Bewegungsmustern sowie allgemeinen Rittigkeitsproblemen können durch manuelle Behandlungsmethoden gute Erfolge erzielt werden.

Akupunktur: Die Akupunktur ist eine Behandlungsmethode der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM), bei der eine therapeutische Wirkung durch Nadelstiche an bestimmten Punkten des Körpers erzielt werden soll. Dabei wird von einer „Lebensenergie des Körpers“ ausgegangen, die auf definierten Leitbahnen (Meridianen) zirkulieren und einen steuernden Einfluss auf alle Körperfunktionen haben soll. Ein gestörter Energiefluss soll Erkrankungen verursachen. Durch Stiche in auf den Meridianen liegende Akupunkturpunkte würde die Störung wieder behoben.

Akupressur: Die Akupressur hat das gleiche Therapieziel wie die Akupressur, jedoch wird bei dieser Methode stumpfer Druck und Wärmezufuhr an Akupunkturpunkten angewendet.

Faszientherapie: Faszien – das weißlich-durchsichtige Bindegewebe im Körper – hat vielfältige Aufgaben. Es umschließt einzelne Organe, Knochen und Muskeln und gibt dem Körper Halt, Elastizität und Form zugleich. Bei Fehlbelastungen, zu wenig Bewegung oder Verspannungen können die Faszien Schaden nehmen, sich verkleben oder verformen und zur Ursache von Schmerzen werden. Bei der Therapie werden daher verdrehte Faszien mit verschiedenen Massagetechniken und Hilfsmitteln (u.a. Faszienrolle, Faszienrad) wieder gelöst.

Kinesiotaping: Der Begriff Kinesiotaping geht auf den Arzt und Chiropraktiker Kenzo Kase zurück. Der Japaner fand heraus, dass das Lösen von muskulären Schmerzsyndromen und Sportverletzungen nur dann einen langfristigen Erfolg brachte, wenn auch das umliegende Gewebe mitbehandelt wurde. So entwickelte er 1979 die heutigen Tapes, die feinste Reize auf die Hautrezeptoren setzen und dabei auf reflektorischer Ebene die Regenerations- und Selbstheilungsprozesse im Körper anregen sollen.

Physiotherapie: Als Heilverfahren nutzt die Physiotherapie natürliche Anpassungsmechanismen des Körpers, um Störungen körperlicher Funktionen gezielt zu behandeln oder als Maßnahme in der Gesunderhaltung diese zu vermeiden. Sie wendet äußere natürliche physikalische Reize an wie Druck, manuelle Griffe, Wärme, Kälte, Elektrizität, Schall oder gezielte Bewegung.

Osteopathie: Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still entwickelte die Behandlungsmethode in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ziel der Osteopathie ist es, nur mit den Händen Bewegungseinschränkungen im Gewebe aufzuspüren, diese zu beseitigen und den Körper mit einer verbesserten inneren Beweglichkeit, bei der eigenen Heilung sich selbst zu überlassen.

 

Chiropraktik: Die Chiropraktik zielt darauf ab, Funktionsstörungen an den der Bewegung und Stützung des menschlichen Körpers dienenden Körperteilen, besonders der Wirbelsäule, zu finden und zu beseitigen. Dabei werden sowohl das gestörte Gelenkspiel, als auch die Verschiebung berücksichtigt.

ACHTUNG, DOPING!

Bei Pferden, die aktiv im Turniersport eingesetzt werden, fallen homöopathische Mittel unter die Anti-Doping- und Medikamentenkontroll-Regeln (ADMR) der FN. Sie sind in einer Verschüttelung (Dilution) ab D7 erlaubt. Sofern sie in einer Verschüttelung bis D6 einschließlich eingesetzt werden, sind Homöopathika im Wettkampf verboten und haben eine Karenzzeit von 48 Stunden. Bei der Akupunkturbehandlung kann sich die Endorphinausschüttung sowie der Testosteronspiegel erhöhen, daher fällt sie im Turniersport ebenfalls unter Doping. Auch verschiedene Pflanzenstoffe und Heilkräuter zählen dazu (z.B. Kräutermischungen mit Eukalyptus, Süßholz, Spitzwegerich und Thymian). Mehr Infos auf www.pferd-aktuell.de.

Zum Seitenanfang