Zuchteinstieg leicht gemacht

Wer sich kompetenten Beistand holt, kann die Geburt unbeschwert erleben. (Fotos: Equipics)

Ein Fohlen aus meiner Lieblingsstute: Diesen Wunsch hegen viele Sportreiter. Doch wie wird aus meiner Sportstute eine Zuchtstute? Was sollte beachtet werden und wo müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden? Wir sprechen mit zwei Expertinnen in Sachen Zucht: Isabell Bäßmann, Gestütsassistenz beim Celler Landgestüt und ehemalige Mitarbeiterin beim Hannoveraner Verband, und Dr. Gunilla Martinsson, Tierärztin am Landgestüt in Celle.

 
Bevor es zum Decken geht, müssen erst mal zwei grundlegende Fragen beantwortet werden: In welchem Zuchtverband möchte ich züchten und welchen Hengst möchte ich verwenden? „Wer für sein Fohlen einen roten Pass erhalten möchte, muss die Stute bei einem Verband als Zuchtstute eintragen lassen, egal, ob sie nur einmalig als Zuchtstute genutzt werden soll oder mehrere Fohlen geplant sind“, erklärt Bäßmann. Der Zuchtverband muss nicht zwangsläufig der sein, dessen Brand die Stute trägt. „Heutzutage sind die Zuchtprogramme so geöffnet, da können fast alle Reitpferdestuten auch bei den deutschen Warmblutzuchtverbänden eingetragen werden“, führt die Expertin weiter aus. Ist die Entscheidung für einen Verband gefallen, sollte der Anruf bei selbigem erfolgen, um die Stute als Zuchtstute anzumelden. Im Idealfall hat man schon beim ersten Anruf die Lebensnummer der Stute griffbereit. So lässt sich das Pferd am schnellsten im System finden. Neben der Stute muss auch der Züchter Mitglied im Verband werden. „Einige Zuchtverbände bieten hier auch spezielle Mitgliedschaften für Zuchteinsteiger und junge Züchter an, da sollte man sich einfach vorher schlau machen, insbesondere, wenn man plant, nur ein Fohlen zu ziehen“, so der Tipp von Isabell Bäßmann.

Ist die Wahl auf den zukünftigen Hengst schon gefallen, kann auch dies Einfluss auf die Wahl des Zuchtverbandes haben, denn ist ein Hengst für einen Zuchtverband bereits zugelassen und vielleicht von diesem sogar gekört, entstehen später weniger Kosten für den Züchter. In Hengstverteilungsplänen ist vermerkt, welcher Hengst für welchen Verband zugelassen ist, aber auch die Hengsthalter selbst können hier Auskunft geben. „Wenn die Wahl auf einen exotischen Hengst gefallen ist oder einen ausländisch gekörten, dann sollte man vorsichtshalber beim Verband anrufen, meist lässt sich auch hier ein Weg finden“, rät Bäßmann.

Den Traum vom Fohlen aus der eigenen Stute haben viele Sportreiter.

Ist meine Stute geeignet?
 
Bevor es losgeht, sollte auch die Gesundheit des Pferdes kontrolliert werden. „Die Frage ist immer: Warum soll aus meiner Sportstute jetzt ein Fohlen gezogen werden? Oftmals ist die Antwort: Weil sie nicht mehr geritten werden kann. Und wenn Schmerzen der Grund dafür sind, sollte man auch überlegen, ob es dann förderlich ist, die Stute in der Zucht einzusetzen“, macht Dr. Guniella Martinsson gleich zu Beginn deutlich. Die Schmerzen können sich nicht nur durch die Strapazen der Trächtigkeit und Geburt verschlimmern, sie können auch verhindern, dass die Stute überhaupt tragend wird. Darum rät die Veterinärin, zunächst einen Tierarzt zu konsultieren. Eine Altersobergrenze für erstgebärende Stuten gibt es nicht, jedoch sollte immer auf den Allgemeinzustand der Stute geachtet werden, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Außerdem sollte die Zuchtfähigkeit untersucht werden, dies erfolgt per Ultraschall. Dabei werden die Eierstöcke und die Gebärmutter kontrolliert. Gibt es anatomisch keine Einwände, wird ein Abstrich aus der Gebärmutter genommen. „Auch wenn die Stute noch kein Fohlen hatte, können sich Bakterien in der Gebärmutter befinden“, erklärt die Tierärztin.
 
Die Eintragung als Zuchtstute
 
Um eine Stute beim Verband als Zuchtstute eintragen zu lassen, muss diese einmal offiziell vorgestellt werden. Dies erfolgt bei einer Stutbuchaufnahme bei Stutenschauen. Eine Kommission benotet das Exterieur. Dabei werden einzelne Körperteile benotet und der Gesamteindruck bewertet. Aber auch die Korrektheit des Ganges wird an der Hand im Schritt und im Trab einer Prüfung unterzogen. Sollte es dem Züchter nicht möglich sein, mit seiner Stute an einem dieser Termine teilzunehmen, kann auch ein gesonderter Termin mit einem Verbandsbeauftragten im heimischen Stall stattfinden. Eine Stute kann auch bei mehreren Verbänden als Zuchtstute eingetragen werden. Der Pferdezuchtverband stellt nach der Eintragung jedes Jahr einen Deckschein aus, dieser wird später beim Hengsthalter eingereicht. Mit den Daten des Hengstes und den Deckdaten wird er dann beim Zuchtverband hinterlegt. Sobald der Deckschein beim Verband eingereicht wird, wird die Lebensnummer für das Fohlen angelegt.

Vor der Besamung sollte die Zuchttauglichkeit durch einen Tierarzt geprüft werden.

Perfekt Match
 
Wie finde ich den passenden Hengst für meine Stute? Sicherlich hat jeder Besitzer schon Traumkandidaten, doch sollte man sich mehr als schicke Hochglanzfotos ansehen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. „Die Wahl des Hengstes ist eine der wichtigsten Entscheidungen. Es gibt nicht den einen Hengst, der am besten ist. Der Hengst muss immer zur Stute passen und auch zu dem passen, was ich mit meinem Fohlen vorhabe“, weiß Bäßmann. Zunächst sollte der Züchter sich selbst einige Fragen stellen: Was möchte ich für ein Fohlen? Für welche Disziplin soll es veranlagt sein oder wünsche ich mir einen Allrounder als Freizeitpferd? „Wichtig ist auch, zu wissen: Möchte ich es als Fohlen direkt verkaufen? Dann sollte ich einen Hengst nehmen, der gerade modern ist und dessen Nachkommen stark nachgefragt sind“, rät die Fachfrau. „Es gibt Hengste, die seit Jahren etabliert sind und die tolle kopfklaren Nachkommen produzieren, mit denen jeder zu Hause eine gute Zeit hat. Aber diese lassen sich meist auf dem Fohlenmarkt nicht teuer verkaufen.“ Der Tipp der Expertin: Sich Zeit lassen und ausführlich von kompetenten Fachleuten beraten lassen. Aber nicht nur der Hengst sollte genau unter die Lupe genommen werden, auch die eigene Stute sollte genau und kritisch betrachtet werden. Um die bestmögliche Anpaarung zu finden, muss der Züchter die Stärken und Schwächen seines Pferdes kennen. Wo soll eine Verbesserung erzielt werden und was bringt meine Stute bereits mit? Hat die Stute ein gutes Fundament, aber einen eher schlechten Trab, dann kann der richtige Hengst die Defizite im Gang ausgleichen. Leider gibt es keine umfassende Datenbank mit allen Hengsten und ihren individuellen Eigenschaften, doch die Zuchtverbände, Landgestüte und Hengsthalter können umfassende Auskunft geben.

Während der Trächtigkeit sollten radikale Änderungen der Haltung und anderer Stress vermieden werden.

Hauptsache gesund
 
In den letzten Jahren sorgte besonders eine Krankheit in der Warmblutzucht für Furore: WFFS, sprich Warmblood Fragile Foal Syndrom. Dies ist eine genetische Krankheit, die ausbricht, wenn ein Fohlen zweier Träger des WFFS-Gens zur Welt kommt. Darum ist es verboten, zwei WFFS-Genträger zu verpaaren. Für die Deckhengste gilt eine Testpflicht und alle Hengsthalter müssen die Testergebnisse offenlegen. „Wenn man mit seiner Stute einen WFFS positiven Hengst verwenden möchte, muss zuvor die Stute ebenfalls auf das Gen getestet werden. Trägt sie das Gen nicht, spricht nichts gegen eine Verwendung“, erklärt Isabell Bäßmann.

Zeit für die Besamung
 
Wenn der Hengst ausgewählt ist und die Zeit der Besamung näher rückt, sollte bereits beim entsprechenden Hengsthalter angerufen werden, um seine Samenbestellung anzukündigen. „Außerdem kann dann schon erfragt werden, wie der Ablauf ist, wann und wie die Lieferung oder Abholung erfolgen kann. So ist alles vorbereitet, wenn es dann wirklich losgeht“, rät Bäßmann. Eine klassische Reservierung des Samens ist in der Regel nicht möglich. Bei besonders gefragten Hengsten oder solchen, die aktiv im Sport geritten werden, kann es schon mal zu Engpässen kommen.
 
Die Besamung selbst kann im heimischen Stall durch einen Tierarzt erfolgen, einige Hengststationen bieten allerdings auch die stationäre Aufnahme von Stuten an. Diese werden dann engmaschig untersucht und zum optimalen Zeitpunkt besamt. „Hier gibt es mehrere Ansätze: Wenn ich meine Stute direkt zu Beginn der Saison besamen lasse, habe ich die Chance auf mehrere Versuche, falls sie nicht sofort aufnimmt. Stuten, die schon etwas älter sind, kommen erst ab April in eine richtige Rosse“, erklärt Dr. Martinsson. Auch der Geburtstermin sollte bei der Entscheidung über den Besamungszeitpunkt eine Rolle spielen. Eine Stute ist elf Monate tragend. Wenn das Fohlen also schon im Februar geboren wird, sollte sich der Züchter vorher überlegen, wie er Stute und Fohlen in den ersten Wochen nach der Geburt ausreichend Auslauf ermöglichen kann. „Pferde sind Lauftiere und die sollen auch nicht als Fohlen nur in der Box stehen“, führt die Tierärztin weiter aus.

Wenn eine Stute nicht aufnimmt, kann das unterschiedliche Ursachen haben, zum Beispiel Bakterien in der Gebärmutter, der falsche Zeitpunkt der Befruchtung, ein unregelmäßiger Zyklus oder ein Hengst, der genetisch nicht zur Stute passt. „Idealerweise hat man einen Hengst in der Nähe, mit dem man die Stute abprobieren kann. Wir haben auf dem Gestüt immer Hengste mit im Stutenstall stehen, damit die Stuten die Rosse deutlich anzeigen“, beschreibt Dr. Martinsson. Um die Rosse zu fördern, kann die Fütterung angepasst werden. Zudem sind möglichst viel natürliches Licht und täglicher Auslauf zuträglich. Mit Lichtmanagement im Stall kann den Stuten der nahende Frühling vorgetäuscht werden - gerade im Bereich der Vollblutzucht wird dies praktiziert. „Die Fütterung mit Vitamin E und A sowie Carotin können die Substitution der Stute verbessern“, empfiehlt die Tierärztin.

Der richtige Zeitpunkt zur Befruchtung hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Während der Trächtigkeit
 
Ist die Stute trächtig, sollte Stress jeder Art vermieden werden. „In der Frühträchtigkeit sollte sie weiterhin behandelt werden wie vor der Trächtigkeit. Eine gerittene Stute kann im gleichen Maße weiter geritten werden, aber man sollte eine junge Stute nicht anreiten“, führt Dr. Martinsson aus. Aber auch neue Herden, Stallwechsel oder andere radikale Veränderungen sollten vermieden werden. Die Trächtigkeit muss in kurzen Abständen immer wieder überprüft werden, so bleibt die Chance auf eine zweite Befruchtung, falls das Fohlen verloren geht. Zudem rät die Tierärztin zu einer Herpesimpfung im fünften, siebten und neunten Monat der Trächtigkeit. „Grundsätzlich können die Stuten bei einer normalen Trächtigkeit bis in den sechsten oder siebten Monat weiterhin geritten werden“, sagt die Fachtierärztin. Ein Stallwechsel in einen Zuchtstall sollte zum Herbst hin erfolgen. Der Umzug in die Abfohlbox sollte etwas sechs bis acht Wochen vor der Geburt anstehen. Über die Zeit der Trächtigkeit gilt es, die Futterration immer wieder zu erhöhen und die Versorgung mit Mineralien und Vitaminen zu gewährleisten.
 
Die Abfohlbox
 
Die Box, in der das Fohlen zur Welt kommen soll, sollte groß genug sein, sodass die Stute sich hinlegen und etwas bewegen kann. „Auch Hygiene ist sehr wichtig. Die Box sollte zu jeder Zeit sauber sein“, erklärt Dr. Martinsson. Um der Stute genügend Halt zu geben, empfiehlt sich eine Strohmatratze, damit das Pferd beim Aufstehen nicht stürzt oder auf dem kalten Beton liegen muss.
 
Das Fohlen kommt 
 
Wer plant, die Geburt selbst zu überwachen, sollte sich vorher genau über den Ablauf informieren. Denn bei Pferden dauert eine reguläre Geburt meist weniger als 30 Minuten. „Pferde zeigen oftmals nicht, dass die Geburt losgeht. Manchmal gehen die Besitzer nur kurz einen Kaffee holen und in der Zeit plumpst schon das Fohlen ins Stroh“, berichtet Dr. Martinsson. 

Dies sind die gängigen Anzeichen für die bevorstehende Geburt: Etwa 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin beginnt das Euter sich zu füllen und innerhalb der letzten 24 Stunden vor der Geburt bilden sich die Harztropfen an den Euterzitzen. Ein weiteres Anzeichen für die nahende Geburt ist das Weichwerden der Kruppenmuskulatur und eine vergrößerte Scheide. 

„Es kann passieren, dass die Geburt ins Stocken gerät. Dann ist es wichtig, sofort den Tierarzt zu informieren, hier darf keine Zeit verloren werden“, macht die Tierärztin deutlich. Oftmals ist die Situation für unerfahrene Züchter nicht sofort zu erkennen, darum rät die Tierärztin, sich einen erfahrenen Züchter zur Seite zu holen oder die Stute in einem Zuchtstall unterzubringen. Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, sollten ausreichend saubere Handtücher bereitgelegt werden, um das Fohlen trocken zu rubbeln und somit die Atmung zu stimulieren.

Zudem wird ein Fläschchen alkoholische Jodlösung zur Desinfektion des Nabels benötigt. Auch ein bis zwei Tuben Klistier sind ratsam, damit wird das erste Kotabsetzen des Fohlens unterstützt. Auch ein kleiner Eimer mit Fohlenmilchpulver kann nicht schaden, denn sollte es im schlimmsten Fall dazu kommen, dass die Stute verstirbt, ist wenigstens die erste Versorgung des Fohlens gesichert. Kommt das Pulver nicht zu Einsatz, kann dies auch als Ergänzungsfutter für die ersten Tage der Stute übers Futter gegeben werden. „Ganz wichtig ist, dass das Fohlen das Colostrum, also die erste Muttermilch, trinkt. Wir machen es daher so, dass wir die erste Milch abmelken und dem Fohlen mit der Flasche geben. So können wir sicher sein, dass nichts danebengeht“, erklärt Dr. Martinsson.

Auch die Nachgeburt sollte auf Vollständigkeit überprüft werden. Bleiben Teile in der Stute zurück, müssen diese vom Tierarzt herausgespült werden. Die Nachgeburt wird normalerweise in den ersten zwei Stunden nach der Geburt ausgeschieden. In dieser Zeit sollte das Fohlen bereits aufstehen und trinken. Wenn die Nachgeburt nach sechs Stunden immer noch nicht abgegangen ist, sollte der Tierarzt unterstützend eingreifen, ansonsten bilden sich Toxine, die zu Infektionen der Stute führen können.  

In den ersten zwei Lebensstunden sollte das Fohlen selbstständig stehen und trinken.

Die ersten Tage
 
In der Zeit nach der Geburt ist es wichtig, die Fütterung der Stute anzupassen, damit ausreichend Milch zur Versorgung des Fohlens produziert werden kann. Ist das Fohlen gesund und munter, ist es an der Zeit, dies dem Zuchtverband zu melden. Zu jeder gedeckten Stute verschickt der Verband Anfang des Jahres eine Abfohlmeldung. „Dieser Zettel ist ganz wichtig und sollte nicht verloren gehen. Hier sind die Daten der Stute erfasst sowie alle Daten zum Decken. Und mit diesen Unterlagen erfolgt dann die erste Registrierung des Fohlens“, macht Isabell Bäßmann deutlich. Teil der Abfohlmeldung ist auch das Diagramm, in welchem alle Abzeichen und Wirbel des Pferdes sowie Farbe und Geschlecht eingetragen werden. Der Verband sollte in den ersten vier Wochen nach der Geburt informiert werden. Auch wenn der schlimmste Fall eintritt und am Ende kein lebensfähiges Fohlen zur Welt kommt, sollte der Verband darüber informiert werden. „Wenn die Information weitergegeben wird, kommen dann auch keine weiteren Schreiben und Aufforderungen vonseiten des Verbands“, verrät Bäßmann. Tierärzte, Verbands- oder Gestütsmitarbeiter können die Registrierung vornehmen, zu der auch das Chippen gehört. Dies kann auf dem Hof oder einer Fohlenschau erfolgen. Erst nach der Registrierung und dem DNA-Nachweis, der mittels Haarprobe erfolgt, erhält der Züchter den Pferdepass, in den dann auch alle Impfungen eingetragen werden müssen.

In dieser Videoserie wird der Ablauf einer Sportstutenbefruchtung erklärt.

Tipp:

Einige Zuchtverbände bieten auch Seminare und Webseminare für Zuchteinsteiger an. Dies ist eine gute Möglichkeit, die entsprechenden Ansprechpartner des Verbandes bereits kennenzulernen und ein grobes Bild dessen zu erhalten, was auf den Züchter zukommt. Viele Fragen werden hier schon beantwortet, bevor sie überhaupt aufkommen.

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